Innovationsschub bleibt aus

13.12.2004
Trotz zahlreicher Initiativen stottert Deutschlands Innovationsmotor weiter. Die Bildungsreform droht im politischen Kompetenzgerangel unterzugehen. Firmengründer klagen über zögerliche Investoren.

Forschungsministerin Edelgard Bulmahn hatte sich für das Jahr 2004 viel vorgenommen. Mit zahlreichen Initiativen wollte die 53-jährige SPD-Politikerin den Innovationsmotor in Deutschland wieder ankurbeln. Rückendeckung bekam sie vom Kanzler. Gerhard Schröder erklärte das Thema kurzerhand zur Chefsache. "Wir wollen Deutschland bei Erfindungen, bei Innovationen in Forschung und Technik an der Weltspitze sehen", gab er in seiner Neujahrsansprache für 2004 die Richtung vor.

Durch etliche Maßnahmen versuchten das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), die Vorgabe ihres obersten Dienstherrn umzusetzen. Im Rahmen des "Hightech-Masterplans" sollten Firmengründer mit ausreichend Kapital versorgt werden. Zahlreiche Veranstaltungen zum "Jahr der Technik 2004" sollten das Interesse der Jugend wecken. Mit ihrer Exzellenzinitiative wollte Bulmahn Eliteuniversitäten küren, die die deutsche Forschung wieder auf Weltniveau hieven sollten.

"Nichts auf die Beine gestellt"

"Rhetorisch und Marketing-technisch ist eine Menge passiert", höhnt Ulrike Flach (FDP), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technologieabschätzung. Konkretes sei aber kaum herausgekommen. Flach kündigte an, Mitte Dezember mit einer offiziellen Anfrage im Bundestag von der Regierung eine Bilanz ihrer Initiativen einzufordern. Naturgemäß findet auch Katherina Reiche, Bundestagsabgeordnete der CDU, nur harsche Worte: "Bis auf die Einsetzung von Innovationsräten, Impulskreisen und diversen Untergruppen hat die Bundesregierung nichts auf die Beine gestellt."

"Das Jahr der Technik war ein großer Erfolg", behauptet dagegen Bulmahn. Über 1,1 Millionen Besucher hätten die Veranstalter auf mehr als 1100 Veranstaltungen gezählt. Damit bleibt das Ministerium jedoch hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. So hatten die Initiatoren zu Beginn des Jahres noch über 2000 Veranstaltungen eingeplant.

Unter dem Strich musste Bildungsministerin Bulmahn im abgelaufenen Jahr heftige Rückschläge hinnehmen. So kippte im Sommer 2004 das Bundesverfassungsgericht die bereits 2002 von der Bundesregierung beschlossene Junior-Professur. Mit befristeten Anstellungsverträgen sollten begabte jüngere Wissenschaftler im Land gehalten werden. Die Richter bemängelten vor allem die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Damit standen rund 600 Nachwuchswissenschaftler plötzlich vor einer ungewissen beruflichen Zukunft. Derzeit bemühen sich die Politiker mit neuen Gesetzen um Rechtssicherheit.

Auch das Konzept der Elite-Universitäten geriet in die politischen Mühlen. So beschloss die Bund-Länder-Kommission Mitte November, einen endgültigen Beschluss aufzuschieben. Gestritten wird in erster Linie um Geld. Die Finanzminister der Länder haben signalisiert, keine zusätzlichen Mittel für Bulmahns Projekt freizugeben. Die Ministerin selbst will 1,9 Milliarden Euro zuschießen, ist dabei jedoch von den finanzpolitischen Richtlinien der Bundesregierung abhängig. Dort wird vor allem mit frei werdenden Mitteln aus der Abschaffung der Eigenheimzulage kalkuliert, die in den Forschungsbereich fließen sollen. Allerdings hat die Opposition den Plan Ende November im Bundesrat abgelehnt, so dass nun der Vermittlungsausschuss tätig werden muss.

