Integriertes Netzwerk-Management in Corporate Networks Methodischer Ansatz statt einer schnellen Loesung von der Stange

21.01.1994

Integriertes Netzwerk-Management, verstanden als strategische Aufgabe in Corporate Networks, bedeutet in erster Linie zuverlaessigen Betrieb und geordnete Verwaltung - Forderungen, die in Anwenderkreisen einen immer hoeheren Stellenwert einnehmen. In heterogenen, raeumlich oft sehr ausgedehnten Unternehmensnetzen ist eine ganzheitliche Administration aller Teilnetze, Teilsysteme und Teildienste jedoch ein noch unerreichtes Ziel, auf das weltweit hingearbeitet wird. Peter Masanetz* skizziert die wichtigsten strategischen Ansaetze fuer ein Netzwerk-Management dieser Art.

Seit etwas mehr als einem Jahr sind in Deutschland sogenannte Corporate Networks durch das vielzitierte Genehmigungskonzept des Bundesministeriums fuer Post und Telekommunikation rechtlich zulaessig, das heisst, innerhalb von Unternehmen beziehungsweise geschlossenen Benutzergruppen koennen in selbstkonfigurierten Netzen Sprache und Daten beliebig uebertragen und vermittelt werden.

Damit eroeffnen sich fuer viele Anwender neue Moeglichkeiten, ihre Kommunikation effizienter zu organisieren und abzuwickeln - nicht zuletzt auch durch die Tatsache, dass sie auch im Sprachbereich zwischen verschiedenen Anbietern von Corporate-Network-Loesungen werden waehlen koennen.

Diese neuen Perspektiven erfordern andererseits jedoch - gerade auch angesichts der damit verbundenen Kosten - eine wohlueberlegte Entscheidung seitens der Unternehmen, vor allem gewinnen Faktoren wie die Deregulierung des Sprachmonopols, der Nutzen kuenftiger Telekommunikationsnetze, aber auch die Frage der Integration von Sprach- und Datenkommunikation in diesem Zusammenhang immer mehr an Bedeutung. Ein Corporate Network muss also zunaechst die unterschiedlichen Kommunikationsbeduerfnisse der Anwender unterstuetzen koennen.

Das bedeutet in erster Linie die Integration unterschiedlicher Kommunikationsobjekte und Uebertragungstechniken, betrifft aber auch auch das Netz-Management, das entsprechende Abstraktionen als "Managed Objects" behandeln koennen muss. Dabei ist es notwendig, dass die Integration auf den verschiedenen Netzebenen - der uebertragungstechnischen Netzebene, der vermittlungstechnischen Netzebene, der Dienstebene (Sprache, Daten, Fax, EDI, Festbild, Video etc.) und der Anwendungsebene - aus logischer Sicht horizontal erfolgt (vgl. Abbildung 1).

Ein Corporate Network muss zudem in seiner Gesamtheit durch den jeweiligen Anwender verwaltet werden koennen - sprich: integriertes Management auf verschiedenen Abstraktionsebenen ermoeglichen. Diese Integration sollte im Idealfall von der Ebene einzelner physischer Ressourcen ueber die Einbeziehung von Subnetzen bis hin zu einer netzweiten Betriebsfuehrung reichen. Mit anderen Worten: Eine Integration dieser Art waere aus logischer Sicht vertikal und somit die wohl schwierigste Aufgabe beim Aufbau und Betrieb eines Corporate Networks; das integrierte Netzwerk-Management in einem Corporate Network hat also letztlich beiden Aspekten gerecht zu werden.

Dabei lassen sich aus aktuellen Erfahrungswerten drei typische Integrationsszenarien beschreiben:

Erstens: Die Integration vorhandener Systeme bedeutet primaer die Verbindung von proprietaeren System-Management-Loesungen, zum Beispiel des Netzwerk-Managements im Behoerdenbereich mit den Altlasten vorhandener Systeme sowie notwendigen Gateways zwischen nichtstandardisierten Management-Systemen. Zweitens: Die Integration neuer Systeme basiert auf allgemeinen Systemplattformen fuer Management-Anwendungen, die Netz- und Systemressourcen verwalten. Diese Anwendungen bilden dann die eigentliche Integration, da sie Techniken wie SNMP und CMIP sowie Management-Informationen zusammenfuehren, wobei die Entwicklung entsprechender Applikationen allerdings noch in den Kinderschuhen steckt (Beispiel "Omnipoint 1" des Network-Management-Forums). Dritte Moeglichkeit ist eine sogenannte hybride Integration, die eine Mischung aus beiden eben beschriebenen Szenarien darstellt.

