CITE-Roundtable

„Innovativ sind wir alle!“

29.01.2014
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Auf dem CITE-Roundtable der COMPUTERWOCHE diskutierten CIOs und Experten darüber, wie es die IT schafft, Wegbereiter für das Business zu bleiben, ob dazu spezielle Prozesse benötigt werden und woher man Zeit und Geld dafür nimmt.
Die Diskussionsrunde (v.l.n.r.): CW-Chefredakteur Heinrich Vaske, Pascal Matzke (Forrester), Dr. Enrico Senger (Schindler), Herby Marchetti (ProSieben Sat Eins), Günter Weinrauch (ADAC) und Joachim Dütz (MAN).
Die Diskussionsrunde (v.l.n.r.): CW-Chefredakteur Heinrich Vaske, Pascal Matzke (Forrester), Dr. Enrico Senger (Schindler), Herby Marchetti (ProSieben Sat Eins), Günter Weinrauch (ADAC) und Joachim Dütz (MAN).

Geht es um das Thema Innovation, stehen deutsche IT-Entscheider aus Sicht von Forrester-Analyst Pascal Matzke häufig noch ganz am Anfang. Realistisch betrachtet behandle sein Team mit 70 bis 75 Prozent der CIOs in Deutschland noch immer hauptsächlich Grundlagen, berichtet er: „Wir sprechen viel über ByoD, über Mobility, machen uns zu sehr an der Technik fest, mit Silos wie Mobility oder Enterprise Architektur, aber das, was wirklich die Innovation des Business ausmacht, passt in keines der Silos.“

Matzke überrascht diese unschöne Ist-Situation allerdings kaum: Aus der üblichen IT-Organisationsstruktur heraus sei Innovation sehr schwer zu liefern, meint er. Besonders traurig findet es der Forrester-Experte, dass es in der gesamten heimischen Autoindustrie, wo IT immer mehr Einzug in das Endprodukt halte, und es um primäre Wertschöpfung gehe (Stichwort Connected Cars), keinen einzigen CIO gebe, der dezidiert in die Entwicklung involviert sei. Dieses Beispiel zeige ihm, wo man in der Realität stünde und wo es großen Nachholbedarf gebe.

Eingespannt ins Tagesgeschäft

Mit dieser Aussage provoziert Matzke in der Diskussionsrunde allerdings auch Widerspruch: Im VW-Konzern sei man anders unterwegs als dargestellt, wirft Joachim Dütz, Vice President Information Systems & Organization bei MAN, ein und weist darauf hin, dass Connected Cars in der IT bei VW ein zentrales Innovationsthema sei – mit je einem Innovation Lab im Silicon Valley und in Berlin. Und auch der MAN habe Volkswagen-CIO Martin Hofmann das Thema nun auf den Weg mitgegeben. Ein generelles Problem sei es laut Dütz, wie man neben dem Tagesgeschäft – Stichwort Delivery – und Projekten mit den Kunden noch regelmäßigen Platz für Innovation schaffe: „Wir sind darauf sozialisiert, in Projekten und Budgets zu denken – wo ist da noch Platz dafür?“, so seine Frage.

Er selbst habe aus der Not eine Tugend gemacht, und sammle momentan aus dem IT-Bereich Ideen dafür ein, was ein Next-Generation-Process der Kunden werden könnte, berichtet Dütz. Anschließend hätten speziell aufgestellte Innovations-Teams acht Wochen lang Zeit, um Prototypen zu bauen und zu zeigen, dass es funktioniert. Ein institutionalisiertes Innovations-Management habe die MAN-IT allerdings nicht – noch nicht, fügt Dütz mit Blick auf die Labs der Wolfsburger Konzernmutter hinzu: Er glaube fest, dass sich hier kein Unternehmen mehr verschließen könne. Die Innovationsthematik sei zu wichtig, um im Markt, aber auch intern erfolgreich zu sein.

ADAC-CIO Günter Weinrauch sieht die Sache etwas gelassener als sein Kollege bei MAN: Er habe 300 Leute, die technologisch sehr versiert seien, bereichsübergreifend dächten und den Elan hätten, neue Themen anzugehen. Daher müsse er selbst keine Innovation betreiben. Es genüge, die Roadmaps festzulegen, den eigenen Leuten Freiräume zu schaffen, ein Incentive zu bieten – um dann aus dem Weg zu gehen, konstatiert Weinrauch. Deswegen habe er auch kein Innovationsteam, aber dafür ein Innovations-Budget und einen Prozess, auf den er aufbauen könne. Die alten Funktionen, nämlich die Aufgabe der IT, dem Business den Rücken frei zu halten, blieben daneben natürlich erhalten, versichert Weinrauch. Gleichzeitig werde aber die Kür immer wichtiger, um nicht nur zu reagieren, sondern auch zu agieren. Und wenn er ehrlich sei, bekennt der ADAC-CIO, dieser Teil sei auch das, was richtig Spaß mache.

Spielwiese für Innovationen

Mit Spaß bei der Arbeit scheint sich auch Herby Marchetti, Strategy & Innovation Officer bei ProSieben Sat1 Media AG, auszukennen: Seine Abteilung betreibt ein eigenes Tech Lab, wo die neuesten Gadgets und Prototypen ausprobiert werden, also etwa Virtual-Reality-Systeme und ferngesteuerte Autos, die bei der Videoproduktion helfen können. Ziel sei es, so Marchetti, damit die Business Units zu begeistern und Wissens-Management zu betreiben. Er selbst sei in der IT-Abteilung unterhalb des CIOs angesiedelt und sehe sich in einer Art Übersetzerrolle für die Kommunikation mit der Fachabteilung. Diese Rolle sei wichtig, da bei Innovation kein Silodenken aufkommen dürfe, erklärt Marchetti.

Der gelernte Betriebswirt mit – als typischer Millennial – sich selbst beigebrachten IT-Know-how weist außerdem darauf hin, dass man Innovation durchaus auch prozessional gestalten könne. So habe die Sendergruppe einen eigenen Accellerator gegründet, um extern den Zugang zu Innovation zu sichern. Dabei würden pro Phase bis zu sieben Startups gefördert – mit Geld, Workspace, Mentoring oder Hochschulkooperationen. Zusätzlich gebe es noch ein internes Innovation Camp. Für dieses würden Mitarbeiter freigestellt, um binnen zwei Monaten ein Geschäftsmodell auszuarbeiten.