Mitveranstalter des Orgatechnik-Congresses resümieren:

Informationstechnik ist Sache der Anwender

02.11.1984

MÜNCHEN - Die größte deutsche Fachmesse für Büroorganisation, "Orgatechnik", hat soeben ihre Pforten geschlossen, die Produktinnovation für die Bürowelt aus den letzen beiden Jahren wurde wieder eingepackt. Offen bleibt die Frage, ob all dies, was hier zu sehen war, vom Anwender in praxisnahe Bürolösungen umgesetzt werden kann. Den Weg dahin weisen sollten die Veranstaltungen des Orgatechnik-Congresses. Veranstalter und ideelle Unterstützter sind Fachverbände und -organisationen, hauptsächlich der Datenverarbeitung- und Büroautomation-produzierenden Branche, deren Mitglieder in den Hallen um die Gunst der Besucher buhlten - Anlaß für die CW, einige Dachverbände über eine Einschätzung des heutigen Büromarktes zu befragen. Fazit: "Auch die schönsten Produkte nützen wenig, wenn der Anwender die Veränderungen nicht akzeptiert, die neue Informationstechniken mit sich bringen", kritisiert beispielsweise der ZVEI.

Der Veranstalter, die Deutsche Telecom e.V., Köln, sieht sich dabei noch immer mit der Frage konfrontiert, welches Problem größer sei: Mangelnde Transparenz bei neuen Telekommunikationstechnologien oder fehlende organisatorische Strategien.

Aus der Themenfülle des Congresses sei ersichtlich, daß beide Probleme gleichbedeutend sind: "Gerade aus der ständig wachsenden Vielfalt von Geräten und Diensten ergeben sich eine Fülle von Realisierungsvarianten, die nur durch planvolle organisatorische Strategien zielgerichtet genutzt und eingesetzt werden können." Hier würde sich ein iterativer Prozeß zwischen Planungs- und Realisierungsschritten ergeben. Wenn es den Anwendern nicht gelänge, die Auswirkungen der Telekommunikationstechnologien auf die Organisationsstruktur zu erkennen und dies zu berücksichtigen, würde man sich weiterhin die Frage stellen, ob der Nutzen moderner Bürokommunikationssysteme beim Anwender nachweisbar ist und damit den Anschluß mit Sicherheit verpassen.

Die vielfach beklagte mangelnde Transparenz bei den neuen Telekommunikationstechnologien würde zudem so lange anhalten, wie die DV-Hersteller sich einer sinnvollen und dem Anwender nutzenden Normierung und Standardisierung weiter entziehen. Die Deutsche Telecom geht jedoch davon aus, daß "sich die positiven Erfahrungen im Bereich der Nachrichtentechnik Zug um Zug auf den Daten- und Textbereich ausweiten" wird. "Offene Kommunikation" sei hier das Stichwort, bei dem der Deutschen Bundespost eine wesentliche Aufgabe zukommt. Obwohl das "Integrated Services Digital Network" (ISDN) in der ersten Stufe noch schmalbandig (144 KBit/s) ausgelegt sein wird, so sei doch durch die Schaffung einer einheitlichen Schnittstelle ein großer Schritt in Richtung Transparenz getan.

BVB: Eindrucksvolle Steigerungsraten

Der Bundesverband Vertriebsunternehmen Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik e.V. meldet aus Bad Homburg für seinen Wirtschaftszweig "eindrucksvolle Steigerungsraten". Heinrich Stehmann, Geschäftsführer des BVB nannte kürzlich Zahlen: Die Produktion von Geräten der Büro- und Datentechnik konnte im 1. Halbjahr 1984 um 20,4 Prozent auf mehr als 6,7 Milliarden Mark gesteigert. werden. Die Einfuhr stieg um 27,8 Prozent auf 5,6 Milliarden Mark, die Ausfuhr um 16,8 Prozent auf 5,1 Milliarden Mark. Damit habe sich das daraus resultierende Inlandsangebot (Produktion plus Import minus Export) um fast 30 Prozent (von 5,6 im ersten Halbjahr 1982 auf mehr als 7,2 Milliarden Mark im gleichen Zeitraum 1984) erhöht. Trotz streikbedingter Auftragsausfälle im Sommer dieses Jahres erwartet der BVB durch ein traditionell starkes 4. Quartal, daß sich "das Inlandsangebot für das Gesamtjahr 1984 bei mindestens 14 Milliarden Mark einpendeln wird.

Nach BVB-Erfahrungen gehe im Mikrocomputerbereich der Trend eindeutig von 8- beziehungsweise 16-Bit-Rechnern hin zum 32-Bit-Mikro. Gängige Hauptspeichergrößen seien zwar 64 K, 128 K und 256 K, doch auch Mikrocomputer mit 512 K oder mehr als 1 MB gelten nicht mehr als Seltenheit. Massenspeicher von 10 und 20 MB gehören nach BVB-Angaben heute bereits bei einigen Herstellern zur Grundausstattung, vereinzelt würden auch schon Plattensysteme von bis zu 160 MB angeboten.

