Neue Ansätze für eine erfolgreiche KostenNutzen-Analyse

Informationssysteme-Controlling: Vom Erbsenzähler zum Strategen

12.10.1990

Information allein bleibt eine stumpfe Waffe; von entscheidender Bedeutung ist dagegen die Integration der Information und damit der Informationsverarbeitung in das Gesamtsystem Unternehmung. Informationssysteme als strategische Erfolgsfaktoren müssen daher in ihrem Zusammenwirken mit der Unternehmensstrategie, der Organisationsstruktur, der Führungsphilosophie, den Führungsinstrumenten, den Produkten und vielen anderen das System Unternehmung bestimmenden Faktoren bewertet werden.

Betrachtet man die heute weitgehend übliche Praxis des Informationssysteme-Controlling in deutschen Unternehmen, so stellt sich Controlling oftmals nur als neudeutsche Verklausilierung des bewährten Begriffs Kontrolle dar. Die dem Wesen des Controlling immanenten Funktionen Planung und Steuerung werden großzügig vernachlässigt.

Dabei spielt das in der Praxis noch häufig anzutreffende Kostenwirtschaftlichkeitsdenken eine

entscheidende Rolle. Die Errichtung von Informationssystemen bedingt in der Regel erhebliche Investitionen und löst damit automatisch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit dieser Investitionen aus.

Kostenwirtschtlichkeitsdenken in der Praxis

Auf diesem, seinem ureigensten Feld greift nun der Controller ein und berechnet die Wirtschaftlichkeit nach klassischer Theorie als Vergleich von Kosten und Leistungen in einer bestimmten Periode. Die Kostenseite ist mit spitzem Bleistift, viel Erfahrung und gutem Verständnis der komplexen Thematik noch relativ leicht zu quantifizieren.

Die Ermittlung der Leistungen beschränkt sich jedoch oftmals auf reine Kosteneinsparungen (in der Regel Mitarbeiter-Reduzierung) verbunden mit nebulösen Hinweisen auf die strategische Bedeutung der Informationssysteme. Zudem ist festzustellen, daß die quantifizierten Kosteneinsparungen oftmals im Stadium des Potentials verharren, da eine Mitarbeiter-Reduzierung aus sozialhygienischen Gesichtspunkten oftmals nicht durchsetzbar ist oder von Volumens- und Komplexitätsänderungen überlagert wird.

Darüber hinaus werden mit dem Kostenwirtschaftlichkeitsansatz die strategischen Nutzengrößen wie Verbesserung der Qualität, Erhöhung der Flexibilität, Verkürzung der Entwicklungszeiten etc. nicht berücksichtigt, da sie qualitativ ausgeprägt und quantitativ nicht zu erfassen sind. Diese strategische Nutzengröße haben in ihrer Bedeutung jedoch die Kostengesichtspunkte längst überlagert und werden in ihrer Wichtigkeit in Zukunft noch drastisch steigern.

Neue qualitative Ansätze zur Wirtschaftlichkeitsanalyse sind also gefragt, und 75 Prozent der von der amerikanischen INDEX-Group befragten DV-Manager erklärten: "Wir müssen noch einen Weg finden, um den Beitrag der Informationssysteme zur unternehmerischen Wertschöpfung zu messen".

Neben dem auf der Hand liegenden Quantifizierungsproblem strategischer Nutzenpotentiale treten aufgrund der Komplexität und Integration von Informationssystemen in das Gesamtsystem Unternehmung zusätzliche Bewertungsprobleme auf.

So stellt sich häufig das Innovationsproblem, wenn neue Informationssysteme die Möglichkeit schaffen, aufgrund veränderter Arbeitsinhalte und Methoden neue effektivere Geschäftsabläufe zu gestalten.

Ganzheitliche Beurteilung der Wirtschaftlichkeit

Neben solchen qualitativen Nutzenpotentialen entstehen verschiedene Nutzenäquivalente erst durch den mehrdimensionalen Zugriff auf Informationssysteme im Unternehmen. Dieses Verbundproblem hängt eng mit dem Zurechnungsproblem zusammen, da es schwierig ist, erkennbare Nutzendimensionen integrierter Informationssysteme den Sachmitteln, der Software und den organisatorischen Regelungen zuzuordnen. Selbst die konkrete Zurechnung der Erträge zu einem bestimmten Arbeitsgebiet oder einem Arbeitsplatz gestaltet sich schwierig, und isolierte Betrachtungen führen nur in seltenen Ausnahmefällen zum gewünschten Erfolg.

Der lnformationssysteme-(IS)-Controller wird somit zu einer ganzheitlichen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit gezwungen . Im Grundgerüst einer solchen ganzheitlichen Betrachtung sind wirtschaftliche Konsequenzen eines neuen Informationssystems hinsichtlich folgender Bestandteile zu berücksichtigen:

- einzelner Nutzerarbeitsplatz,

- alle Nutzerarbeitsplätze,

- organisatorische Abläufe und Strukturen,

- organisatorische Leistungsfähigkeit.

