Erste reine Softwaremesse der USA in New Orleans:

Integrierte Programme waren Softcon-Renner

23.03.1984

NEW ORLEANS - Integrierte Software sowie die neuen Mikrocomputer PCjr von IBM und Macintosh von Apple standen im Mittelpunkt der ersten reinen Softwaremesse "Softcon". die Ausstellung fand vom 21. bis 23. Februar in New Orleans statt. Ein neuer Trend zeichnet sich ab: die immer aufwendigeren und teureren Marketing-Aktionen der Anbieter für Mikrocomputer-Software. Dies erschwert erstens den Einstieg neuer Unternehmen in diesen Marktbereich und zweitens dürften sich ähnlich wie im Hardwaremarkt nur einige wenige Hersteller in dieser Branche langfristig durchsetzen.

Sichtbarer Ausdruck verstärkter PR-Aktivitäten der Hersteller ist die Demonstrationsdiskette als Werbeträger. Die Komplexität der Mikrosoftware der neuesten Generation ist für den Anwender zu groß, so daß herkömmliche Broschüren und Dokumentationen nicht länger als effektives Schulungssystem dienen können.

Disketten mit verkürzten Versionen der Programme wurden von vielen Herstellern und in großen Stückzahlen an die Besucher der Softcon verteilt, im ihnen die Möglichkeit zu geben, das Produkt zu Hause zu testen. Es ist zu erwarten, daß sich der Trend noch verstärken und im kommerziellen Markt einschlagen wird. Vor allem im Bereich integrierter und Netzwerk-Software in der Preisklasse über 300 Dollar dürfte sich nach Meinung der Experten dieser Werbeträger durchsetzen.

Abgesehen von der Verteilung auf Messen wie der Softcon geschieht der Vertrieb von Demo-Floppys in den verschiedensten Formen. So verschickte die CW-Schwester PC-World in ihre Leser eine kostenlose Probe des Textverarbeitungsprogramms Word von Microsoft. Andererseits dienen die Demonstrationsdisketten als direktes Werbemedium für Anbieter von Leerdisketten ihr Produkt in den Markt zu drücken. Sie bieten diese Floppys zum selben, oft auch zu einem niedrigeren Preis an als die Leerdisketten.

Steigende Marketing-Kosten

Jedoch birgt diese Art des Marketing durchaus auch Gefahren in sich. Denn so leicht es ist, dem Anwender Broschüren oder Dokumentationen zu liefern, so leicht ist es, eine Programmkurzfassung zu erstellen, obwohl das Gesamtprogramm noch gar nicht existiert. Auf der Softcon beispielsweise verteilten einige Unternehmen Demo-Versionen von Programmen, die in ihrer endgültigen Fassung noch gar nicht entwickelt sind. Erfahrungen mit dem Vision-Produkt von VisiCorp zeigen, daß es von einem Demonstrationspaket bis zur wirklich lauffähigen Version Jahre dauern kann.

Ein anderer Aspekt bei dieser Enduser-Orientierten Werbung sind die rasch ansteigenden Kosten für das Marketing. Jede Demo-Diskette repräsentiert die Investition von etwa zwei Dollar und der Vertrieb dürfte diese Ausgaben noch verdoppeln. Sogar der sehr effektive Direktvertrieb erfordert hohe Ausgaben. Für Newcomer wird es deshalb immer schwieriger, mit ihren Produkten im Markt Fuß zu fassen. Der neue Apple-Micro Macintosh beispielsweise wurde mit einer Werbekampagne, die 15 Millionen Dollar verschlang, in den Markt eingeführt. Speziell die Schwierigkeiten, in der Hardwareunternehmen wie Osborne, Victor oder Vector geraten sind, aber auch die wenig verheißungsvolle Zukunft einiger Softwarehäuser, macht es für neue Unternehmen immer schwieriger das notwendige Joint-Venture-Kapital, für ihren Start zu finden.

Im Mittelpunkt des Interesses in New Orleans stand die integrierte Software. Die Hersteller hatten ein Anliegen gemeinsam: Den Messebesucher davon zu überzeugen, daß ihr Produkt bereits existiert und auch einsatzfähig ist. Inwieweit sie damit Erfolg hatten, muß abgewartet werden.

Jedoch scheinen auch im Bereich der integrierten Software die größeren und finanzkräftigen Unternehmen im Vorteil zu sein. Das größte Interesse galt Lotus (mit ihrem neuen Paket Symphony), Microsoft (Windows), VisiCorp (Vision) und Digital Research (Concurrent OS und CP/M). Aber auch einige kleinere Softwareanbieter haben interessante Produkte im Angebot, Jack2, Ovation, DesQ und die MS-DOS-Version von Context-MBA haben vielleicht die Chance, sich einen kleineren Marktanteil zu sichern.

Die Entwicklung fortschrittlicher Betriebssystem-Umgebungen könnte jedoch den gegenwärtigen Zustand ziemlich verändern. Gerade für den Bereich der "Supermikros", mit der Tendenz, Unix als Betriebssystem einzusetzen, und für den Bereich der 64/128-KB-Maschinen gibt es bisher recht wenig integrierte und Window-Software. Hier erregte der Anbieter des UCSP-p-Betriebssystems, Softech Microsystems, mit der Ankündigung des Insight Window Designer-Paketes Aufsehen. Diese Software erlaubt das "Windowing" auf 64-KB-Rechnern einschließlich des IBM PCjr.

Technische Schranken

Ganz deutlich werden die technischen Grenzen, die die derzeit gängigen Mikrocomputer in Hauptspeicherkapazität und Rechengeschwindigkeit aufweisen, durch die neuen komplexen Softwarepakete. Der erfolgreichste Mikro im kommerziellen Bereich ist noch der IBM PC, jedoch ist die Maschine an den Leistungsgrenzen angelangt. Für den PCjr sind derzeit nur angepaßte PC-Programme auf dem Markt. Demonstrationen jedoch zeigten, daß die geringere Verarbeitungsgeschwindigkeit des PCjr gegenüber dem PC in RAM-intensiven Anwendungen seinen Einsatz in professionellen Anwendungen und für integrierte Software klar einschränkt. Im oberen Bereich des Homecomputermarktes ist der PCjr sicher der Gewinner. Während in den USA keine ernsthaften Konkurrenten auf dem Markt sind gibt es in Europa, speziell in Großbritannien, durchaus gute Produkte wie den neuen QL von Sinclair. Wettbewerber auf dem US-Markt wie der Adam von Coleco haben vor allem wegen Lieferschwierigkeiten bisher nur eine geringe Bedeutung erreicht.

Die Aufmerksamkeit der Besucher der Messe in New Orleans konzentrierte sich auch auf Software für den Macintosh und die beiden Mikros von IBM. Die IBM-Software beherrscht praktisch den ganzen Markt. Gab es doch kaum eine Demonstration, in der nicht ein PC oder Kompatibler eingesetzt wurde. Weiterhin sehr groß ist das Interesse an Computer-Spielen und Schulungssoftware, wobei der Trend besteht diese Programme auf noch leistungsfähigeren Computern einzusetzen.

*L. Sala ist Chefredakteur des holländischen Computermagazin Micro/Info.