Wesentliche Verbesserungen im Preis/Leistungs-Verhältnis sei bei den Druckern zu erwarten - die Angebotspalette gehe vom "Low-cost" bis zum "High-performance"-Drucker, darunter korrespondenzfähige Typenraddrucker mit einer Schreibgeschwindigkeit bis zu 90 Zeichen pro Sekunde sowie grafikfähige Ausgabeperipherie mit schwarzem oder mehrfarbigem Druckbild.

Der BVB glaubt, daß die Besucher dieses Jahres besonders beeindruckt waren von der Mehrfunktionalität der präsentierten Mikros. Viele Hersteller würden für diese Geräte bereits "Büroautomations-Packages" für Btx, Teletex, Textverarbeitung Datenfernverarbeitung und Computergraphics anbieten. Zugenommen habe auch das Angebot an LANs und Neuerungen im Bereich der computergestützten Konstruktion, Fertigung und Planung (CAD, CAM, CAE und CIM).

Optische Speicher kein Randgebiet mehr

Beachtenswert sei auch das Angebot an tragbaren Computern (Portables), die zumeist mit einem 4-Zoll-Bildschirm (integriert) angeboten werden.

Die Stückkostendegression bei der Chip-Produktion sowie generell bei der für Herstellung von Büroautomationssystemen habe sich - verstärkt durch den Wettbewerb -günstig auf die Preise ausgewirkt, was auf der Orgatechnik bereits zu verspüren war.

Die Bundespost habe, berichtet der BVB, derzeit für den Teletex-Verkehr mehr als 6000 Endgeräte an das Netz angeschlossen - weitere rund 1300 Anschlußanträge lägen bereits vor: "Für Ende 1984 sollen mehr als 7000 Geräte am Teletexdienst teilnehmen". Auch im Fernkopiererbereich gingen die Anschlußzahlen nach zähen Anfangsjahren in die Höhe.

Optische Informationsspeicher wurden zumeist bei den Diskussionen um die Bürokommunikation nicht gebührend berücksichtigt, kritisiert der Verband der Deutschen Photographischen Industrie: "Diese Speicher haben nicht nur eine Daseinsberechtigung am Rande des Informationsverbundes. Sie gewinnen in Zukunft immer mehr Bedeutung durch höchste Speicherdichten und Flexibilität in der Verfügbarkeit der gespeicherten Information."

Stagnation und Rückläufe seien in anderen Branchenteilen der Informationsverarbeitung durchaus keine Seltenheit, nicht so bei der optischen Speicherung auf Mikrofilm. Hier sei eher das Gegenteil der Fall, behauptet die Geschäftsführung.

Informationstechnologie schafft Wachstumsimpulse

Gerade in diesem Marktsegment gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten, optische Speichertechnologien weiterzuentwickeln: Im Mikrofilmbereich das digitale Aufbereiten der optisch gespeicherten Informationen und das weiter komprimierte Aufzeichnen von Daten mittels Holographie. Zudem biete der Bereich der optischen Speicherplatten interessante und vielseitige Möglichkeiten der Datenspeicherung und -verarbeitung durch reversible Systemkomponenten.

Hierbei wird allein der praktische Einsatz jeweils für die spezifische Anwendung entscheiden, ob der optische Datenträger rechteckig, quadratisch oder rund ist. In jedem Fall wird der Datenträger leichter, kleiner und flexibler sein als der Magnet-Datenträger" so das Orgatechnik-Statement des Verbandes.

Der "Fachverband Datenverarbeitung" des ZVEI hofft, daß die Kölner Leistungsshow einen Beitrag dazu liefern konnte, die "lnformationstechnik" tiefer im Bewußtsein der Anwender anzusiedeln und sie deutlich von der traditionellen Datenverarbeitung abzuheben und vor allem dem, einen Umdenkprozeß zu forcieren: "Märkte entwickeln sich durch das Zusammentreffen von Anwenderbedürfnissen, die Nachfrage auslösen. Von Anbietererwartungen, die vornehmlich von den in der Zukunft realisierbaren Renditen abhängen und der verfügbaren Produkttechnik. Mit der Mikroelektronik verfügen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit über die langersehnte Basisinnovation, die unserer Volkswirtschaft neue Impulse liefert."

Hochtechnologiebranchen würden heute auf Anwendungen im Konvergenzbereich mehrerer Disziplinen zielen. Wortkombinationen wie Optoelektronik, Mechatronik, Biotechnik oder Telematik symbolisierten diese Entwicklung. Der ZVEI resultiert daraus, daß die bislang getrennten Märkte für Produkte der Büro-, Daten- und Nachrichtentechnik immer enger zu einem relevanten Markt zusammenwüchsen. Gründe hierfür seien: Weitgehende Gleichheit der grundlegenden technischen Elemente und Komponenten und die Notwendigkeit für Hersteller, Endprodukte für weitere Innovation untereinander auszutauschen. Für den Ausbau eines Kommunikationsnetzes werde zum Beispiel neben Hard- und Software ein Verbundnetz und zusätzliche Kommunikationsinfrastruktur für den Dialog zwischen den Computersystemen erforderlich.

