Start-ups greifen an

Innovation Labs gegen Digitale Piranhas

18.11.2015
Von Redaktion CIO

"Innovation ist aber eine Aufgabe für alle Abteilungen und Mitarbeiter, und man muss die eigene Organisation öffnen", sagt der Transformationsexperte. Schließlich verschwimmen traditionelle Kategorien zunehmend, und die neuen Wettbewerber ziehen schnell über alte Grenzen hinweg. "Digitale Innovation ist cross-funktional, weshalb sie auch übergreifende Teams aus IT, Marketing, Vertrieb und Engineering haben müssen, die die gleiche Sprache sprechen."

Innovation Labs bei Volkswagen, Ergo und Klöckner

Immer mehr Unternehmen eröffnen daher auf der grünen Wiese "Labs" mit Startup-Charakter, in denen Menschen aus allen Abteilungen und abseits des Betriebs gemeinsam Ideen fangen, ausgestalten und realisieren können. Dazu zählen etwa der Schweizer Aufzughersteller Schindler mit einer Firma für Digital Business, der Versicherer Ergo mit einem digitalen Lab in Berlin, die Volkswagen AG mit dem Data Lab sowie der Stahl- und Metallhändler Klöckner mit seinem Lab "kloeckner.i". Im Mittelpunkt: Die digitale Transformation und ihre Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Produkte und Services. Hinzu kommen Beratungsgesellschaften wie beispielsweise Capgemini, die weltweit neun "Innovation Labs" betreiben. Deren "Flagship Lab" sitzt naturgemäß in San Francisco, eine weitere Niederlassung befindet sich in München.

Einrichtungen wie beispielsweise von Capgemini, dienen als Plattform, auf der Kunden des Unternehmens gemeinsam mit Technologieanbietern, Wissenschaftlern, Startups und Beratern Ideen zur Digitalisierung ausprobieren, mit Technologien spielen und Erfahrungen sammeln können. Der Prozess selbst dauere nicht mehr wochenlang, sondern laufe in der Regel deutlich schneller ab, sagt Capgemini-CTO Dumslaff. "In dieser Zeit kann das Team einer Idee das nötige Gesicht geben, sie vertiefen und ausbreiten bis hin zu seriösen und integrierbaren Geschäftsprozessen." Zwar sei hier der Anteil der Manager aus Fachabteilungen größer, darunter in erster Linie Produkt-Manager, Marketing-Verantwortliche und Vertriebsexperten. "Ohne den CIO geht es aber nicht, wenn man alles seriös abwickeln, integrieren und keine Rechnungsstellung vergessen will."

IT-Verantwortliche treibe angesichts der Digitalisierung vor allem die Frage um, welche technischen Entscheidungen getroffen werden müssten, damit sich die Fachbereiche erfolgreich in ihrem Wettbewerbsumfeld behaupten können. Integration und Nachhaltigkeit der Entscheidung seien die Schlüsselelemente, so Dumslaff: "Der Alptraum ist eine IT-Entscheidung, die in zwei Jahren ins Refactoring gehen muss, weil das System bereits ausgereizt ist." Zudem muss es heute vor allem schnell gehen - dass die IBM Floppy Disk nach der Erfindung erst einmal zwei Jahre in der Schublade verschwand, wirkt in heutigen Time-to-Market-Zyklen ein wenig absurd. "Mit lediglich einem Release pro Jahr holt man seine Fachbereiche nicht mehr ab."

"Sie können zwar alles von außen kaufen, aber sie brauchen den Partner im eigenen Hause, der mit seinem Zielsystem für den strategischen Erfolg geradesteht", sagt CTO Uwe Dumslaff von Capgemini Deutschland zur künftigen Rolle des CIOs in Unternehmen.
"Sie können zwar alles von außen kaufen, aber sie brauchen den Partner im eigenen Hause, der mit seinem Zielsystem für den strategischen Erfolg geradesteht", sagt CTO Uwe Dumslaff von Capgemini Deutschland zur künftigen Rolle des CIOs in Unternehmen.
Foto: Capgemini

CIOs büßen nichts von ihrer Bedeutung ein

Dass der CIO durch die Entwicklung in die reine Betreiberrolle abrutscht, befürchtet Dumslaff nicht. "Sie können zwar alles von außen kaufen, aber sie brauchen den Partner im eigenen Hause, der mit seinem Zielsystem für den strategischen Erfolg geradesteht." Zudem müsse jemand Entscheidungen treffen können, die über das Tagesgeschäft hinausgehen - "er muss magische Fragen nach Skalierbarkeit, nach Elastizität und nach Flexibilität beantworten".

Die Kunst des IT-Leiters sei es, die Integrationskomplexität sowohl auf der fachlichen als auch der technischen Ebene zu verstehen. Zwar hätten viele IT-Elemente inzwischen den "Steckdosen-Charakter" der Commodity: "Jedoch muss sich jeder Verantwortliche bezüglich Betrieb, Privacy oder Sicherheit überlegen, wo die Steckdose sinnvoll ist und wo nicht." Daher werde sich die CIO-Rolle vielleicht verändern, aber nichts von ihrer Relevanz einbüßen.

Ändern werde sich Dumslaff zufolge auch, dass Labs und Firmen in einigen Jahren vermutlich wieder zusammenwachsen. "Wenn wir davon ausgehen, dass Software alles antreibt und Geräte sowie Services gestaltet und differenziert, rücken Fachabteilungen zwangsläufig näher an die IT heran." Dies geschehe aber mit einer anderen Ausprägung der IT, die dann nicht mehr als die ungeliebte Kostenstelle gesehen wird, die alles bremst. Bis es soweit ist, werde man jedoch den Umweg über die Labs nutzen, so der Capgemini-CTO: "Ein wertvolles Ökosystem, in dem zeitlich befristet tiefe Auseinandersetzungen mit einer gemeinsamen Zielstellung und den jeweiligen Kompetenzen und Wertbeiträgen durchgeführt werden."