Strategische Ansaetze fuer ein integriertes Netzwerk-Management in Corporate Networks kamen bisher vor allem aus dem Bereich der Standardisierungsgremien wie CCITT, den Anbieter- beziehungsweise Anwendervereinigungen sowie von den Herstellern offener Management-Architekturen selbst. Die Vorteile des standardisierten Ansatzes sind seine hersteller- und produktneutrale Ausrichtung, was in erster Linie Investitionsschutz bedeutet; seine Nachteile liegen bis dato in der notwendigen Konzeption funktionaler, informations- und kommunikationstechnischer Architekturen und ihrer Realisierung beziehungsweise Beschaffung.

Welche Ansaetze unterstuetzen nun ein integriertes Netzwerk- Management? Zu einer groben Einordnung von Management-Loesungen und -konzepten eignet sich das sogenannte Systems-Management-Sandwich, ein Drei-Schichten-Modell mit den Abstraktionsebenen Applications Management, Management Framework und Element-Managers and Managed Devices (vgl. Abbildung 2). Dort sind in der obersten Schicht, dem Applications Management, Funktionen anzusiedeln, die Kommunikations- beziehungsweise Systemressourcen, Performance- und Kontrollinformationen korrelieren, auswerten und aufbereiten.

In der mittleren Ebene, dem Management-Framework, sind Features wie topologische Netzuebersichten, das grundlegende Event, Konfigurations- und Performance Management, aber auch die Softwareverteilung, das Backup sowie das Accounting implementiert. Hier waeren zum Beispiel Management-Plattformen beziehungsweise - Loesungen wie HPs "Openview" und IBMs "Netview 6000" einzuordnen, waehrend sich auf der untersten Ebene das Monitoring sowie die Einstellung von Hardwareparametern bei Hubs, Bridges und Routern abspielt. Das Systems-Management-Sandwich ist also ein Vertreter des sogenannten vertikalen Ansatzes - allerdings recht plakativ und dadurch ein beliebtes Instrument internationaler Marktstudien.

Zu einer detaillierteren Einordnung und Planung von Management- Funktionen und -Systemen eignet sich eher die "Logical Layered Architecture" (LLA), basierend auf dem Konzept des "Telecommunications Management Network" (TMN) der International Telecommunication Union (ITU, vormals CCITT), das die standardisierte TK-Organisationsarchitektur im Bereich Operations, Administration, Maintenance & Provisioning (OAM&P) schlechthin darstellt. Auf diesem Framework beruhen wiederum zahlreiche weitere Standards, unter anderem in den Bereichen ISDN, GSM- Mobilfunk und intelligente Netze. Aus der Einschaetzung des Autors und anderer Experten liegt in der LLA - trotz der Tatsache, dass sie noch wenig bekannt ist - ein kuenftig entscheidendes strategisches Potential fuer das integrierte Netzwerk-Management in Corporate Networks.

Was also kann die LLA leisten? Sie besteht aus einer Hierarchie von fuenf Schichten (vgl. Abbildung 3) fuer die Bereiche Business Management, Service Management, Network Management, Network Element Management und Network Element. Jede dieser Ebenen kann ueber einen oder mehrere Administrations- und Verantwortungsbereiche (Do- mains) fuer Betriebsfuehrungsfunktionen (Operations System Function = OSF) verfuegen, wobei zwischen den einzelnen OSFs Manager-Agent-Beziehungen ueber standardisierte Schnittstellen bestehen.

In einer OSF Domain befindet sich also typischerweise mindestens eine Management Information Base (MIB), die das Repository fuer entsprechende Management-Informationen bildet. Darueber hinaus agiert eine OSF nach "oben" als Agent, nach "unten" als Manager. Damit entsteht quasi rekursiv die hierarchische Struktur der LLA mit den Managed Objects der physischen Ressourcen des CNs in der untersten, und dem Manager der netzweiten Betriebsfuehrung in der obersten Schicht.