Angesichts der drohenden finanziellen Probleme bezeichnet CDU-Abgeordnete Reiche den Etat des Forschungsministeriums als "geschöntes Zahlenwerk voll fingierter Ansätze" - obwohl die CDU mit ihrem Boykott der Regierungspläne in Sachen Eigenheimzulage nicht ganz unschuldig ist. Das im Rahmen einer EU-weiten Selbstverpflichtung definierte Ziel, ab 2010 drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, rücke damit in weite Ferne. Derzeit liegt der Anteil bei rund 2,5 Prozent.

Aber auch die heutigen Oppositionsparteien haben während ihrer Regierungszeit in Sachen Forschungspolitik nicht gerade geglänzt. Zwar weist Reiche Bulmahns Vorwurf, sie müsse immer noch die Unzulänglichkeiten der Ära Kohl aufarbeiten, zurück. Allerdings hat die CDU/CSU-FDP-Koalition den Forschungsetat zwischen 1992 und 1998 um insgesamt 670 Millionen Euro gekürzt.

Bulmahn verteidigt ihren Haushalt gegen die Vorwürfe der Opposition. So sei es gelungen, den Forschungsetat seit 1998 um 2,37 Milliarden Euro zu erhöhen. Das entspreche einer Steigerungsrate von 38 Prozent. Die Mittel für den Hochschulbereich lägen mit rund 3,4 Milliarden Euro knapp 27 Prozent über dem Niveau von 1998. "Es ist falsch, wenn man die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Forschung klein redet und Horrorszenarien an die Wand malt", so das Fazit der Ministerin.

Trotzdem muss auch das BMBF sparen. Zu spüren bekam das die Initiative "Jugend forscht". Zwar finanziert Berlin die Organisation weiterhin, jedoch wurden Anfang 2004 kurzerhand 50000 Euro für besonders engagierte Schulen gestrichen. Eine Maßnahme, die im Jahr der Technik auf Unverständnis stieß, zumal sie sich mit Bulmahns Motto "Nur wer als kleiner Erfinder gestärkt wird, kann später ein großer Entdecker werden", denkbar schlecht vertrug.

Die klammen Kassen schwächten noch eine andere Offensive. Schon seit 2002 sollten im Rahmen des auf vier Jahre angelegten Förderprogramms "IT-Forschung 2006" rund 3,6 Milliarden Euro in Projekte der öffentlichen Hand fließen. Davon war laut einer Zwischenbilanz des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) bislang noch wenig zu spüren. Ausschreibungen liefen nur zögerlich an, Bewilligungs- und Finanzierungsverfahren verzögerten sich zum Teil enorm, moniert Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Allerdings gebe es Signale, dass die Initiative an Fahrt gewinnen könnte.

Gelder fließen zu langsam

Vor allem bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte erkennt der Bitkom in Deutschland Defizite. Mit verschiedenen Fördertöpfen wollte die Regierung im Rahmen des Hightech-Masterplans Abhilfe schaffen. Zwar zeigen nach Angaben des Business Angels Netzwerks Deutschland (Band) der zu Jahresbeginn eingerichtete EIF/ERP-Dachfonds sowie der seit 1. November aufgelegte Startfonds, über die in den kommenden fünf Jahren rund 750 Millionen Euro in junge Unternehmen investiert werden sollen, erste Wirkung.

In Sachen Frühphaseninvestitionen liege Deutschland derzeit aber unter dem Niveau von 1998, warnte jüngst der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Rezzo Schlauch. Der seit langem angekündigte Hightech-Gründerfonds mit einem Volumen von 240 Millionen Euro steht und fällt mit der Entscheidung über die Eigenheimzulage.

Venture Capital scheut Risiko

Auch Venture-Capital-(VC-)Geber scheuen weiter vor Investitionen in diesem Bereich zurück. Laut einer Statistik des Bundesverbands deutscher Kapitalgesellschaften (BVK) stiegen zwar im dritten Quartal 2004 die VC-Aktivitäten gegenüber dem Vorquartal von 219 auf über 272 Millionen Euro. Jedoch brach der Early-Stage-Bereich mit einem Volumen von knapp 60 Millionen Euro weiter ein. Im vorausgegangenen Quartal hatten Gründer immerhin noch fast 76 Millionen Euro erhalten.