IT im Gesundheitswesen/ SAP R3 für das Krankenhaus Esslingen

Integrationszwang und Kostendruck sprechen für Outsourcing-Lösungen

05.02.1999
Eine DV-Personalreduktion um die Hälfte und eine Kostenersparnis um 30 Prozent lassen sich mit der Auslagerung von Dienstleistungen im Krankenhauswesen erreichen. Ulrich Assmann rechnet für die nächsten Jahre mit einem überdurchschnittlichen Anwachsen von IT-Outsourcing im Gesundheitswesen. Der Kostendruck, dem die Kliniken heute ausgesetzt sind, und der Know-how-Vorsprung der Service-Anbieter sprechen für seine These.

Was für den Outsourcing-Markt im allgemeinen gilt (siehe Kasten "Hintergrund"), trifft für das Marktsegment der Kliniken besonders zu. Denn hier liegen die Steigerungsraten der Nachfrage nach IT-Dienstleistungen eigenen Schätzungen zufolge mit 20 Prozent pro Jahr noch über dem Wachstum des Gesamtmarkts. In absoluten Zahlen dürfte sich das Volumen dieses Marktsegments für Systemhäuser und Outsourcing-Anbieter jährlich bei gut 800 Millionen Mark bewegen, wie eine Studie der Marktforscher von Köhler-Frost & Partner aus dem Jahr 1994 belegt, wobei ein Fünftel davon allein auf die Nachfrage nach Outsourcing entfällt.

Der Bedarf ist also groß, denn die Gesetze und Verordnungen wie die 1998 erlassene Krankenhaus-Buchführungsverordnung mit der Verpflichtung zur betriebswirtschaftlichen Kostenträgerrechnung haben eine kosten- und erlösorientierte Unternehmensführung in den Hospitälern notwendig gemacht. Praktisch alle mittleren (300 bis 500 Betten) und großen Krankenhäuser (mehr als 500 Betten) planen deshalb die Einführung von DV-Systemen, die sich laut Köhler-Frost-Studie durch Prozeß- und Systemintegration auszeichnen.

Außerdem erwarten die Krankenhäuser eine ganzheitliche Betreuung, von der Organisationsberatung über die Implementierung bis hin zum notwendigen Service, ergänzt durch nachgewiesenes Branchen-Know-how. Denn der Betrieb in einer Klinik kennt keine absoluten Ruhezeiten. Es gibt zwar viele planbare Tätigkeiten, die auf die "normalen" Arbeitszeiten beschränkt werden können; die meisten medizinischen Dienstleistungen lassen sich jedoch nicht in diesen Rahmen zwängen. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, daß dem Krankenhauspersonal - anders als noch vor etwa zehn Jahren - nicht nur die DV-Systeme, sondern vor allem die Anwendungen selbst rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche zur Verfügung stehen. Dementsprechend sind auch nur kurzzeitige havariebedingte Ausfälle tolerierbar, deren maximale Dauer vertraglich fixiert werden muß.

Ähnlich hoch sind die Erwartungen an die Sicherheit der vertraulichen Patientendaten: Verschlüsselung auf Applikationsebene, äußerst restriktive Berechtigungskonzepte für die Nutzung der einzelnen Anwendungen wie etwa der Zugang zu Client-Tastaturen nur mit Codekarte und mehrstufige Zugangssicherheit zu den Administrationsarbeitsplätzen sind die Mindestanforderungen.

Doch ausschlaggebend für oder gegen den Betrieb der eingesetzten Lösung im Outsourcing ist das Kostenargument. Die Reorganisation der innerbetrieblichen Abläufe, der geringere Schulungsaufwand für die Mitarbeiter, kleinere DV-Abteilungen und geringere Aufwendungen für die Hardware schlagen sich spürbar im IT-Budget nieder. Erfahrungen bei Outsourcing-Kunden aus dem Krankenhauswesen zeigen, daß diese heute weniger als 50 Prozent des DV-Personals im Verhältnis zu Eigenbetreibern einsetzen. Gleichzeitig liegen die Gesamtkosten im Durchschnitt um 30 Prozent niedriger.

Ein Beispiel für gelungenes Outsourcing sind die Städtischen Kliniken Esslingen (SKE), ein Krankenhaus der Zentralversorgung. Mit 639 Betten, mehr als 1200 Mitarbeitern und 16 verschiedenen medizinischen Fachbereichen sowie einer eigenen Apotheke ist das Krankenhaus eines der größten im Stuttgarter Umland. Als Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen sind die SKE vor allem für ihre Abteilungen Chirurgie (drei Kliniken einschließlich Orthopädie) sowie Kardiologie und Gastroenterologie bekannt.

Die DV-Infrastruktur der SKE besteht aus einem klinikweiten Glasfasernetzwerk mit etwa 750 Anschlüssen, die zur Zeit für 170 der insgesamt 220 PCs genutzt werden. Da die früher eingesetzte Software - ein landeseinheitliches Krankenhausverfahren - nicht weiterentwickelt wurde und bis spätestens Ende 1997 abgeschafft werden sollte, mußte man sich nach einem neuen System umschauen. Dieses sollte dabei unbedingt im Outsourcing betrieben werden. De nentscheidenden Grund dafür nennt Verwaltungsdirektor Peter Marquart: "Für uns war es wichtig, uns auf das Management des Krankenhausbetriebs zu konzentrieren. Um das neue System im eigenen Haus betreiben zu können, hätten wir mindestens fünf weitere DV-Spezialisten einstellen müssen, die schwer zu bekommen und noch schwerer zu halten sind. Das Outsourcing verschafft uns neben kalkulierbaren Personalkosten die Möglichkeit, das Investitionsvolumen bei vertraglich vereinbarten Fixkosten auf mehrere Jahre zu verteilen."

