Softwaremarkt: Fischsterben

Infratest-Studie stellt mangelndes Problembewußtsein der kleinen Anbieter fest

29.02.1980

3. Software-Anbieter:

3. 1 Struktur der Software-Anbieter

Nicht nur die Zahl der DV-Anwender ist in den letzten Jahren gewachsen, sondern auch die Zahl der Anbieter im Anwendungssoftware-Markt. Erleichtert durch die niedrigen Markteintritts-Schranken und den Nachfrageüberhang hat sich eine beträchtliche Zahl kleiner Programmierbüros und selbständiger Programmierer im Anwendungssoftware-Markt etabliert: 39 Prozent der Programmierbüros (<= eine Million Mark Umsatz pro Jahr) wurden nach 1975 gegründet; in der gleichen Zeit sind etwa 15 Prozent solcher Software-Hersteller wieder aus dem Markt ausgeschieden, das heißt, es herrscht eine deutliche Fluktuation, die zur Verunsicherung der Anwender beiträgt.

Nur ein Teil dieser Firmen hat sich in seiner Unternehmenstätigkeit auf das Angebot von Anwendungssoftware spezialisiert (Standard-Anwendungssoftware, individuelle Anwendungssoftware, Programmierunterstützung, Anwendungssoftware-Projektmanagement). Für die anderen ist Software ein ergänzendes Angebot zu ihrem eigentlichen Angebotsschwerpunkt (Hardware, Rechenzentrumsleistungen oder Unternehmensberatung etc.):

Durchschnittlicher Anteil der Anwendungssoftware am Gesamtumsatz in Prozent

Software-Häuser > 1 Million Mark Umsatz 67 %

Software-Häuser < 1 Million Mark Umsatz 74 %

(Programmierbüros)

Unternehmensberater 39 %

Hardware-Hersteller 17 %

Rechenzentren 9 %

Die Mehrzahl der Anbieter sind kleine Firmen. Gerade die kleinen Software-Anbieter stellen jedoch in mehrfacher Hinsicht eine "Unbekannte" im Software-Markt dar: Ihre Anzahl ist nicht bekannt, ihre technologische Leistungsfähigkeit, ihre wirtschaftliche Stabilität, ihr Anteil an der Wertschöpfung im Software-Markt und damit ihre Bedeutung für die Marktversorgung der DV-Anwender waren bisher nicht einzuschätzen, ihr künftiges Marktverhalten ist ungewiß.

Die Marktuntersuchung wurde daher so angelegt, daß eine Hochrechnung der Gesamtzahl dieser Software-Anbieter möglich wurde und zuverlässige Aussagen über ihre Struktur und ihr Marktverhalten gemacht werden konnten. Über die von den Anwendern genannten Marktbeziehungen zu den Anbietern ergab das Hochrechnungsmodell, das auch Strukturdaten der persönlichen Anwender- und Anbieterbefragung berücksichtigt, eine Zahl von etwa 1700 bis 2000 Software-Anbietern, mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Software-Erstellung (Software-Häuser und Programmierbüros). Die nebenberuflich tätigen Programmierer sind in dieser Zahl nicht, die Ein-Mann-Betriebe vermutlich etwas unterrepräsentiert enthalten. Die spezialisierten Software-Anbieter machen damit etwas mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Anbieter auf dem Anwendungssoftware-Markt aus (3000 bis 3400).

3. Leistungspotential der Software-Anbieter

Die quantitative und qualitative Angebots-Kapazität der Software-Anbieter wird bestimmt durch die Fachkompetenz und Arbeitskapazität der vorhandenen Mitarbeiter, das anwendungsbezogene Know-how und das produkttechnische softwaretechnologische Know-how.

Im Durchschnitt haben die Unternehmen der Software-Branche zwölf festangestellte und zwei freie Mitarbeiter. Zwar variiert die Zahl der Mitarbeiter in den einzelnen Anbietergruppen etwas, in allen Gruppen haben jedoch über 80 Prozent der Unternehmen weniger als 20 Beschäftigte.