Der Vorteil dieser Architektur liegt dabei vor allem in der Moeglichkeit, sie jeweils genau auf Unternehmensstrukturen abzubilden sowie in ihrer leichten funktionalen Variierbarkeit. Anders formuliert: Sie ist ein unternehmensorientiertes Baukastenprinzip fuer das integrierte Netzwerk-Management.

Gateway-Funktionen fuer die Kommunikation

Was sind nun die typischen Aufgaben der einzelnen Schichten? Ein Network Element Manager kontrolliert und koordiniert einzelne Netzelemente beziehungsweise fuehrt sogenannte Gateway-Funktionen aus, um mit den jeweiligen Komponenten im Netz kommunizieren zu koennen. Darueber hinaus kann er einfache geraetebezogene Daten verwalten - etwa Statistiken und Logs. Anders ein Manager der Network-Management-Schicht, der alle Netzelemente innerhalb seines Verwaltungsbereichs beziehungsweise seiner Domain koordiniert und kontrolliert - sprich: die Inbetriebnahme beziehungsweise Ausserbetriebnahme sowie die Modifikation von Netzwerkfunktionen vorbereitet. Vor allem aber unterstuetzt er die "darueberliegende" Service-Management-Schicht.

Diese ist mit ihren Managern fuer die den Teilnehmern zugesagten oder neu bereitzustellenden Dienste zustaendig und arbeitet demzufolge mit der "darunter-" und "darueberliegenden" eng zusammen - beispielsweise bei der Verwaltung sogenannter Dienstguetemerkmale sowie der Koordinierung von Diensten.

LLA als Instrument zur vertikalen Integration

Die Business-Management-Schicht wiederum ist verantwortlich fuer das ganze Unternehmen und verwaltet Statistiken, Trends und netzweite Betriebsparameter - also die Ebene, auf der das globale Management des Corporate Networks stattfindet.

Die LLA verbindet somit administrative Anforderungen, kommerzielle Ziele und operationale Strategien - ermoeglicht also mit anderen Worten die vertikale Integration. Bei der Entwicklung eines entsprechenden Management-Konzeptes gibt es aber keine Loesung von der Stange. Um so wichtiger ist daher methodisches Vorgehen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Loesungsansatz zur Planung und Konzeption eines Telecommunications Management Networks des "American National Standards T1-meth".

Dieser besteht aus vier Teilmodellen:

- Informationsaspekte zur objektorientierten Spezifikation von Management Information Bases mittels eines Informationsmodells,

- funktionale Aspekte zur Spezifikation der Management- Anwendungsfunktionen mittels eines funktionalen Modells - aufbauend auf dem vorherigen Modell,

- Kommunikationsaspekte zur Spe- zifikation von Nachrichten- und Datenkommunikations-Funk- tionen mittels eines Kommunikationsmodells auf Basis der oben genannten Modelle, und

- Organisationsaspekte zur Spezifikation der Verwaltungs- und Verantwortungsbereiche und ihrer Regelungen mit Hilfe eines Organisationsmodells - jeweils in Abstimmung mit den anderen Modellen.

Diese vier strategischen Aspekte sollten in der Regel durch weitere Methoden wie etwa Entity Relationship Modelling (ERM), objektorientierte Analyse (OOA) und objektorientiertes Design (OOD) ergaenzt werden. In konkreten Projekten erwiesen sie sich bereits als anwendbar - sprich: einschlaegige IT-Forderungen erfuellend und somit integrierend. Die entsprechenden Teilmodelle koennen sich inzwischen auf neueste Arbeitspapiere diverser Standardisierungsgremien berufen, wie zum Beispiel das Organisationsmodell auf die Management Domains Architecture (ISO/IEC SC21N7118 von 1992). Die Standardisierung hoeherer Management-Funktionen (globale Planung, Trendanalyse und Business- Management-Funktionen der Betriebsfuehrung eines grossen Corporate Networks) laesst leider noch auf sich warten.