30 Prozent Verwaltung, 30 Prozent Lehre, 40 Prozent Forschung:

INSEAD nutzt Minis zur Managerausbildung

08.04.1982

Ein umfassendes Informationszentrum will das Institut Européen d'Administration des Affaires (INSEAD) in Fontainebleau sein. Hier sollen nach den Worten von Jim Philbin, Leiter des Computerzentrums der Manager-Schmiede, Informationen mit den heute aktuellen Methoden gesammelt, analysiert und dann mit den Studenten diskutiert werden. lNSLAD zählt sich zu den Vorreitern neuer Informationstechnologien.

Hier schulen 40 Professoren aus mehr als 15 Ländern Studenten aus 30 Staaten und mehr in Managementtechniken und, Rahmen von Fortbildungskursen für Führungskräfte, speziell auch im Management multinationaler Unternehmen. Zur laufenden Arbeit stehen stets auch Untersuchungen aktueller Wirtschaftsprobleme, die Erstellung ökonomischer Prognosen und Prognosemodelle und andere Forschungsarbeiten an, darunter auch die Erarbeitung ökonomischer Modelle für Simulationsstudien.

Demzufolge verlangen die INSEAD-Dozenten heute von allen Teilnehmern der Betriebswirtschaftskurse, die verfügbaren Rechner selber zu programmieren und so zu lernen, die gebotenen Kapazitäten bei den einzelnen Kursen sinnvoll einzusetzen. Die bereits "etablierten", zur Weiterbildung anwesenden Manager lernen in Fontainebleau, die Computer bei Planspielen und Simulationen zu nutzen.

Schneller mit Bildschirm

Philbin und seine RZ-Mannen arbeiten in ihrem Rechenzentrum mit einer 36-Bit-DEC 2020 (512 KB, 1980 installiert) sowie einer DEC 2040 mit 256 KB. Zu diesen Rechnern von Digital Equipment kommen zwei RP 06-Plattenlaufwerke a 200 MB ein Magnetband TU 45 mit 800/1600 bpi und außerdem 50 Terminals, im wesentlichen Bildschirme, hinzu.

Besonders die Bildschirme machen den INSEAD-DV-Chef sichtlich happy: "Mit ihnen können wir doppelt so schnell wie sonst arbeiten und sparen auch noch haufenweise Papier". Jetzt ließen sich Inhaltsverzeichnisse von den Studenten schneller durchforsten, bestimmte Textpassagen rascher finden und Kennworte sehr schnell suchen.

Der "Amerikaner bei Paris" plant nun dazu noch die Entwicklung eines Bildschirmeditors für die Datenbank - "eine Einrichtung, die in Europa noch selten ist" - und arbeitet langfristig auf die weitere Minimierung des Papierkonsums hin: Etwa sechs bis zehn Bildschirme pro Drucker, das "wäre wohl das ideale Verhältnis".

Man kann bei INSEAD drei Hauptnutzungsarten unterscheiden, wobei zunächst wohl von der Verwaltung der Akademie gesprochen werden muß, die etwa 30 Prozent der Kapazität belegt. Die Verwaltung arbeitet mit einer 25-MB-Datenbank, in der alle Angaben über ehemalige Schüler sowie über Firmen, mit denen man jemals Kontakt hatte, gespeichert sind. Schließlich fließen aus diesem Kreis ja auch die Geldmittel und endlich werden über diesen bewährten Verteiler auch die Angebote neuer Kurse veröffentlicht.

Außerdem rechnen ein Einstufungsverfahren und ein Zulassungssystem zum Bereich Administration während allgemeine Dinge wie Lohnabrechnung, Budgetkontrolle und Telephonverwaltung extern erledigt werden.

Weitere 30 Prozent der Rechnerleistung dienen unmittelbar dem Lehrbetrieb, beispielsweise der Durchführung unterrichtsbegleitender Simulationen im Rahmen des Seminars für Prognosen, Marketing und allgemeines Management. Diese Prognosen gestatten es den Schülern, bestimmte Entscheidungen zu treffen (und damit wiederum das Programm des folgenden Tages zu bestimmen). Nach Feierabend können die Studenten an den Rechnern auch eigene Anwendungen laufen lassen.

Draht nach Paris bald überlastet

40 Prozent der Kapazität schließlich stehen für Forschung, Wirtschaftsanalysen und Statistiken bereit, für umfangreiche Studien mithin, die der Bestätigung oder Widerlegung neu aufgestellter Hypothesen dienen. Es geht dabei um so tiefschürfende Fragen wie beispielsweise die, ob ein Unternehmen eher eine Strategie des minimalen Risikos oder eine des optimierten Gewinns verfolgen soll - und ähnliches mehr Außerdem arbeiten die INSEAD Ökonomen an laufenden Band wirtschaftliche und finanzpolitische Modelle und Prognosen aus.

Im Rückblick erinnert sich Philbin, daß es eben das Anwachsen derartiger Prognose- und Simulationswünsche war, was 1970 eine Abkehr vom Ad-hoc-Einkauf von Rechenzeit bei einem fremden RZ und die Installation der ersten eigenen Anlage erforderte: 1972 kam der erste HP 2000 ins Haus. Allerdings litten die Wirtschaftsforscher bald unter deren Beschränkung auf Basic, kann man von Philbin erfahren, und auch 64 KB Speicher mit maximal zwölf Teilnehmern erwiesen sich bald schon wieder als kritischer Engpaß.

