Serie

Informatoinsanalyse statt Organisations-Strukturuntersuchung Folge 2

31.10.1980

Nicht, daß man solche nicht sachbezogenen Dinge wie Rivalitäten nicht durch persönliche Fragen ventilieren dürfte, man sollte sie nur anders gewichten, zum Beispiel, wenn über menschengerechte Gestaltung der Informationstechnik gesprochen wird, muß zuerst mit den Menschen in den Organisationsstrukturen geredet werden, nicht um sie von der neuen Technik zu überzeugen, sondern damit sie in ihrer (Fach-) Sprache Arbeitsplatz, Aufgaben und ihre Infommationswünsche schildern und selbst strukturieren können. Sobald der angesprochene Mitarbeiter merkt, daß er fachlich mitgestalten kann, äußert er "reibungslose" Vorschläge, und die Konkurrenz im persönlichen Bereich tritt zurück zugunsten einer Konkurrenz um die positivere Gestaltung. Die individuellen Einstellungen dazu ändern sich durch das partizipative Mitgestaltenkönnen. Beginnt man dagegen mit der Abfrage bereits tradierter Werthaltungen, so stößt man früher oder später ohnehin auf Führungsfehler und das "hierarchische Syndrom". Die offenkundige Herausforderung "Wie hätten Sie's denn gerne?" im Fassadenwettbewerb bringt kaum geeignete Einstiege in der Anwendung neuer Infommationstechniken, sondern höchstens eine irreale Verarbeitung: die angebliche Automatisierung als Denkalibi.

Es gilt also, Reibungsverluste, soweit sie vorhersehbar sind, tunlichst bei Reorganisationen zu vermeiden. In eingespielten Arbeitsgruppen wird erfahrungsgemäß die interne Kommunikation als gut bezeichnet. Umgekehrt, falls gestörte Kommunikationsbeziehungen in Betrieben und Verwaltungen vorliegen, wird man dort eher Reibungsverluste vermuten können. Das bedeutet zugleich daß sich in eingespielten Arbeitsgruppen und Projektteams Rationalisierungserfolge bei Umstellung auf EDV schwerlich einstellen werden, da hier keine nennenswerten Friktionen zu beseitigen sind. Rationalisierung allein aus Gründen des wirtschaftlichen Kalküls? Selbst wenn gewissenhaft die Investitionen und Kosten zur Datenerfassung, -übermittlung und -auswertung miteinbezogen worden sind, dürfte eine neuerliche Kommunikationsanalyse selbst bei eingespielten Teams die ersten Reibungen nach der als fragwürdig empfundenen Umstellung zutage treten lassen. Anders ausgedrückt, heißt das, in von Hause aus schlechten Organisationen wird die Ablehnung einer Umstellung vordergründig.

Die Widersprüchlichkeiten

In einer Verwaltung, die aus Vorgesetzten und Untergebenen gebildet wird, spiegelt die Weiterleitungsregel für Informationen, gar wenn dabei noch die Wichtigkeit vorgekehrt werden kann, den sozialen Status oder die sogenannte Verantwortung wider. Aufwärtsinformationen über wichtige Dinge sind beliebt. Abwärtsinformationen- der Vorgesetzte informiert seine Untergebenen - sind weniger beliebt; es sei denn, aus Wichtigtuerei erfolgt eine Art Befehlsempfang, zum Beispiel in Postbesprechungen, wo Nebensächliches breitgetreten wird. In der Regel erfolgt in beiden Fällen eine Selektion nach Notwendigkeit und Dringlichkeit - eine Informationsverdünnung. Dabei waren die ersten, utopischen Management-informationssysteme durchaus für die Verdichtung von Informationen je Hierarchie-Ebene ausgelegt. Die Pyramidenkletterer hatten erstens die natürliche Verdünnung übersehen, zweitens das Bestreben der unteren Ebenen, wichtige Informationen mit sehr viel Redundanz auszustatten - aus Gründen sicherer Weitergabe und infolge von Wichtigmacherei. Das führte an der Spitze der Pyramide zu einem Überhang an Informationen, obwohl niemand vollumfänglich über alles Wichtige informiert sein konnte. Die Vorstellung, daß ein allwissender Regler die Steuerung der Informationszuweisungen übernimmt, mag für die damaligen Organisationstechnologen reizvoll gewesen sein, aber die semantischen Grenzen der Informationsverdichtung wurden verkannt.

Die Widersprüchlichkeiten zur Reorganisations-Akzeptanz und zur Informationsverdünnung anstelle der gewollten Verdichtung gehen zu Lasten der herkömmlichen Analyseverfahren und Beschreibungsmittel. Wie eingangs erwähnt, erfordern die meisten Organisationsuntersuchungen sehr viel Aufwand. Vielfach wird schlicht zuviel abgefragt. Manche Interviewer verlieren sich in Tiefenbefragungen und werden zu Beichtvätern, ohne daß sie das gebeichtete Geheimnis für sich behalten könnten. Selbstverständlich gehört das humane Umfeld mit in jede Systementwicklung; jedoch ist es ein Fehler, bereits bei der Istzustand-Aufnahme mit der Motivation für eine funktionale Umstellung zu beginnen. Mit Gruppenbefragungen werden gruppendynamische Prozesse vorzeitig in Gang gesetzt. Systemanalytiker neigen oft dazu, ihren eigenen Erwartungshorizont genau in den Stellungnahmen der Betroffenen "wiederzufinden", denn sie pflegen für sich ebenfalls die Informationsverdünnung.

Wird fortgesetzt