Institutionelle Anleger kommen an Telekom-Aktie nicht vorbei

09.12.1994

Von Arnd Wolpers*

Die Aktie der Deutschen Telekom AG wird 1996 an den deutschen Boersen und in New York notiert werden, wobei sie eine Vorreiterrolle auch fuer andere deutsche Aktiengesellschaften uebernehmen soll. Fuer Wall Street wird eine Vollnotiz angestrebt. Auf politischer Ebene gibt es Signale, dass sich auch fuer andere deutsche Unternehmen eine Anpassung der Bilanzstandards an internationale Regelungen ergeben koennte.

Die in diesem Jahrzehnt geplanten Schritte der Telekom- Privatisierung geht mit zwei Kapitalerhoehungen einher. Derzeit hat die Deutsche Telekom AG ein Grundkapital von zehn Milliarden Mark, das 1996 um 2,5 Milliarden auf 12,5 Milliarden Mark aufgestockt werden soll. Eine zweite Erweiterung der gleichen Groessenordnung ist fuer 1998 geplant.

Entgegen den bisherigen Ueberlegungen wird der Bund bis dahin mit weniger als 50,1 Prozent an der Deutschen Telekom beteiligt sein. Nach Plazierung von fuenf Milliarden Mark bleibt ihm ein Zweidrittel-Anteil. Erst nach 1999 kann der Bund nach den Bestimmungen der Postreform II aus dem Eigenbestand weitere Anteile abgeben. Wahrscheinlich wird er das auch tun, da er fuer die Alterssicherung von Telekom-Beschaeftigten nach 1999 auch finanziell herangezogen werden wird.

Die 1996 anstehende Kapitalerhoehung um nominal 2,5 Milliarden Mark wird von insgesamt 22 Banken und Investmenthaeusern unter der Fuehrung von Deutscher Bank, Dresdner Bank und Goldman Sachs durchgezogen. Die Projekterfahrung von Goldman Sachs duerfte den Ausschlag fuer die Entscheidung zugunsten dieses auslaendischen Mitglieds in der Fuehrungstroika gegeben haben.

In den vergangenen viereinhalb Jahren hat die amerikanische Bank als Konsortialfuehrer oder -mitfuehrer Aktienemissionen in einem Volumen von 200 Milliarden Mark plaziert. Davon sind aus dem Telekommunikationsbereich Anteilsscheine im Volumen von 28 Milliarden Mark untergebracht worden. Bei der Notiz von Daimler- Benz in New York hat sich das Gespann Deutsche Bank und Goldman Sachs ebenfalls bewaehrt. Die Dresdner Bank hat sich bei der internationalen Plazierung der Lufthansa-Aktien Meriten fuer den Bund verdient.

Vom ersten Privatisierungsschritt erhofft sich der Emissaer einen Plazierungserloes von 15 Milliarden Mark. Bezogen auf das Plazierungsvolumen von 2,5 Milliarden Mark bedeutet dies das sechsfache des Nominalwertes. Bei einer 50-Mark-Aktie wuerde das einen Ausgabekurs von 300 Mark bedeuten. Dem fuer 1996 vorgesehenen Grundkapital von 12,5 Milliarden Mark wuerde also eine Unternehmensbewertung von 75 Milliarden Mark fuer die Deutsche Telekom AG entsprechen.

Beim Pricing von Neuemissionen steht der Ertragswert im Vordergrund. Geht man von einem in der Telecom-Branche durchaus ueblichen 15fachen Gewinnmultiple aus, muesste die Aktiengesellschaft 1996 einen ordentlichen Nachsteuergewinn von fuenf Milliarden Mark in Aussicht stellen koennen. Nur so koennen die heute angestrebten Privatisierungserloese erzielt werden. Es faellt schwer, diese Ertragsperspektive nachzuvollziehen.

Dennoch wird die Plazierung der Deutschen Telekom, wenn auch vielleicht nicht zu dem Sechsfachen des Nominalwertes, erfolgreich verlaufen. Die Erklaerung ist sehr einfach: Mit einem Unternehmenswert von ueber 70 Milliarden Mark - 1998 voraussichtlich zirka 90 Milliarden Mark - wird das Unternehmen die am hoechsten kapitalisierte Aktiengesellschaft des deutschen Marktes sein. Viele institutionelle Investoren, insbesondere Versicherungen und Pensionskassen, richten ihre Performance an der Indexentwicklung aus. Dies ist nur moeglich, wenn sich in ihrem Aktienportefeuille der Index in etwa gewichtet wiederfindet.

Das bedeutet, dass solche Investoren, die den Loewenanteil der internationalen Anlegergemeinde ausmachen, an einer Zeichnung der Telekom-Aktie gar nicht vorbeikommen. Die Plazierung wird also verhaeltnismaessig einfach sein. Dies erklaert auch den intensiven Wettkampf der Banken um die etwa 400 Millionen Mark Provisionsvolumen, die allein bei der ersten Kapitalerhoehungstranche zu verdienen sein werden. Heute macht die Kapitalisierung aller deutschen Boersen lediglich vier Prozent des Weltaktienmarkts aus, gemessen an der Bedeutung des deutschen Wirtschaftsraumes ist das zuwenig. Mit der Plazierung der Telekom wird der deutsche Aktienmarkt international hoeher gewichtet - eine positive Auswirkung.

Fuer den deutschen Kapitalmarkt insgesamt duerfte die Privatisierung jedoch eine ganz erhebliche Belastung darstellen. Die Inlandstranche soll bei 50 bis 60 Prozent des Gesamtvolumens liegen. Man kann davon ausgehen, dass der deutsche Kapitalmarkt 1996 mit bis zu acht Milliarden Mark aus der Telekom- Privatisierung belastet werden wird, werden die angestrebten Multiples erreicht. Dies ist die mit Abstand groesste Einzelemission im deutschen Aktienmarkt und entspricht dem Plazierungsvolumen aller Emissionen der vergangenen acht Jahre in Deutschland zusammengenommen. Zwar wird eine Teilentlastung im Anleihenbereich entstehen, da dort die Tochter Deutsche Telekom weniger Kapitalbedarf zu decken haben wird. Trotzdem wird die technische Gesamtverfassung des deutschen Aktienmarktes 1996 unter der Telekom-Plazierung erheblich leiden.

* Arnd Wolpers ist Geschaeftsfuehrer der Vermoegensverwaltungsgesellschaft CMW GmbH in Muenchen. Die hier veroeffentlichten Informationen beruhen auf Quellen, die wir fuer vertrauenswuerdig und zuverlaessig halten. Trotz sorgfaeltiger Quellenauswahl und -auswertung koennen wir fuer Vollstaendigkeit, Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit der Angaben eine Haftung nur insoweit uebernehmen, als grobe Fahrlaessigkeit oder Vorsatz Haftung begruenden. Jede darueber hinausgehende Haftung wird ausgeschlossen. Fuer Angaben Dritter uebernehmen wir kein Obligo. Aktienanlagen sind durch staerkere Kursschwankungen gekennzeichnet.