Intel-Rechner uebernehmen Mainframe-Aufgaben Unter Unix laufen auf dem PC auch Online-Transaktionen Von Frank Welsch-Lehmann*

04.03.1994

Mit der Verfuegbarkeit leistungsfaehiger Transaktionsmonitore fuer Unix setzen die Unternehmen verstaerkt Anwendungen unter Unix ein, die als "mission-critical" gelten. Waehrend die Anbieter von proprietaeren Systemen fuer Online Transaction Processing (OLTP) Wachstumsrueckgaenge verzeichnen, kann der Unix-OLTP-Markt rasch zulegen. Unix, in frueheren Jahren mit dem Image einer rein technischen DV-Plattform belastet, hat sich mittlerweile im kommerziellen Markt etabliert. Zurueckfuehren laesst sich dieser Erfolg auf seine kontinuierliche Verbesserung und Erweiterung speziell fuer kommerzielle Aufgabenstellungen. Zu nennen sind hier die Unterstuetzung von symmetrischem Multiprocessing (SMP) und Leistungsmerkmale fuer die Verfuegbarkeit wie beispielsweise Disk- Arrays, robustere und schnellere Dateisysteme fuer die Datenwiedergewinnung. Ausserdem werden inzwischen weit mehr Tools zur Systemverwaltung und eine verbesserte Peripherie-Unterstuetzung angeboten. Gruende fuer die wachsende Akzeptanz liefern auch die verbesserten Systeme fuer OLTP. OLTP bezeichnet einen Vorgang, bei dem zahlreiche Anwender im Dialogbetrieb gleichzeitig auf gemeinsam genutzte zentrale Daten zugreifen, diese lesen und auch aendern koennen, wobei die zu bearbeitenden Geschaeftsprozesse (Transaktionen) eventuell auch mehrere Zugriffe erfordern. Typische Einsatzbereiche sind die Online-Abwicklung von Bankgeschaeften, Finanzdienstleistungen, Reservierung, Auftragserfassung, Vertrieb, Kundendienst, Fertigungskontrolle und Telekommunikationsdienste.War die als OLTP bezeichnete Verarbeitungsform in der Vergangenheit den Mainframe-Umgebungen vorbehalten, so hat der aus Kostengruenden forcierte Weg zum Downsizing Unix-Produkte als Alternative hoffaehig gemacht. Dabei spielt unter anderem die Tatsache eine Rolle, dass das Betriebssystem heute auch in grossen Multiuser-Umgebungen die fuer OLTP erforderliche Betriebssicherheit und Leistung bietet.X/Open fixiert ein offenes OLTP-ModellMit wachsender Leistungsfaehigkeit und Anwenderzahl bei grossen Unix-Systemen ist in juengster Zeit auch das Interesse an OLTP rapide gestiegen. Entsprechend optimistisch sehen die Prognosen fuer den Unix-OLTP-Markt aus. Die Gartner Group beziffert den weltweiten Markt bei Unix-TP-Monitoren fuer 1992 auf 190 Millionen Dollar, bis 1995 soll er auf drei Milliarden Dollar angewachsen sein.Anbieter und Organisationen wie Novell/USL, HP, Sun, OSF und SCO haben seit Jahren dafuer gesorgt, dass Unix kontinuierlich um spezielle Leistungsmerkmale fuer kommerzielle Anwendungen verbessert wurde. In diesem Zusammenhang muss auch die X/Open als massgebliches Normierungsgremium im Umfeld von offenen Systemen und Unix genannt werden. Die X/Open hat Anfang letzten Jahres ihr Transaktionsverarbeitungs-Modell vorgestellt, das eine deutlich verbesserte Integration der OLTP- Unix-Produkte ermoeglicht. Urspruenglich als Standard-Schnittstelle zum Entwickeln von TP-Systemen gedacht, definiert das jetzige TP- Modell ein Verfahren fuer das Distributed Transaction Processing (DTP). Es umfasst die vier API-Sets XA, XA+, Transaction Manager Interface (TXI) und Kommunikationserweiterungen fuer TXI. Die XA- API beschreibt die Schnittstelle zwischen dem Transaction Manager und den von diesem genutzten beliebigen Systemressourcen. Dies sind derzeit Daten-Manager wie zum Beispiel relationale Datenbanksysteme. Kuenftig sollen auch Namens- und Management- Dienste unterstuetzt werden. Da das XA-Daten-Manager-Interface exakt festgelegt ist, wird es heute von den meisten Unix-TP- Monitoren genutzt. Auch gebraeuchliche Daten-Manager bieten heute bereits XA-Unterstuetzung.An der Definition der drei anderen APIs wird derzeit noch gearbeitet. Jedes API soll fuer die Softwarekomponenten spezielle Schnittstellen zum DTP-Modell bereithalten. Das TX-Interface definiert die Interaktion einer Anwendung mit dem Transaction Manager sowie die von der Anwendung kontrollierten Ressourcen. Die in TXI zusammengefassten semantischen Regeln ermoeglichen einer Applikation Definition, Beginn, Ausfuehrung und Beendigung von Transaktionen. Die XA+- erlaubt der XA-Schnittstelle zusaetzlich die Interaktion mit sogenannten Communications Resource Managers (CRMs). Diese residieren unterhalb des Transaction-Managers und implementieren die Standardkommunikation zwischen beliebigen TP-Monitor-Techniken im Netzwerk.Neben der Anwender-Schnittstelle TX fuer die Transaktionssicherung will die X/Open kuenftig auch das OSI-TP- Protokoll einbauen. OSI-TP, das auch im Referenzmodell von X/Open enthalten ist, steuert die verteilte