Accenture Innovation Forum

Innovationen fallen nicht vom Himmel

19.04.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auf dem Innovation Forum von Accenture drehten sich alle Diskussionen um die Frage, wie sich Innovationen im Tagesgeschäft umsetzen lassen. Die Technik dafür ist da, sagt Frank Riemensperger, Accenture-Geschäftsführer für die DACH-Region. Jetzt gehe es darum, Innovation zu skalieren.

"Innovationen sind die Basis unseres Wohlstands und die Problemlöser für unsere gesellschaftlichen, demografischen und ökologischen Herausforderungen", sagte der frisch gebackene Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier anlässlich des "Deutschen Innovations­preises 2018", der am Abend des 13. April in verschiedenen Kategorien in München verliehen wurde. Der CDU-Politiker unterstrich, wie wichtig Erfindungsreichtum für den deutschen Wirtschaftsstandort sei.

Eine Idee zu haben reicht nicht - es braucht auch den Willen und die Prozesse, diese Idee groß zu machen und im eigenen Geschäft zum Blühen zu bringen.
Eine Idee zu haben reicht nicht - es braucht auch den Willen und die Prozesse, diese Idee groß zu machen und im eigenen Geschäft zum Blühen zu bringen.
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Dass es nicht immer einfach ist, Innovationen anzustoßen und vor allem auch umzusetzen, zeigte sich zuvor auf dem Innovation Forum von Accenture, einem der Mitinitiatoren des Deutschen Innovationspreises, der seit 2009 vergeben wird. Aus Sicht von Mark Turrell, Zukunftsforscher, Visionär und Gründer diverser Startups, liegt das Hauptproblem, das viele Unternehmen mit der Innovation haben, in der fehlenden Skalierung. Viel zu oft sei der Fokus auf Kreativität und den Bau von Piloten und Prototypen gerichtet. Wie Innovationen in der Folge das eigene Geschäft voranbringen sollen, daran dächten die Verantwortlichen meistens zu wenig und auch zu spät. „Definieren Sie ein klares Ziel“, riet der in Berlin lebende Brite den Anwenderunternehmen. Das verändere den Fokus – man müsse auf einmal anders denken und auch seine Perspektive verändern.

Unternehmen denken um

In vielen Unternehmen findet derzeit tatsächlich ein Umdenken statt, wie der Innovationsprozess aus den Laboren und Experimentierstuben herausgeholt und im alltäglichen Geschäftsbetrieb verankert werden kann. Der Pharmakonzern Novartis hat dafür einen Fünf-Punkte-Plan aufgestellt, berichtete Chief Technology & Digital Officer Elizabeth Theophille. Er umfasse Technik, Organisation und Prozesse, aber auch jeden einzelnen Mitarbeiter. So baut die Managerin derzeit an einer zentralen digitalen Plattform für Novartis, ­deren vorrangiges Ziel sein soll, mehr aus den vorhandenen Daten herauszuholen. Der Konzern sitze schließ­lich auf einem wahren Schatz aus über Jahre und Jahrzehnte gesammelten medizinischen Informationen.

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Genauso gehe es aber auch darum, veraltete Prozessstrukturen aufzubrechen sowie die Abläufe stärker zu automatisieren und damit effizienter zu ­machen – und zuletzt auch die Mitarbeiter zu motivieren, anders zu denken. Die angestrebten Veränderungen reichen tief. Man werde "das gesamte Unternehmen digitalisieren und damit die DNA verändern", kündigte Theophille an. Die 120.000 Mitarbeiter müssten in der Lage sein, Ideen zu kreieren und diese dann auch umzusetzen. Davon verspreche sich Novartis auch einen Motivationsschub unter den Beschäftigten.