Diese Konsequenzen schlagen sich für den IS-Controller in drei Ausprägungen nieder:

- kurzfristige monetäre Veränderungen (in der Regel exakt meßbar)

- Iangfristige monetäre Veränderungen (Schätzung)

- Veränderung der strategischen Position im Markt.

Liefert der Kostenwirtschaftlichkeitsansatz im ersten und zweiten Fall noch bedingt brauchbare Ergebnisse, so versagt er völlig bei der Beurteilung der strategischen Position im Markt. Die Konsequenz ist verblüffend einfach und liegt in einer zweistufigen Bewertung der Wirtschaftlichkeit.

Das Konzept der zweistufigen Wirtschaftlichkeitsanalyse versucht die "harten" quantifizierbaren Nutzenpotentiale mit den

"weichen" qualitativen in einer einheitlichen Bewertungssystematik zu verbinden. Ziel ist dabei insbesondere eine höhere Objektivierung der qualitativen Faktoren durch ein klar definiertes strategischens Zielsystem.

Für die erste Stufe, die Analyse der quantifizierbaren Faktoren, gibt es eine Vielzahl von aus der Literatur bekannten und in der Praxis bewährten Verfahren, die sogenannten, Klassischen Verfahren" wie Kosten- oder Gewinnvergleichsrechnung, Return of Investment, Break-Even-Time, Kapitalwertmethode, Annuitätenmethode, interner Zinsfuß etc.

Auch für die Analyse der qualitativen Faktoren wurde eine Reihe von Komplexen Verfahren" entwickelt. Dabei sind besonders die Theorie der Allokation, die Nutzwertanalyse, die Wertanalyse, das Zero-Base-Budgetin und die Gemeinkosten-Wert-Analyse zu nennen. Insbesondere bietet sich das Verfahren der Nutzwertanalyse an, das den Erreichungsgrad strategischer Nutzenpotentiale anhand gewichteter Ziel- oder Effizienzkriterien beurteilt und ein sogenanntes Projektergebis ermittelt. Dieses Projektergebnis beziffert die strategische Nutzenerfüllung eines Informationssystems und ermöglicht einen Alternativenvergleich.

Mit Hilfe der Portfoliotheorie werden die quantitativen Ergebnisse der Klassischen" und der qualitativen Ergebnisse der "Komplexen" Wirtschaftlichkeitsanalyse verknüpft und ein Projektportfolio erstellt, das dem Management eine relevante Entscheidungsgrundlage zur Vertiefung der Unternehmensressourcen bietet.

Von allergrößter Bedeutung für das Konzept der zweistufigen Wirtschaftlichkeitsanalyse sind die strategischen Ziel- oder Effizienzkriterien und ihre Gewichtung. Sie bestimmen den Grad der strategischen Nutzenerfüllung. Daher sind sie direkt aus den Unternehmenszielen abzuleiten und vom Topmanagement zu bestimmen. Voraussetzung ist ein strategisches Management der Unternehmung, dessen konkrete Auswirkungen in den Ziel- oder Effizienzkriterien ihren Niederschlag finden.

Der IS-Controller im Profil

Welches Anforderungsprofil stellt die Aufgabe Informationssysteme-Controlling an den IS-Contoller?

Die Antwort ergibt sich aus den obigen Ausführungen quasi zwingend. Eine fundierte Kenntnis der "Klassischen" wie der "Komplexen" Methoden der Wirtschaftlichkeitsanalyse ist selbstverständliche Grundvoraussetzung. Daneben ist das Verständnis der komplexen Materie Informationssysteme" und die Auswirkungen auf das Gesamtsystem Unternehmung vonnöten.

Die wichtigste Voraussetzung ergibt sich jedoch aus der strategischen Komponente des Informationssysteme-Controllings.

Der IS-Controller muß verständiger Partner des Managements sein, die strategischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens kennen und den entsprechenden Anpassungsbedarf seiner Controllinginstrumente lokalisieren und realisieren.

Die komplexe und hochinteressante Aufgabe des Informationssysteme-Controllings wird im Hause der Bayerischen Vereinsbank vom Management gelebt und schlägt sich in der Priorisierung der Informationssysteme-Projekte durch ein entsprechendes Projektportfolio nieder.

Als beispielhaft ist die wissenschaftliche Vorbereitung des Controller-Nachwuchses an der Ludwig-Maximilian-Universität München zu nennen, die spezielle Ausbildungsmöglichkeiten durch die Errichtung eines Lehrstuhls für betriebswirtschaftliche Information und Kommunikation, Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Arnold Picot, geschaffen hat. Daneben stellt sie sich, beispielsweise am Lehrstuhl für Bankwirtschaft, Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Hermann Meyer zu Selhausen, dieser Aufgabe durch praxisrelevante Forschungsprojekte.

*Frank Günther arbeitet als Assistent des Zentralbereichsleiters Organisation und Informatik in der Bayerischen Vereinsbank München und promoviert am Lehrstuhl für Bankwirtschaft der Ludwig-Maximilian-Universität, München.