Um auch den Beschränkungen auf maximal 100 x MB Platten und maximal 10 000 Elemente der Datenmatrix zu entgehen, wurde die HP 2000 dann bald als Eingabestation zu einer in Paris stehenden 370/168 eingesetzt - aber auch die Lösung stieß schon um 1978 an ihre Grenzen, erinnert sich der RZ-Leiter.

Er ist in den Annalen der Akademie nicht verzeichnet, ob INSEAD nun die geballte wirtschaftswissenschaftliche Entscheidungskapazität seiner Sammlung von Spitzen-Betriebswirten von auf das Problem, eine neue Rechnerkonfiguration auszuwählen, konzentriert hat, doch leicht haben Philbin und sein Team sich die folgenden Entscheidungsprozesse sicher nicht gemacht.

Eine erste Auswahlliste umfaßte immerhin fast die ganze Prominenz von Prime über Data General, IBM Burroughs und Digital Equipment bis Hewlett-Packard, doch schon im zweiten Lauf traten dann nur noch DEC und HP gegeneinander an (eine nicht eben ungewöhnliche Situation wie in der Geschichte vieler solcher "Endausscheidungen" nachzulesen ist).

Familiensinn half Entscheidung nach

Warum griff Philbin schließlich zu DEC? Ohne an HP deshalb rumzumäkeln, preist er auf Befragen den "größeren virtuellen Adreßbereich" und die große "Menge aktueller Software zu günstigen Preisen", mit denen das DEC-System 20 aufwarte: Und das spiele unter dem Aspekt, daß die Software heute ja eher den größeren Investitionsanteil stelle, doch eine gewichtige Rolle. Zumal man auf der DEC 20, wie INSEADs Chefs sich überzeugen ließen, Software billiger und schneller entwickeln könne und auch die einzelnen Systemfunktionen und Softwareapplikationen sich (wegen der "Benutzerfreundlichkeit" ) leichter vermitteln ließen (Philbin).

Nun lobt natürlich jeder RZ-Chef hinterher seine eigene Entscheidung, treten nicht wirklich gravierende Mängel in Erscheinung. Aber die INSEAD-Leute hatten noch einen weiteren gewichtigen Grund, gerade das DEC-Angebot anzunehmen: "Familiensinn" könnte man ihn nennen. Denn auch die (führenden) Handelsakademien in Stanford und Chicago arbeiten mit DEC-20-Computern, und Harvard mit einer DEC-10-Ausrüstung.

Somit kann INSEAD mit den Kollegen in den USA fast alle Lehr- und Forschungssoftware austauschen, beispielsweise das "UK Economy Game" der Universität Edinburgh, das "Plot 79" der Universität Utah oder auch "Scribe" von Carnegie-Mellon.

Eigenbau-Simulation

Überwiegend lassen die INSEAD-Ökonomen jedoch "Eigenbau" -Simulationsprogramme laufen, "Forad" für Manipulationsspiele mit Fremddevisen zum Beispiel oder auch "Markstrat", eines der beliebtesten Programme für Marketingstrategien. Außerdem kommen unter dem Betriebssystem Tops-20 zahlreiche Programmiersprachen zum Einsatz, angefangen bei Basic, Fortran und Pascal für die Schulungsprogramme über Macro und Bliss- 10 für die Dienstprogramme und ebenfalls Fortran für die Forschungsprogramme. Zur Datenbankverwaltung dienen Cobol, DBMS-20, IQL und Traffic. Weiter erwähnenswert sind noch das Statistikpaket SPSS und schließlich IFPS, EPS und Empire für Finanzmodelle.

Laut Philbin ist man überall im Institut angetan von den neuen Möglichkeiten, mit Hilfe der Rechner öde Arbeiten einzusparen: "Wir sind viel produktiver geworden, und unsere Aufgaben werden ständig umfangreicher". Die Zulassungsabteilung bemüht sich inzwischen bereits darum, ihr WS 200-Vier-Terminal-Textverarbeitungssystem (auf PDP-8-Basis) an den Computer angeschlossen zu bekommen, erfährt man aus dem Hause; eventuell soll auch eine Fotosatzmaschine zur Erstellung der rund 8000 Seiten Material angeschafft werden, die je Student und Jahr (!) produziert werden müssen.

Pläne für Netzwerk-Zugang

Gewachsen sei auch die Flexibilität, sagt Philbin, was natürlich letzlich den Kunden zugute kommen soll. Heute dauern Simulationen und Analysen statt vier bis fünf nur noch eine halbe Stunde.

Auch für die Zukunft liegen bereits klare Konzepte vor. INSEAD will Verbindungen zu Transpac und Euronet schaffen und einen Anschluß an das amerikanische DRI-Netz errichten (Data Resources International of Lexingon, Mass.): Das soll den direkten Kontakt mit Wirtschaftsakademien überall in den USA (und in Europa natürlich auch) ermöglichen, den Kontakt zu Leuten also, die früher selber bei INSEAD unterrichtet haben. Auch soll möglichst rasch Ethernet installiert werden, denn auch Yale, Carnegie-Melon, das MIT und andere Institute sind "für die Implementierung der Terminalverbindung an Ethernet angeschlossen", wie Philbin noch in Erinnerung bringt.

Egon Schmidt, CW Mitarbeiter