Die Mehrzahl der Mitarbeiter hat eine fünfjährige oder längere DV-Erfahrung. Bemerkenswert hoch ist aber auch der

Technologisches Potential

Anteil von Mitarbeitern mit weniger als drei Jahren Berufserfahrung (20 Prozent).

Eine abgeschlossene Hochschulausbildung hat weit weniger als die Hälfte der Mitarbeiter von Software-Anbietern. Am häufigsten haben die Mitarbeiter in den Positionen "Projektleiter" und "Systemanalytiker" einen Universitätsabschluß.

Jedoch nicht die formale Ausbildung, sondern eher "Verhaltens"-Kriterien erscheinen den Software-Anbietern bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter am wichtigsten: Die Kommunikationsfähigkeit im Team und mit den Kunden steht daher an erster Stelle der Anforderungen an die Mitarbeiter. Daneben gelten Flexibilität und Einsatzbreite als wichtige Qualifikationsmerkmale bei der Auswahl der Mitarbeiter.

DV-Kenntnisse werden höher eingeschätzt als Anwendungs-Know-how. Managementfähigkeiten werden nur von einem Teil der Mitarbeiter erwartet. Bemerkenswert gering geschätzt wird eine akademische Ausbildung. Insgesamt wird ein Mitarbeitertyp mit Praxiserfahrung und Anpassungsfähigkeit an wechselnde Aufgabenstellungen bevorzugt.

Das produktionstechnische Know-how der Anbieter kann aufgrund der eingesetzten Produktionsverfahren bei der Software-Erstellung beurteilt werden.

Produktionstechnisches Know-how

Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Software-Produktionstechnik ist der Grad der Strukturierung des Software-Produktionsprozesses durch einzelne Phasen der Software-Entwicklung.

Die Software-Entwicklung in mehreren in sich abgeschlossenen Phasen durchzuführen, gilt in der Fachwelt als unstrittig richtig. Der Anteil einzelner Entwicklungsphasen ist abhängig vom einzelnen Projekt, aber auch vom Grad der gewünschten Standardisierung des Produktes.

Von den am Markt tätigen Software-Anbietern arbeitet fast ein Drittel unstrukturiert, das heißt, ohne Phasenkonzept. Besonders ausgeprägt ist die "ganzheitliche" Software-Entwicklung bei selbständigen Programmierern.

Von jenen Software-Entwicklern, die nach getrennten Phasen arbeiten, werden meist nur zwei Phasen der Programmentwicklung genannt: Diese Software-Hersteller trennen nur grob die Phase der Aufgabenuntersuchung (63 Prozent) von der Realisierungsphase (58 Prozent).

28 Prozent der Software-Anbieter sind für alle oder mehrere Branchen tätig ("Branchengeneralisten"). 72 Prozent der Software-Anbieter haben sich auf eine bestimmte Branche spezialisiert ("Branchenspezialisten"). Der Anteil der Branchenspezialisten ist unter den Programmierbüros etwas höher als unter den Software-Häusern. Jedoch hat sich auch die Mehrzahl der größeren Software-Anbieter spezialisiert.

Wirtschaftliches Leistungspotential

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bestimmt wesentlich die Stabilität, den finanziellen Spielraum und die Investitionsmöglichkeiten in Eigenentwicklungsprojekten. Ein Indikator hierfür ist die Kapitalausstattung.

Fast die Hälfte der Software-Anbieter hat eine Kapitaleinlage von weniger als 50 000 Mark. Damit sind die Finanzierungsmöglichkeiten von Eigenentwicklungen stark eingeschränkt. Die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung sind aufgrund der geringen Kapitalausstattung ebenfalls gering; der Eigenkapitalanteil liegt daher zwischen 70 Prozent und 90 Prozent.

