Kooperation mit Corel

Inprise portiert Borland-Tools auf Linux

15.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Nach längeren Spekulationen über die Linux-Strategie von Inprise kündigte der Hersteller der Borland-Tools nun ein RAD-Werkzeug auf Basis von "Delphi" und "C++ Builder" an. Zusätzlich ging die Tools-Company eine Kooperation mit Corel ein, um das freie Betriebssystem als Desktop-Alternative zu Windows aufzuwerten.

Nachdem schon vor einiger Zeit publik geworden war, daß Inprise an einer Linux-Version des Rapid-Application-Development-(RAD-) Tools Delphi arbeitet, gab das kalifornische Unternehmen nun seine Pläne für den freien Linux-Clone bekannt. Demnach entwickelt es unter dem Codenamen "Kylix" eine visuelle Programmierumgebung, die auch die hauseigene Visual Component Library (VCL) umfassen soll. Wie schon unter Windows soll es damit möglich sein, Komponenten für grafische Oberflächen oder Datenbankzugriff per Drag and drop in die Anwendung einzufügen. Kylix soll genau wie seine Windows-Gegenspieler Änderungen wahlweise im Quellcode oder mit den visuellen Werkzeugen zulassen und diese zwischen den beiden Darstellungen synchronisieren ("Two-Way-Tool"). Nachdem der Hersteller die letzten Updates unter Windows nutzte, um C++-Builder und Delphi unter einer Oberfäche zusammenzuführen, soll Kylix von Anfang an als gemeinsame Umgebung für den C/C++- und den Pascal-Compiler dienen.

Gleicher Quellcode für Windows und Linux

Die Portierung der VCL-Komponenten auf Linux sowie die versprochene Quellcode-Kompatibilität zwischen Windows- und Linux-Programmen soll, so Michael Swindell, Produkt-Manager für Linux bei Inprise, Tausende bestehender Anwendungen für das Microsoft-System gegenüber Linux öffnen. Da aber die Borland-Tools unter Windows schon lange die Component-Object-Model-(COM-)Programmierung unterstützen und die Integration von Active-X-Komponenten erlauben, könnte sich diese Zahl in der Praxis erheblich reduzieren.

Im Vergleich zu den C++- und Delphi-Compilern, deren Entwicklungsumgebung ein natives Linux-Programm sein wird und die ihrerseits plattformspezifischen Code erzeugen sollen, fällt die Portierung der Java-Produkte erheblich leichter. Deshalb soll das Java-Werkzeug "Jbuilder" bereits Anfang nächsten Jahres für Linux verfügbar sein, während Kylix erst für Mitte 2000 kommen soll. Die anfangs teilweise in Java geschriebene Entwicklungsumgebung von Jbuilder wird nun zur nächsten Version vollständig auf die Sun-Sprache umgestellt und ist deshalb relativ einfach auf verschiedene Systeme übertragbar. Bereits für Linux verfügbar ist der Just-in-Time-(JIT-)Compiler. Zu den weiteren Java-Produkten von Inprise, die unter Linux laufen, soll auch die Datenbank "J Datastore" gehören. Sie ergänzt den größeren Bruder "Interbase", der schon länger in einer Version für das freie Betriebssystem exisitiert.

Vor der Festlegung seines Linux-Fahrplans eruierte Inprise bei seiner Entwicklergemeinde die Nachfrage nach einschlägigen Werkzeugen. Die Mehrheit der mehr als 24000 Rückmeldungen zeigte großes Interesse an komfortablen Entwicklungsumgebungen, die unter Linux derzeit noch Mangelware sind (siehe http://www.borland.com/linux/survey).

Im Rahmen seines Linux-Engagements schloß Inprise ein Kooperationsabkommen mit Corel. Beide Softwarehäuser wollen demnach eine Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft für das quelloffene System eingehen. Im Vordergrund steht dabei die Positionierung von Linux als Desktop-System. Dem entspricht auch die Ausrichtung von Corels Linux-Distribution, die durch eine unkomplizierte Installation und eine Windows-ähnliche Benutzerführung den Anwendern entgegenkommt.