"Allheilmittel" Informationstechnik

Vor allem die Integration von Hardware-Komponenten und Fortschritte bei der Software-Entwicklung würden neue Anwendungen und deren Vereinfachung im Bürobereich hervorbringen. Der ZVEI verweist dabei besonders auf Büroautomations-Lösungen wie etwa Textverarbeitungssysteme mit Teletex-, Telefax- und/oder Bildschirmtextkomponenten. Gerade von der Informationstechnik würden nach ZVEI-Meinung die entscheidenden Wachstumsimpulse ausgehen: "Die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft wird immer mehr davon bestimmt, wie Wissen gehandhabt wird. Generieren, Speichern, Bearbeiten, Übertragen von Informationen sind Schlüsselfunktionen in der elektronischen Steuerung von Produktionsprozessen, für die Leistungssteigerung bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen, bei der Erkennung und Überwachung sowie der Verminderung oder Beseitigung von Umweltbelastungen, für die sichere Energieversorgung und den effizienten -verbrauch, für die effiziente Güterverteilung, die Verkehrssteuerung und - last, but not least - für Unterricht und Bildung."

Der Wert der Informationstechnik verlagere sich - im Gegensatz zur traditionellen Datenverarbeitung - von der Güterproduktion in den Dienstleistungsbereich. Dort werde sie heute zum wichtigsten Produktivitätsfaktor. Grundlagen der künftigen integrierten Bürokommunikation seien vor allem die neuen Dienste der Deutschen Bundespost wie Telefax, Teletex und Bildschirmtext. Hinzu kämen ergänzende technische Entwicklungen wie automatisch arbeitende Registratursysteme und Einrichtungen zum Diktieren über das öffentliche Netz.

Kritik übt der ZVEI daran, daß die öffentliche Diskussion über den verstärkten Einsatz von Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik noch immer unter dem Blickwinkel der Substitution von Arbeitsplätzen gesehen werde: "Diese Einstellung vernachlässige die Leistungsreversen der Mikroelektronik für neue Produkte und Dienstleistungen, für mehr Leistung und damit auch für mehr Arbeit." Die notwendigen Impulse hierfür aber müßten zwangsläufig von den anwendenden Unternehmen ausgehen, eine - so der Zentralverband "unternehmensstrategische Aufgabe hoher Priorität" .

Die Notwendigkeit, Informationsverarbeitung in stärkerem Maße an kaufmännischen Schulen zu berücksichtigen, würde nach Aussage des Düsseldorfer Verband der Fachlehrer e.V. (VdF) inzwischen sowohl von den Kultusverwaltungen als auch von Lehrerverbänden erkannt. Die Schule sollte jedoch - so der Verband, der dem Orgatechnik-Congress ideelle Unterstützung leistet "in erster Linie nicht das Bedienen lehren, sondern verstärkt allgemeine Kenntnisse über den Einsatz der Technologie vermitteln".

Praxisreife Fähigkeiten erzielen

In der Datenverarbeitung würde man verstärkt Wert darauf legen, die Befähigung zur aktiven Nutzung der DV-Anlage bei der Lösung betrieblicher Probleme zu verleihen. Dazu gehöre Analyse der Abläufe im kaufmännischen (verwaltenden) Bereich unter Berücksichtigung von Atomatisierungsfähigkeit und -würdigkeit, Darstellung typischer Gerätekonfigurationen sowie Verfahren und Nutzung von Standardsoftware.

Das herkömmliche Fach "Maschinenschreiben" entwickle sich an den kaufmännischen Schulen immer mehr zum Unterricht in "Textverarbeitung": "Dabei gilt es in erster Linie" beschreibt der Fachverband die Zielsetzung, "bisherige Fertigkeiten auf die Bildschirmarbeit zu übertragen und somit praxisreife Fähigkeiten und Kenntnisse in Ein- und Ausgabe über Bildschirm zu erzielen." Auch bei den gegenwärtig vielen Zwischenstufen automatisierter Verarbeitung sei es Aufgabe der Schulen, die Absolventen auf jede erdenkliche Möglichkeit vorzubereiten. Der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen hat mit seinen Richtlinien vom 1. 8.84 für den bürowirtschaftlichen Zweig der Höheren Handelsschule das Fach "Textverarbeitung/Textautomation" eingeführt und Ausführungsbestimmungen erlassen, die dem Lehrziel des Verbandes übereinstimmen.

Es fehlte nach Angaben des VdF jedoch noch an Richtlinien für eine praxisgemäße Prüfungsverordnung auf diesem Gebiet, die Ausrüstung der Schulen mit Geräten sowohl für Daten- als auch für Textverarbeitung lasse noch zu wünschen übrig.