Integration von Corba und OLE Thema Nummer eins Object World: ORB-Produkte wie Pilze nach einem Regentag

19.08.1994

SAN FRANZISKO (qua) - IBM, DEC, Sunsoft und HP sind beileibe nicht mehr die einzigen Anbieter, die mit einem Object Request Broker (ORB) aufwarten koennen. Auf der Object World

in San Franzisko machten vor

allem das irische Software-Unternehmen Iona sowie der System- Management-Spezialist Candle auf sich aufmerksam. Daneben debuetierten Expersoft und Post Modern Software mit ihren ORB- Produkten.

Die Iona Technologies Ltd., Dublin, schickt sich an, der

Digital Equipment Corp.

(DEC) Konkurrenz zu machen. DEC und Microsoft hatten kurz zuvor die "vorlaeufigen" Spezifikationen fuer ihr Common Object Model (COM) veroeffentlicht. Das gemeinsame Objektmodell soll objektbasierten Anwendungen ermoeglichen, zwischen den von Digitals "Object Broker" unterstuetzten Plattformen (Open VMS, AIX, HP-UX, OSF/1, SunOS, Ultrix) und der Windows-basierten Compound-Document- Loesung Object Linking and Embedding (OLE) zu interagieren.

Auch die Iren haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Luecke zwischen ihrer Implementierung des OMG-Standards Common Object Request Broker Architecture (Corba) und der proprietaeren Microsoft-Loesung zu schliessen. Wie Business Development Manager Colin Newman erlaeutert, will Iona die Verbindung zwischen "Orbix" und OLE zum Ende des laufenden Jahres hergestellt haben.

Zu diesem Zweck soll der Orbix-eigene Compiler fuer die "Interface Definition Language" (IDL) dahingehend ueberarbeitet werden, dass er einen OLE-Call in einer Windows-Anwendung automatisch in eine IDL- Operation uebersetzen kann. Auf diese Weise, so verspricht der Anbieter, koennen Windows-Applikationen ihre Objekte aus dem gesamten Netz beziehen.

Orbix laeuft derzeit unter SunOS 4.1 und Solaris 2.x sowie unter Irix, HP-UX und Windows NT. Die Ausfuehrungen fuer Windows 3.1, AIX und OSF/1 stehen kurz vor der Auslieferung, waehrend sich die Versionen fuer SCO-Unix und OS/2 noch im Entwicklungsstadium befinden. Die Referenzkundenliste weist unter anderem die Siemens AG und die Universitaet Mannheim auf.

Iona seinerseits erhaelt Konkurrenz von einem hierzulande kaum bekannten ORB-Anbieter mit Namen Expersoft Corp. Das in San Diego ansaessige Software-Unternehmen hat in San Franzisko ebenfalls angekuendigt, es werde Interoperabilitaet zwischen seiner Object- Management-Umgebung "Xshell" und OLE 2.0 herstellen.

Eine entsprechend erweiterte Version der Corba-kompatiblen Xshell wird laut Hersteller im dritten Quartal des kommenden Jahres vorliegen. Mit ihrer Hilfe soll die Entwicklergemeinde dann in der Lage sein, OLE-Schnittstellen fuer Objekte zu generieren, die mit der IDL definiert wurden.

Xshell liegt als Version 3.0 vor und laeuft unter Solaris, HP-UX, AIX, SCO-Unix und Irix sowie unter Windows und Windows NT. Als "Distributed Object Management Environment" (DOME) vermarktet, bietet das Produkt neben einem Request-Broker und einem IDL- Compiler auch eine interative Entwicklungs- und Runtime-Umgebung fuer Fuzzy-Logic-Objekte, eine regelbasierte Sprache fuer die Vorwaertsverkettung von intelligenten Agenten sowie verteilte Objektservices fuer Sicherheit und Transaktions-Management.

Um den Xshell-Entwicklern die Tuer zu nicht objektbasierten Programmen aufzustossen, hat Expersoft ein Kooperationsabkommen mit dem in Rosemont, Illinois, ansaessigen Software-Unternehmen Covia Technologies geschlossen. Ziel dieser Abmachung ist die Integration von Xshell mit dem Message-orientierten Middleware- Produkt "Communications Integrator" (CI), das der Covia-Mutter Galileo International gehoert.

CI soll die Interoperabilitaet von Anwendungen nicht nur ueber eine Reihe von Unix-Plattformen, sondern auch ueber MVS-, VAX- und Tandem-Nonstop-Systeme hinweg sicherstellen.

Last, but not least demonstrierte die Candle Corp. mit Sitz im kalifornischen Santa Monica ihr Konzept fuer eine Verbindung zwischen dem eigenen ORB und zum einen den Corba-Implementierungen von IBM (DSOM) beziehungsweise HP (ORB+), zum zweiten der Microsoft-Technik OLE. Die Candle-eigene Enabling-Technik wird als Middleware unterhalb der System-Management-Produkte aus der "Omegacenter"-Familie realisiert. Dem Vernehmen nach wollen die Kalifornier diese Softwaretechnik auch separat lizenzieren.

Brandneu auf dem Markt ist der Object Request Broker von Post Modern Computing, einem Software-Unternehmen mit Sitz in Mountain View, Kalifornien. "Orbeline" ist, so der Anbieter, kompatibel mit Corba 1.1, gehe aber ueber die dort festgeschriebene Funktionalitaet hinaus. Der ORB eigne sich insbesondere fuer Echtzeitanwendungen.

Zwar hat Post Modern noch keine Interoperabilitaet mit fremden ORB- Produkten oder gar mit OLE angekuendigt, doch laeuft Orbeline bereits auf einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Betriebssystem-Plattformen: neben dem Realtime-Betriebssystem VxWorks auch auf Windows 3.1, Windows NT, SunOS, Solaris, OSF/1 und Cray XMP. Implementierungen fuer HP-UX, Unixware, OS/2, Lynx und Psos+ sollen folgen.

Als Alleinstellungsmerkmal seines Produkts nennt Post Modern zunaechst die "Smart-Binding"-Technologie, die die Kommunikation zwischen zwei unterschiedlichen Orbeline-Implementierung erlaube. Wenn der Anwender auf ein bestimmtes Objekt zugreifen wolle, suche sich der ORB automatisch den besten Kommunikationsmechnismus.

In Gestalt des "Dynamic Directory Service" stelle das Produkt zudem eine Funktion bereit, mit der sich alle registrierten und aktiven Objekte dynamisch verfolgen liessen. Dadurch erscheine Orbeline im Vergleich zu anderen Corba-Implementierungen sehr "leichtgewichtig".

Das Thema Fehlertoleranz gehen die Kalifornier mit intelligenten Agenten an. Diese "Smart Agents" ueberwachen die Kommunikationen zwischen Objekten und Clients. Nach einem Systemausfall sollen sie dem ORB helfen, die Verbindung zwischen den Prozessen wiederherzustellen.

Aus dem Glossar im Programm zur Object World

Object Request Broker: ein Softwaremechanismus, der Objekten hilft, Anfragen (Requests) und Antworten (Responses) zu schicken beziehungsweise zu empfangen.

Request: ein Ereignis (Event), das eine Operation aufruft. Der Request besteht aus dem Namen der Operation sowie eventuell einem oder mehreren Parametern. Ein Client startet einen Request und bewirkt damit, dass ein Service ausgefuehrt wird.

Client: eine Entitaet, die einen Request an einen Service schickt. Die Entitaet, die diesen Request beantwortet, ist der Server.

Service: ein Prozess, der als Antwort auf einen Request ausgefuehrt werden kann.