Aufschwung nach langer Durststrecke

Integrierte Pakete: Windows als überraschende Konkurrenz

26.07.1991

MÜNCHEN (CW) - Lange Zeit waren integrierte Pakete wegen der mangelnden Qualität ihrer Komponenten kaum an den Kunden zu bringen. Die Fehler sind inzwischen behoben und die Verkaufszahlen schnellen in die Höhe. Doch die Freude der Anbieter ist verfrüht. Wesentliche Features der Produkte werden inzwischen auch durch die Eigenschaften der Windows-Oberfläche abgedeckt.

Integrierte Produkte fassen die am häufigsten benötigten PC-Programme wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbanksystem in einem Paket zusammen. Auf diese Weise bleibt den Anwendern die langwierige Suche nach Softwareprodukten erspart, die miteinander kommunizieren können. Zudem sind integrierte Systeme in der Regel preisgünstiger als ein selbst geschnürtes Softwarepaket.

Trotz dieses laut "IDC-lnfodienst" schlüssigen Konzeptes, ließ der Erfolg auf sich warten, da die Qualität der ersten integrierten Produkte den Anwendererwartungen nicht entsprechen konnten. Zu unterschiedlich sei die Qualität der einzelnen Softwarekomponenten gewesen, die zudem nur unzureichend miteinander verknüpft gewesen wären. Auch das Leistungsangebot innerhalb einer Funktion sei häufig nur als schlecht zu bezeichnen gewesen.

Diese Erfahrungen führten dazu, daß integrierte Pakete sich den Ruf einhandelten, von allem etwas, aber nichts richtig zu beherrschen. Doch diese Situation hat sich laut IDC inzwischen grundlegend geändert. Durch das verbesserte Produktangebot und den Vertrieb über OEM-Kanäle konnten die Anbieter von integrierten Paketen von 1989 auf 1990 Umsatz zuwächse um 56,8 Prozent verbuchen. Gemessen an den Stückzahlen, lag der Zuwachs im selben Zeitraum bei 32 Prozent. Diesen Erfolg verdanken die Anbieter jedoch vor allem privaten PC-Anwendern, kommerzielle Anwender sind dagegen die Ausnahme.

Am meisten profitierte PC-Betriebssystem-Marktführer Microsoft mit "MS-Works" vom Boom integrierter Pakete Inzwischen kann das Unternehmen bei einem Gesamtmarkt von etwa 2,3 Millionen Installationen 850 000 Lizenzvergaben vorweisen. Das entspricht bei den Stückzahlen einem Marktanteil von 24,6 und umsatzmäßig einem Anteil von 36,8 Prozent. Platz zwei und drei besetzt Lotus mit "Lotus Works" und "Symphony", die zusammen einen Umsatzanteil von 33,3 Prozent erwirtschaften (vergleiche auch Tabelle).

Doch nun bringt die grafische Benutzeroberfläche Windows 3.0 Unruhe in dieses wachsende Marktsegment. Mit dem einheitlichen "Look and feel" der Schnittstelle, der Interoperabilität zwischen verschiedenen Anwendungen und der Möglichkeit gemeinsamer Datennutzung verfügt die Oberfläche über viele Features, wie sie für integrierte Pakete typisch sind.

Zudem ist der Anwender beim Einsatz verschiedener Windows-Anwendungen nicht auf die Produkte eines einzigen Herstellers angewiesen. Vielmehr hat er laut "lDC-lnfodienst" nun die Möglichkeit, für jede Funktion das für ihn optimal geeignete Produkt einzusetzen und unter Windows zu integrieren .

Bei einer solchen Vorgehensweise erhöhen sich allerdings die Softwarekosten, da jede Komponente extra gekauft werden muß. Negativ schlägt auch zu Buche, daß der sinnvolle Einsatz von Windows einen 386SX-Prozessor und 2 MB Hauptspeicher voraussetzt. Herkömmliche integrierte Pakete begnügen sich dagegen mit 640 KB.