Anforderungen, Loesungsansaetze und Probleme

Integriertes Management in Client-Server-Umgebungen

22.10.1993

Mit wachsendem Einsatz von Client-Server-Systemen wird ein integriertes Management dieser verteilten heterogenen Umgebungen erforderlich. Auch unter der Praemisse, dass SNMP der einzige heute verfuegbare offene Standard ist, bleibt eine Reihe von Fragen offen.

Client-Server-Architekturen werden heute mit den verschiedensten Systemen betrieben. Schon laengst dreht es sich nicht mehr nur um klassische PC-Netze mit PC-Servern, sondern auch um Workstation- Cluster im Unix-Bereich sowie beliebige Host- und MDT-Systeme mit entsprechend als Clients angebundenen PCs, Workstations oder X- Terminals.

Alle Szenarien haben jedoch eines gemeinsam: eine zugrundeliegende Netzinfrastruktur, die die verteilte Verarbeitung durch den Einsatz entsprechender Netztechnik ermoeglicht. Je nach eingesetzen Systemen sind Netz- und System-Management vorgepraegt: Dominieren der Host und Token Ring, sind in vielen Faellen Netview fuer die Systemseite und der LAN-Netz-Manager von IBM fuer die LAN- Infrastruktur anzutreffen. Stehen das PC-Netz und Ethernet im Vordergrund, ist die Wahrscheinlichkeit gross, auf entsprechende Novell-Tools und SNMP-Plattformsysteme oder proprietaere Tools fuer das Komponenten-Management des Netzwerks zu stossen. LAN- Administration von Clients und Servern einserseits und LAN- Infrastruktur-Management andererseits sind zumindest auf Workgroup-Ebene oft vereinigt. Der WAN-Bereich wird traditionell aufgrund der anders gelagerten Aufgaben (keine Endgeraete, langsamere Leitungen, Accounting als zentrales Thema) mit voellig separaten Management-Tools betrieben.

In zunehmendem Masse lassen sich diese Kategorien jedoch nicht mehr klar trennen, Host-, LAN- und WAN-Domaenen (Internetzwerk) versuchen in jeweils anderen Domaenen, integrierenden Einfluss zu gewinnen. In allen genannten Client-Server-Szenarien wachsen Technikbereiche zusammen, die zuvor voellig getrennt betrieben und verwaltet wurden: Kabel und System, wobei Kabel hier stellvertretend fuer die gesamte Infrastruktur (Kabel, Hubs, Bruecken, Router, Terminal-Server, Switches etc.) steht. Zu den zentralen Anforderungen im Systembereich zaehlen die Daten- sowie Datenbankverwaltung und -sicherung, Nutzungsprofile fuer Anwendungen (auf dem Server), die Plattenverwaltung auf Server und Client, Softwarewartung und -verteilung (je nach Unternehmensphilosophie zentral, also mit hoeherer Netzbelastung, oder verteilt, das heisst mit hoeherem Wartungsaufwand) sowie die zentralisierte Konfiguration. Im Netzbereich lassen sich - die Routen- und Adressverwaltung,

- die Lastmessung und -optimierung,

- die Protokollanalyse,

- die Korrelation paralleler Fehlersymptome verschiedener Netzkomponenten,

- die Redundanzbildung zur automatisierten Fehlerbehebung,

- die Online-Ueberwachung und Konfiguration aller wichtigen Netzkomponenten sowie

- eine Netzkarte aller aktiven Netzknoten und -elemente als wichtige Anforderungen nennen.

Aufgrund wechselseitiger Betriebsabhaengigkeiten zwischen Kabel und System waechst der Bedarf, fuer die elementarsten Aufgaben wie Fehler- und Konfigurations-Management Informationen ueber und Zugriff auf beide Bereiche zu haben: Eine nicht funktionierende Anwendung kann ihre Ursache in Hardwarefehlern im Arbeitsplatzsystem, in Bedienfehlern in der Software, in Bottleneck-Situationen im Netz oder in Hardwarefehlern der Netzinfrastruktur haben. Ohne entsprechendes Wissen ueber System und Netz wird eine Fehlerbehebung zunehmend langwierig bis unmoeglich. Dasselbe gilt fuer Konfigurationsprozesse: Nicht nur die Grafikkarte oder der Hauptspeicher gehoeren heute zu den typischen Systemdaten, sondern auch die Netzkarte, das Anschlusskabel und die Anschlussdose. Die Frage, wo denn eigentlich das Netz endet und das System anfaengt (beim Kabel, beim Router, an der Anschlussdose, bei der Adapterkarte, bei der Protokollsoftware oder bei der Server- beziehungsweise Client-Benutzeroberflaeche?) fuehrt deshalb oft zu Diskussionen - schliesslich geht es um Kompetenzabgrenzungen -, die jedoch ohne eindeutiges Ergebnis bleiben.

