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Intel oder der Kampf gegen die Infomanie

03.07.2007
Seit sein Arbeitgeber Intel vor mehr als zehn Jahren von Mainframes auf PCs umstieg, kämpft Nathan Zeldes gegen die negativen Auswirkungen der Informationsüberflutung.

"Es wurde unglaublich einfach für die Leute, einander mit Informationen zu bombardieren", sagt Zeldes, ein Principal IT Engineer. "Innerhalb eines Jahres hatten wir ein totales Disaster."

Seither kämpft Zeldes gegen die "Infomanie" - nach seiner Beschreibung ein lähmender Zustand mentaler Überbelastung, hervorgerufen durch Rückstände bei der E-Mail-Bearbeitung in Kombination durch dauernde Unterbrechungen durch unter anderem E-Mail-Benachrichtigungen, Handy-Klingeln und Instant Messages.

Eine Zeitlang war Intel damit zufrieden, was Zeldes als "Lösungen der ersten Generation" bezeichnet: Eintreten für Kurse in E-Mail-Etikette und Teilen von Ratschlägen für die effektive Verwaltung von E-Mail (eine dieser Lösungen namens "YourTime" hat Zeldes übrigens auf www.itsharenet.org kostenlos zum Download bereitgestellt). Diese Fixes helfen meist ein oder zwei Jahre, dann laufen sie sich tot.

Im vergangenen Jahr nahmen Zeldes und zwei Kollegen die wieder grassierende Infomanie genauer unter die Lupe, um Handhabe für eine drastischere Intervention zu bekommen. Dabei fanden sie Erschütterndes heraus.

"Wissensarbeiter verbringen rund 20 Stunden die Woche mit E-Mail, und ein Drittel dieser E-Mail ist nutzlos", sagt Zeldes. Schlimmer noch: 70 Prozent aller Mails werden binnen sechs Minuten nach ihrem Eintreffen bearbeitet, der durchschnittliche Knowledge Worker wird alle drei Minuten unterbrochen. "Wenn Sie zwischen zwei Aufgaben umschalten müssen, bezahlen Sie das mit kognitiver Reorientierung", ergänzt David Sward, Senior Human Factors Engineer bei Intel und einer von Zeldes' Partnern beim Infomanie-Projekt. Unterm Strich stellten sie fest, dass Intel-Mitarbeiter im Schnitt sechs Stunden pro Woche verschwenden.

Das Intel-Management war sowieso gerade auf der Suche nach Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und sprang auf die Ideen von Zeldes und seinen Kollegen an. Später in diesem Jahr wird der weltgrößte Chiphersteller daher verschiedene Lösungen der nächsten Generation pilotieren und dabei fördern, was Zeldes "technologisch unterstützte Verhaltensänderungen" nennt.

Intel wird beispielsweise ein Client-seitiges E-Mail-Programm ausprobieren, das einschreitet, wenn der Nutzer gegen die Mail-Etikette verstößt. (Zum Beispiel: "Wenn Sie wirklich 'An alle' antworten wollen, dann kreuzen sie die Box neben jedem Namen an, den Sie tatsächlich brauchen.")

Ebenfalls probiert werden sollen Lösungen, bei denen Mitarbeiter E-Mail und Instant Messaging zeitweise abschalten können, Methoden für E-Mail-"Ruhezeiten" wie Speichern der Nachrichten auf dem Server und Auslieferung nur einmal pro Stunde, ein "E-Mail-freier Freitag" (oder anderer Wochentag) und die Verlagerung firmenweiter Statusberichte und organisatorischer Ankündigungen von Push-E-Mail in RSS-Feeds. Ziel ist, die erfolgreichen Programme in eine Gesamtkampagne zur Änderung des Kommunikationsverhaltens zu übernehmen.

Überrascht wurde Zeldes vor allem davon, auf wie große Aufmerksamkeit seine Arbeit außerhalb von Intel stößt. "Wir haben Anrufe von hunderten Organisationen bekommen, von der U.S. Army bis hin zu Heilsarmee und alles dazwischen. Das ist der Beginn eines Erwachens."

Zeldes und seine Mannen arbeiten natürlich auch mit der Handvoll Firmen zusammen, die noch radikalere Lösungen prüfen. Der Intel-Experte betont aber, dass man zur Bekämpfung des Problems weder ein spezielles Team noch ein millionenschweres Budget braucht. "Man braucht nur eines", so Zeldes. "Einen Manager, der entscheidet, dass man etwas dagegen unternehmen müsste." (tc)