Revolution Kundenverhalten

Auch Markus Pertlwieser, der für die Digitalstrategie der Deutschen Bank verantwortlich zeichnet, rüttelt an den Grundfesten des etablierten Geschäftsmodells. "Was ist Bank im digi­talen Zeitalter?", fragte der Manager und schob gleich nach: "Hat eine Bank dann überhaupt noch eine Bilanz?" Dreh- und Angelpunkt von Pertlwiesers Digitalisierungsstrategie ist die Kundenbeziehung. Die Revolution drehe sich nicht um Technik: "Die Revolution ist das Kundenverhalten." Nachdem die Deutsche Bank zunächst versucht habe, mit einzelnen Services Innovationen ­voranzutreiben, rücke nun die Platt­form in den Vordergrund, so Pertlwieser.

Über 200 Teilnehmer diskutierten auf dem Innovation Forum von Accenture am 13. April in der Ziegelei in München die Frage, wie sich Innovationsprozesse so aufsetzen lassen, dass sie das laufende Business voranbringen. Dabei ging es weniger um die Technik. Im Vordergrund standen Organisation, Prozesse und die Mitarbeiter.
Über 200 Teilnehmer diskutierten auf dem Innovation Forum von Accenture am 13. April in der Ziegelei in München die Frage, wie sich Innovationsprozesse so aufsetzen lassen, dass sie das laufende Business voranbringen. Dabei ging es weniger um die Technik. Im Vordergrund standen Organisation, Prozesse und die Mitarbeiter.

Dafür müsse man sich öffnen und mit Partnern, aber auch dem Wettbewerb zusammenarbeiten. "Man kann keine Plattform alleine bauen", lautete sein ­Fazit. Der Digitalchef ist zuversichtlich, dass die Unternehmensführung diesen Wandel tragen wird. Auch Manager jenseits der 50 Jahre hätten keine Scheu, sich mit Technik ausein­an­derzusetzen. Das sei keine Frage des Alters – im Gegenteil. "Hundert 20-Jährige aus dem ­Silicon Valley zu holen, um die Digitalisierung der Deutschen Bank voranzutreiben, wäre der falsche Weg", stellte Pertlwieser klar.

Er räumte allerdings auch ein, dass der digitale Aufbruch für das altehrwürdige Finanzhaus nicht einfach sei. Den Posten Research & Development finde man in den Bilanzen der Banken nicht, so der Manager. Das zeige ein strukturelles Problem.

Evonik bereitet Kreativen eine Spielwiese

Dagegen hat der Spezialchemie-Konzern Evonik den Innovationsprozess längst institutionalisiert. Ulrich Küsthardt, seit Anfang 2015 Chief Innovation Officer bei den Essenern, baut auf die weitgehend autonom agierende strategische Innovationseinheit Creavis. Dort wird interdisziplinär an transformativen Innovationen geforscht. In sogenannten Projekthäusern finden interne Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Abteilungen, aber auch externe Spezialisten zusammen.

Was ist was im Innovation Management

Auch für Alexander Graf, verantwortlich für das IoT-Lab des Automobilzulieferers ZF Friedrichs­hafen, ist die Frage, wie sich Innovation organisatorisch in Unternehmensstrukturen verankern lässt, von größter Bedeutung. Startups und Konzerne seien im Grunde wenig aufeinander vorbereitet, stellte der Manager fest. "Turnschuhe anziehen reicht nicht", sagte Graf, es brauche die richtigen Leute. Der Manager empfahl, Fehler zuzulassen und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, zu belohnen. "Aber noch wichtiger ist es, aus Fehlern zu lernen."

Das haben die Gewinner des Deutschen Innovationspreises 2018 offensichtlich getan: Die Unternehmen Adidas, Thyssenkrupp Elevator, Buderus Guss und Coldplasmatech haben die Jury mit ihren Innovationen am meisten überzeugt. Außerdem wurde Obi Felten, Chefstrategin bei Google X, als „Future Thinker“ geehrt. Sie empfahl den Unternehmen, in Sachen Innovations-Management den richtigen Fokus zu setzen. "Wenn Sie einen Affen wollen, der auf einer Säule steht und Goethe rezitiert, dann suchen Sie zuerst den Affen. Wie man eine Säule baut, wissen wir alle."