Aus dem Zusammenwachsen von Kabel und System resultiert, insbesondere fuer groessere Multivendor-Netze, eine Reihe von Anforderungen an ein integriertes Management:

- die gemeinsame, mindestens relationale (zukuenftig besser: objekt-orientierte) Datenbank mit ausreichender Performance und der Erweiterungsmoeglichkeit zur Erfassung und Online-Dokumentation von Netz und Systemen,

- der Informationsaustausch zwischen Systembetreuung und Netzbetreibern beziehungsweise die Bildung gemeinsamer ,

- die Koordination der Planungsaktivitaeten sowie die Erweiterungsplanung von vernetzten Anwendungen und der Netzinfrastruktur sowie

- die Reduzierung von Anwendungs- und Netzkomponenten-Vielfalt auf ein begrenztes Produktspektrum als Unternehmensstandard.

Analog zu den Systemen existieren proprietaere und offene Management-Protokolle und -Architekturen. Auf die proprietaeren Loesungen (zum Beispiel IBM Systemview oder DEC Polycenter, auf dessen Portierung nach dem Begraebnis von DECmcc der Anwender hoechst gespannt sein darf) wird in diesem Beitrags nicht naeher eingegangen. Zugegebenermassen ist diesen Herstellern aber anzurechnen, dass sie die ersten Denkanstoesse zum konsolidierten Netz- und System-Management geleistet haben.

SNMP: SNMP entstand aus dem dringenden Bedarf an uebergreifender Netz-Management-Funktionalitaet innerhalb der Internet-Gemeinde. Seit 1989 etabliert es sich mit exponentiell ansteigender Wachstumsrate im Netz-Management-Markt. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Implementierungen sowohl fuer Management-Systeme als auch fuer die zu verwaltenden Netzkomponenten wie Router, Bruecken, Hubs etc. Die sehr aktiven IETF-Arbeitsgruppen (RMON MIB fuer Ethernet und Token Ring, FDDI MIB, HUB MIB, Bridge MIB, Router MIB etc.) verabschieden immer mehr Standards.

CMIP: CMIP entstand im Rahmen der Standardisierungsarbeiten fuer die Kommunikation offener Systeme (OSI) innerhalb der ISO. Im Vergleich zu SNMP, dem OSI fuer Arme, fuehrt CMIP derzeit noch ein Schattendasein, das sich im wesentlichen auf Absichtserklaerungen und abgespeckte Implementierungen des Management-Protokolls in einigen Produkten beschraenkt. Da noch immer nicht alle wichtigen funktionalen Teilstandards in endgueltiger Form verabschiedet sind, halten sich viele Hersteller, darunter auch die grossen, mit Implementierungen und Entwicklungen - abgesehen von Vorabversionen fuer Road-Shows des OSI-NM-Forums - noch zurueck.

DME: DME ist die von der OSF fuer offene, verteilte Systeme vorgeschlagene Management-Architektur. Basierend auf NM-Standards (SNMP, CMIP) und der eige- nen Kommunikations-Architektur (DCE) versucht diese Architektur den Brueckenschluss zum System-Management (Managed Nodes sind sowohl Netzkomponenten als auch Endsysteme und Anwendungen). Fuer etablierte Netzwerk-Management-Plattformen wie HP Openview, AIX Systemview, Netview/6000 oder den Sunnet Manager gibt es inzwischen entsprechende Ankuendigungen, DME ganz oder teilweise zu implementieren.