Nach Evaluierung verschiedener Krankenhaus-Informationssysteme(KIS) entschied man sich in Esslingen für SAP R/3 mit den Modulen CO (Controlling), FI (Finanzbuchhaltung), AM (Anlagenbuchhaltung), MM (Materialwirtschaft) sowie den krankenhausspezifischen Informationssystemen IS-H (Industry Solution Healthcare) und IS-HMED. Letztere umfassen die Funktionalitäten Patientenverwaltung, Leistungserfassung und Patientenabrechnung mit Berücksichtigung von Fallpauschalen, Sonderentgelten, Abteilungs- und Basispflegesätzen oder ambulanten Operationen und stellen die abteilungsübergreifende Leistungskommunikation und Dokumentationsicher. Als Hardwarebasis für die R/3-Umgebung stellte das Dresdener Unternehmen SRS im hauseigenen Rechenzentrum zwei Server zur Verfügung, die über eine Frame-Link-Standleitung und einen Router mit dem SKE-Netzwerk kommunizieren. Dabei dient ein Server als Produktiv- und der andere als Test- und Schulungssystem. Zusätzlich wird dieser zweite Server auch als Backup-System eingesetzt. Lediglich das SAP-GUI ist auf den PC-Clients in Esslingen installiert. Die Entscheidung für SRS basierte "auf Gespächen mit anderen Kunden unseres Sektors", begründete Rainer Döring, DV-Leiter der SKE, die Entscheidung. Gemeint waren damit das Wartburgklinikum Eisenach, das Krankenhaus Mittleres Erzgebirge und mehrere Häuser im süddeutschen Raum.

In drei Monaten wurde das Customizing - zum Beispiel mußten das OP-System zur Dokumentation aller Operationen und die Patiententelefonanlage an R/3 angebunden werden - abgeschlossen, so daß der Produktivstart am 1. Dezember 1997 (IS-H MED seit April 1998) termingerecht erfolgte. Zusätzlich wurden in dieser Zeit etwa 140 SKE-Mitarbeiter für das neue System geschult. Um eventuelle Fragen oder Probleme rund um die Uhr beantworten zu können und so die ständige Verfügbarkeit des Systems sicherzustellen, wurde eine 24-Stunden-Rufbereitschaft eingerichtet. Die Reaktionszeiten liegen während der Geschäftszeiten bei maximal einer Stunde und an Wochenenden, Feiertagen und nachts bei höchstens zwei Stunden.

Fazit: Der Kostendruck wird in den Krankenhäusern auch in Zukunft zunehmen. Gleichzeitig wird die Integration von medizinisch-technischen Anwendungen und deren Weiterentwicklungen immer höhere Anforderungen an die DV-Lösungen stellen. IT-Outsourcing ist deshalb ein wichtiges Element bei dem Versuch, die Kostenlawine im Gesundheitswesen einzudämmen.

Hintergrund

Während der IT-Markt in Deutschland insgesamt mit etwa sieben bis zehn Prozent pro Jahr wächst (Quelle: EITO 1998), liegt die durchschnittliche Wachstumsrate des Outsour- cing-Markts einer Studie der Marktforschungs- und Consulting-Gesellschaft Köhler-Frost & Partner zufolge zwischen 1996 und dem Jahr 2000 bei 15,2 Prozent jährlich. In absoluten Zahlen heißt das zirka sechs Milliarden Mark für 1998 und knapp acht Milliarden Mark im Jahr 2000. Es ist ein hart umkämpfter Markt, den die durchaus noch überschaubare Zahl an Anbietern wie J.D. Edwards, IBM, SAP, CSCPloenzke, Hewlett-Packard, SBS (Siemens Business Services), das Debis Systemhaus und SRS zu erobern versucht. Dabei dürfte die Umsatzgrenze für Unternehmen, die professionelles Outsourcing anbieten und sich mittel- und langfristig auf dem Markt behaupten können, bei etwa 70 Millionen Mark pro Jahr liegen. Denn aufgrund der erheblichen Akquisitions- und Vertragsvorlaufzeiten sowie der umfangreichen Investitionen in Server-Zentren, Technologien zur Ausfallsicherheit und Mitarbeiterschulungen müssen die Anbieter erhebliche Vorleistungen erbringen, um auf diesem Terrain Fuß zufassen. Gleichzeitig liegt das Volumen von mehr als 80 Prozent der Outsourcing-Verträge unter 50 Millionen Mark, so daß die klassische Unterscheidung zwischen Großkunden und solchen aus dem Mittelstand mit ihrer Entsprechung auf seiten der Anbieter entfällt. Der Wettbewerb verschärft sich dadurch weiter.

Angeklickt

Obwohl der Begriff Outsourcing hierzulande erst Anfang der 90erJahre aufkam, hat dieser Markt in Deutschland bereits ein Milliardenvolumen erreicht. Kostenersparnis ist dabei das ausschlaggebende Motiv. Dies gilt auch und gerade für die Krankenhäuser in Deutschland, die aufgrund der neuen Gesetze und Verordnungen der letzten Jahre zum Sparen gezwungen sind.

Ulrich Assmann ist Geschäftsführer der SRS Software- und Systemhaus Dresden GmbH in Dresden.