Transaktionsverarbeitung zwischen verschiedenen TP-Monitoren. Bei der Definition des DTP- Modells favorisierten die Beteiligten zwei unterschiedliche Verfahren. Waehrend die USL ihr transparentes Client-Server-Modell auf Tuxedo-Basis als Technologievorschlag fuer DTP eingereicht hat, unterstuetzten NCR und IBM den als XA+ bezeichneten Ansatz. Die X/Open entschied sich zwar fuer das XA+-Modell, der Konformitaet zu Tuxedo steht jedoch kuenftig nichts im Wege.Die Leistungsfaehigkeit derzeitiger Unix-OLTP-Systeme wie Tuxedo von ULS, Top End von NCR, Encina von Transarc oder des im letzten Herbst angekuendigten IBM CICS/6000, aber auch die mit X/Open XA+ in Aussicht gestellten Verbesserungen machen Unix als OLTP-Plattform zunehmend interessanter. Der Umstieg auf Unix ist nicht nur wegen der geringen Kosten attraktiver, die derjenige aufwenden muss, der vom Grossrechner auf kleinere Systeme wechselt. Auch die angenehmen Begleiterscheinungen einer offenen Architektur wie Anwendungsportabilitaet, umfassende Verfuegbarkeit von relationalen Datenbankprodukten, unzaehlige Tools und Konnektivitaet zu anderen Systemen ueber diverse Uebertragungsprotokolle sprechen fuer Unix und den OLTP-Einsatz auf der Basis dieses Betriebssystems. Darueber hinaus gibt es eine CISC-Verbindung von Micro Focus fuer SCO, mit der sich das Downsizing auf SCO-Plattformen leichter gestalten laesst. Auch die Leistungssteigerung bei den Intel-Prozessoren macht den OLTP-Einsatz unter Unix immer reizvoller. Die ersten PC- Systeme mit Pentium-Prozessoren wurden von so renommierten Herstellern wie NCR, HP, Unisys, Compaq und SNI schon angekuendigt und sollen in absehbarer Zeit zur Verfuegung stehen. Das Leistungsvermoegen der neuen Pentium-Generation liegt laut Angaben von Intel bei ueber 100 MIPS, wodurch der Pentium rund vier- bis siebenmal schneller ist als ein heutiger 486-Prozessor mit 50 Megahertz Taktfrequenz. Neben Preis und Leistung spricht fuer die Intel-Linie, dass sie auf einer durchgaengigen Architektur basiert und sich im Gegensatz zu RISC nicht in diverse Segmente und Gruppierungen zersplittert. Dass die Intel-Prozessoren heute fuer anspruchsvollste Anwendungen wie OLTP die erforderliche Hardwareleistung bereitstellen, wurde juengst ueberzeugend in einem TPC-A-Datenbanktestlauf1 mit einer Kombination aus Intel-basiertem Compaq-Server und Unix unterstrichen.Hiernach wurde der Mehrprozessorrechner Compaq SystemPro/XL Modell 2040 unter Unix und SCO MPX mit dem Datenbanksystem Oracle, Version 7, mit 171,8 Transaktionen pro Sekunde (tpsA) bei 5515 Dollar Kosten pro Transaktion offizieller Benchmark-Testsieger des Transaction Processing Council (TPC) und stellte damit einen neuen Weltrekord in Sachen Preis-Leistungs-Verhaeltnis bei Datenbank-Servern auf. Dieses Ergebnis duerfte sich noch verbessern, wenn statt der 486er Prozessoren die Pentium-Architektur eingesetzt wird. Demnach wird Intel-Unix derzeit fuer High-end-Anwendungen wie OLTP immer wichtiger. Allerdings reicht das Angebot eines Intel-basierten Unix allein nicht aus, es muss vielmehr fuer die Intel-Plattform optimiert werden, damit es deren Leistungspotential voll ausreizen kann. Fazit: Mit dem Trend zu offenen Systemen, Downsizing und verteilter Verarbeitung sowie dem Entstehen eines kommerziellen Unix-Marktes ist das Multiuser-Betriebssystem als OLTP-Plattform zunehmend im Kommen. So sind mittlerweile auch die traditionellen Schwachstellen in den Bereichen Performance, Fault-Resilience und System-Management groesstenteils beseitigt: Die Unix-OLTP- Performance erreichte neue Dimensionen durch Multithreading - die gleichzeitige Ausfuehrung mehrerer Operationen innerhalb eines Prozesses. Eine weitere Verbesserung bringt hier die Ausfuehrung mehrerer simultan aktiver Threads in einem Prozess, die sich ueber den gemeinsam genutzten Hauptspeicher synchronisieren lassen. So werden externe Systemressourcen wie IPC (Inter Process Communication) nur minimal beansprucht. Auch Fault-Resilient- Leistungsmerkmale zum transparenten Beheben von Systemproblemen wie etwa schnelle Recovery-Filesystems sind bereits in verschiedenen Unix-Varianten implementiert. Nicht zuletzt verspricht die Integration der Tivoli-Technologie fuer das verteilte Netzwerk-Management in OSF DME (Distributed Management Environment) eine optimierte Systemverwaltung in Unix-OLTP- Umgebungen. Durch diese und andere Verbesserungen entwickelt sich OLTP derzeit deutlich zu einem wichtigen Standbein fuer Unix. Dabei ist anhand der Leistungsentwicklung bei Intel-Prozessoren schon heute abzusehen, dass der Intel-Markt zu einem Hauptwachstumsmotor fuer Unix-OLTP wird.

*Frank Welsch-Lehmann ist Marketing-Leiter der SCO Deutschland GmbH, Frankfurt.