PC-Netz-Tools: LAN-Administration als Oberbegriff fuer die Verwaltung und Konfigurierung vernetzter Anwendungsloesungen hat in allen klassischen PC-Netzen zu mehr oder weniger gut ausgestatteten, meist auf dem Server installierten Management- Tools gefuehrt. Als etabliertestes System sei hier die Management- Architektur von Novell genannt. NMS als Windows- oder OS/2- Anwendung integriert verschiedene Netware Module, sowohl zum Client- beziehungsweise Server-Management als auch fuer Netzkomponenten (vorzugsweise von Novell) wie den Netware Router, Netware Hub oder Novells LAN-tern als Analysator. Darueber hinaus gibt es Moeglichkeiten fuer andere Hersteller, ueber Schnittstellen (wie HMI von Novell) oder ein Novell-Toolkit Anwendungen fuer die heterogene Komponentenverwaltung mit NMS zu entwickeln. Ob diese Loesung de facto zur Integrationsmoeglichkeit wird, kann sich erst in naeherer Zukunft erweisen, je nachdem, ob die Internetworking- Hersteller auf den NMS-Zug aufspringen oder nicht. Synoptics hat hier mit Optivity fuer NMS als einer der ersten Anbieter den Schritt vollzogen. Fraglich bleibt allerdings, warum Novell zur Integration mit IBMs LAN Netview anstelle der strategischen Plattform der IBM,Netview/6000, tendiert. Dies degradiert die Management-Strategie von Novell erneut zur PC-Loesung.

Management-Plattformsysteme: Unter diesem Begriff lassen sich Unix-basierte Loesungen zusammenfassen, die nach dem Manager-Agent- Prinzip mit SNMP oder SNMP Proxy+s Netzkomponenten verwalten (HP Openview, Sunnet Manager, Netview/6000, NMC Vision, Transview SNMP, Lance+ etc.).

Historisch bedingt mehr auf das reine Internetworking ausgerichtet, sind hier seit etwa einem Jahr verstaerkt Tendenzen festzustellen, auch LAN-Administration, wie von der PC-Netzseite her gefordert, zu integrieren. Insbesondere Module zur Verwaltung von Netware-Netzen werden entweder als Third-party-Produkte angeboten oder befinden sich als Gemeinschaftsloesung von Novell und Plattformherstellern in Ankuendigung. Dieser Trend wird ergaenzt durch Management-Strategien der Internet-working-Hersteller, das Management der Endsysteme zumindest auf Workgroup-Ebene zu integrieren, wie zum Beispiel den neueren Ankuendigungen von 3COM (Transcent) zu entnehmen ist.

Obwohl die Produktreife von Management-Systemen zunimmt, ist erkennbar, dass eine Reihe von Aufgaben des System- und Netz- betriebs von heutigen Plattformen nicht abgedeckt werden.

Die Funktionalitaet fuer Client-Server-Systeme und die Benutzerbetreuung ist insbesondere fuer die Bereiche Planung, Accounting, Umzugs-Management und User Help Desk als niedrig einzustufen. Jedes Unternehmen mit Client-Server-Umgebungen wird sich auf eine mittelfristige Management-Strategie fuer die Netz- und Systemwelt festlegen muessen. Das seit 1992 deutlich steigende Investitionsvolumen bei Management-Tools ist ein Indiz fuer den wachsenden Marktdruck nach entsprechenden Loesungen.

Das zunehmend vielfaeltige Produktspektrum fuer Netz-Management wird sich kurz- bis mittelfristig erheblich bereinigen. Eine Integration ueber ein einzelnes System ist heute in den meisten Faellen nicht erreichbar.

Derzeit zeichnen sich Unix- basierte Plattformen als Loesungen mit dem hoechsten Integrationsgrad ab.

Ein reiner Tool-Einsatz ist nicht ausreichend, sondern muss in entsprechende Betriebskonzepte eingebettet werden.

ABKUERZUNGEN

CMIPCommon Management Information Protocol

DCE Distributed Computing Environment

DME Distributed Management Environment

FDDIFiber Distributed Data Interface

HMI Hub Management Interface

IETFInternet Engineering Task Force ISO Standardiza- tion Organization

MDT Mittlere Daten-Technik

MIB Management Information Base

NMS NetWare Management System

OSF Open Software Foundation

OSI Open Systems Interconnection

RMONRemote Monitoring

SNMPSimple Network Management Protocol