Interview

"Intel handelt illegal und unmoralisch"

31.07.1998

CW: Sie haben neulich verkündet, Intergraphs Gewinn sei wegen der gerichtlichen Auseinandersetzung mit Intel niedriger ausgefallen als erwartet. Können Sie detailliertere Angaben machen?

Meadlock: Wir mußten ein Umsatzdefizit melden, weil wir unsere Rechner erst später als die Konkurrenz auf den Markt bringen konnten. Und dies lag an den Zwistigkeiten mit Intel.

CW: Bei den verzögert ausgelieferten Rechnern handelt es sich um ihre neuen "GT1"- und "GL2"-Workstations?

Meadlock: Nein, betroffen sind ganz generell alle Produktlinien, in denen Intels "Deschutes"-Prozessor und alle anderen höhergetakteten Pentium-II-CPUs eingesetzt werden. Intel hat uns keine Informationen für die zugehörigen Chipsets zukommen lassen. Deshalb konnten wir auch keine Systeme bauen.

CW: Können Sie beziffern, wie hoch der Schaden ist, der Intergraph durch Intels Blockade entstanden ist?

Meadlock: Betrachten Sie es aus diesem Blickwinkel: Intergraph war das erste Unternehmen, daß sich in voller Überzeugung auf NT als Basis für Workstations konzentrierte. Ende 1996 waren wir laut Aussagen von Dataquest auch die Nummer eins in diesem Marktsegment. Mittlerweile sind wir aber auf Rang drei oder vier abgerutscht, je nachdem, wie man mißt. Meiner Ansicht nach liegt dies einzig und allein an der gestörten Beziehung zu Intel. Intergraphs Aktieninhabern sind übrigens auch erhebliche Einbußen entstanden.

CW: Was kann man tun, um diesen Schaden zu reparieren?

Meadlock: Ich glaube nicht, daß man diesen Schaden jemals wieder ausgleichen kann. Im besten Fall können wir wieder etwas an Boden gewinnen. Aber im nachhinein eine Malaise wieder auszubügeln, das geht nicht. Da ist richtig Geld verlorengegangen.

CW: Sie glauben also nicht, daß Sie noch einmal die Chance bekommen, ihre ehemalige Marktposition wieder zu erlangen?

Meadlock: Vielleicht doch. Aber die Zeit, Kapital aus unserem Vorsprung zu schlagen, die ist endgültig vorbei. Das richtige Timing, wann man also mit dem richtigen Produkt auf den Markt kommt - das ist es, was den Ausschlag gibt. Und hier ist Intergraph eine einmalige Chance genommen worden.

CW: Haben Sie sich jemals nach Alternativen zur Intel-Architektur umgesehen?

Meadlock: Bevor wir die gerichtliche Auseinandersetzung mit Intel begannen, haben wir uns intensiv mit Digitals Alpha-Prozessor beschäftigt und mit Samsung (Alpha-Lizenznehmer von DEC, Anm.d.Red.). Nachdem sich aber Intel und Digital bezüglich des Verkaufs der Alpha-Fertigung in Hudson geeinigt, DEC also die Prozessorproduktion aufgegeben hatte, stand für uns fest, daß Alpha keine Chance als Konkurrent haben würde. Also ließen wir die Finger von Alpha. Alpha ist - verstehen Sie mich da nicht falsch - das beste Produkt, der schnellste Prozessor am Markt. Trotzdem wollen die Leute ihn nicht, weil sie auf ihm keine alten x86-Anwendungen laufen lassen können, es sei denn, man nutzt Emulationen. Und das möchte niemand. Jetzt, da Compaq DEC gekauft hat, könnten wir uns des Themas noch einmal annehmen. Aber auch nur dann, wenn Compaq klar zu verstehen gibt, daß Alpha sein Brot-und-Butter-Produkt sein wird. Bis heute habe ich solch eine Selbstverpflichtung aber noch nicht gehört.

CW: Glauben Sie, daß Alpha trotz seiner Leistungsfähigkeit zum alten Eisen geworfen wird?

Meadlock: Ich glaube in der Tat, daß die ganze Angelegenheit für Alpha sehr, sehr unglücklich verlaufen ist. Noch bis vor einem Jahr hätte Alpha ein Erfolg werden können, wenn ein paar wichtige Leute sich wirklich für diese Technologie ausgesprochen hätten.

CW: Noch einmal zu Intel: Was bedeutet dessen marktbeherrschende Stellung eigentlich für die IT-Industrie?

Meadlock: Noch Anfang der 90er Jahre hat Intel sich verhalten wie jeder andere Halbleiteranbieter. Sie haben Rechnerproduzenten umworben, Systeme um ihr Produkt herum zu entwickeln. Alle Spezifikationen lagen offen. Je machtvoller Intel aber wurde, desto mehr riegelten sie sich ab. Sie haben ihre Monopolstellung eingesetzt, um alles zu bekommen, was sie wollten. Was das für die Industrie bedeutet? Wenn man Intel nicht kontrolliert, wird Intel die gesamte Computerbranche regieren. Ich bin der Überzeugung, daß Intels Verhalten illegal und unmoralisch ist.