Input prognostiziert Vorteile durch PC-Praesenz Als Herausforderer der IBM hat Microsoft ausgezeichnete Karten

18.06.1993

GIESSEN (CW) - Selten hat ein DV-Produkt noch vor seinem Markteintritt einen solchen Wirbel verursacht wie das 32-Bit- Betriebssystem Windows NT von Microsoft. Die Bill-Gates-Company, so sorgen sich viele, koennte eine Marktstellung einnehmen, wie sie zuvor nur die IBM innehatte. Dieser These reden nun auch die Marktforscher von Input das Wort.

"Microsoft - die IBM der 90er Jahre?" Dieser Frage gehen die kalifornischen Analysten mit deutschem Sitz in Langgoens bei Giessen in ihrem Research Bulletin nach. Gemeinsamkeiten zwischen den US- Companies bestehen demnach insofern, als die Produkte beider Hersteller im Markt generell eine so grosse Bedeutung haben, dass sie recht schnell zu De-facto-Standards werden. Das gelte fuer MS- DOS, Windows und Windows NT von Microsoft ebenso wie fuer die IBM- Produkte MVS, VM und CICS.

Sowohl IBM- als auch Microsoft-Produkte geniessen laut Input den Marktfuehrer-Bonus - sie werden von Kunden als eine "sichere Wahl" eingestuft. Wer sich fuer diese beiden Welten entscheide, werde sich im eigenen Unternehmen wohl nie den Vorwurf anhoeren muessen, einem Aussenseiter vertraut zu haben.

Gemeinsam sei den beiden DV-Riesen ferner, dass sie ihre Kunden durch Betatests sehr stark in die Produktgestaltung einbezoegen. Zudem liege sowohl der IBM als auch Microsoft ein grosser Teil des Marktes zu Fuessen: Beide Konzerne koennten sich praktisch auswaehlen, mit wem sie kooperieren wollten - nicht selten ende die Zusammenarbeit mit Partnern in der Uebernahme dieser Unternehmen.

Trotz dieser offenkundigen Uebereinstimmungen identifizieren die Analysten auch gravierende Unterschiede. Dabei scheinen jedoch die Truempfe saemtlich in der Hand von Microsoft zu liegen. Waehrend die IBM noch immer nur zoegernd in den Wachstumsmarkt PC einsteige, sei dieser Sektor fuer Microsoft angestammtes Terrain. Das Softwarehaus bediene mit grossem Erfolg sowohl geschaeftliche als auch private PC-Anwender. Big Blue dagegen konzentriere sich noch immer primaer auf das kommerzielle

und wissenschaftlich-technische Mainframe-Geschaeft.

Die IBM, so argumentieren die Input-Analysten weiter, sei derzeit gezwungen, ihr DV-Angebot zu entbuendeln. Damit eroeffne sie der Konkurrenz Moeglichkeiten, in Nischenmaerkte einzusteigen und dort Produkte anzubieten, wo Big Blue Schwaechen zeige. Dagegen verfuege Microsoft ohnehin ueber ein relativ offenes Produktspektrum. Unabhaengige Softwarehaeuser bemuehten sich nach Kraeften, die Betriebssysteme MS-DOS, Windows und Windows NT zu unterstuetzen.

Vorteile ergeben sich fuer Microsoft auch deshalb, weil sich die IBM weiterhin im sehr kapitalintensiven Hardwaremarkt bewege. Der Herausforderer setze dagegen von jeher auf das lukrativer werdende Softwaregeschaeft, das keinerlei Produktionseinrichtungen voraussetze.

Die Quintessenz der Marktforscher duerfte Bill Gates gefallen: Microsoft werde fuer den Rest dieses Jahrtausends die Standards im PC-Markt setzen, heisst es. Einen echten Kontrahenten gebe es nicht. Zwar wuerden Unix und OS/2 nicht vom Markt verdraengt, doch nur Microsoft werde bei den Betriebssystemen und grafischen Benutzeroberflaechen dominieren. Apple werde mit dem Macintosh weiterhin den Nischenmarkt Grafik und Desktop-Publishing besetzen, ohne aber in die kommerzielle Datenverarbeitung vorzustossen versuchen.