Die Analyse des wirtschaftlichen Leistungspotentials der Software-Anbieter zeigt, daß die Mehrzahl der überwiegend unterkapitalisierten Software-Anbieter kaum in Entwicklungsprojekte wie Standard-Anwendungssoftware, Turnkey-Systeme, Software-Werkzeuge und ähnliches investieren kann. Der Markt verlangt jedoch von den Software-Anbietern zunehmend flexible Standardlösungen. Daher bemühen sich die meisten Software-Anbieter auch, Eigenentwicklungen durchzuführen. Aufgrund ihrer geringen finanziellen Kapazität handelt es sich hier überwiegend um die Generalisierung von Kundenentwicklungen, die mit relativ wenig Aufwand für den späteren Einsatz bei anderen Kunden vorbereitet werden.

Die meisten Software-Anbieter verfügen im allgemeinen nicht nur über geringe finanzielle Kapazitäten und ein geringes technologisches Potential, sondern haben auch nicht das marktstrategische Wissen, um mit Standard-Anwendungssoftware aktive Marktpolitik betreiben zu können. Die Software-Anbieter betreiben daher Marktlückenpolitik.

Entsprechend ihren Angebotsschwerpunkten sehen sich die größeren Softwarehäuser vor allem mit anderen Softwarehäusern in Konkurrenz, kaum jedoch mit kleinen Programmierbüros und selbständigen Programmierern. Die kleinen Programmierbüros spüren dagegen sowohl die Konkurrenz der Hardwarehersteller,

Marktstrategisches Potential

der größeren Softwarehäuser wie auch vergleichbarer Firmen. Für die Unternehmensberatungen haben die großen Hardwarehersteller als Konkurrenten eine geringere Bedeutung als die ebenfalls zum Teil stark beratungsorientierten großen Softwarehäuser. Es wird angenommen, daß sich der Wettbewerb durch die großen Hardwarehersteller verschärft und damit auch der Wettbewerb der Softwarehäuser und Programmierbüros zunehmen wird.

3. 3 Resümee der Angebotsentwicklung

Gerade die kleinen und mittleren Softwarehersteller nutzen insbesondere beim Angebot individueller Anwendungssoftware-Entwicklung oder von Programmierunterstützung die Kostenvorteile kleiner Organisationen im Preiswettbewerb mit den großen Hardwareherstellern. Die großen Hardwarehersteller überlassen daher diese Teilmärkte, auf denen sie traditionell kaum tätig waren, weitgehend den übrigen Software-Anbietern.

Bei sinkenden Hardwarepreisen und wachsender Bedeutung des Software- und Dienstleistungsangebotes konzentrieren sich die Hardwarehersteller jedoch auf den Aus- und Aufbau der Substitutionskonkurrenz durch Standard-Anwendungssoftware und softwaretechnologische Methoden und Werkzeuge zur Produktivitätssteigerung bei der Eigenentwicklung. Es besteht eine starke Tendenz zu einer weiteren Marktausweitung durch die großen Hardwarehersteller. Die Hardwarehersteller werden ihr Anwendungssoftware- und Dienstleistungsangebot insbesondere deshalb ausbauen, um die durch sinkende Hardwarepreise frei werdenden Budgets der Anwender auf sich zu ziehen. Sie kommen damit aber auch den Forderungen ihrer Kunden entgegen, die vom Hardwarehersteller eine Lösung ihres "Anwendungs-Backlogs" erwarten und bereit sind, zunehmend auch standardisierte Lösungen zu akzeptieren.

Auch den Software-Anbietern ist jedoch die Forderung der DV-Anwender nach einem Angebot von standardisierten Anwendungslösungen und nach mehr Softwareprodukten bekannt. Daher führen sogar sehr kleine Anbieter mit geringer Kapazität zum Teil Eigenentwicklungen von Standard-Anwendungssoftware durch.

Die Analyse der Produktionsmethoden der Software-Anbieter und ihres wirtschaftlichen Potentials hat gezeigt, daß die überwiegende Mehrheit der Anbieter für die Entwicklung von Standard-Anwendungssoftware nicht in geeigneter Weise ausgestattet ist. Wird fortgesetzt