Bei den Stadtwerken Norderstedt:

Informationssystem für kommunale Versorgungsbetriebe

30.05.1980

Bislang haben die Stadtwerke Norderstedt in einem Rechenzentrum zusammengearbeitet. Mit selbstentwickelten Stapelverarbeitungs-Programmen gingen sie schon vor fünf Jahren auf ein Konzept über, nach dem die Daten nur einmal erfaßt und für alle einschlägigen Auswertungen integriert verarbeitet werden konnten. Ebenso lange schließen die Programme schon Bestabrechnungen, Verbrauchsgewichtung und andere junge Methoden ein. Diesen Vorsprung will das Unternehmen in einer hauseigenen Datenverarbeitung wahren, zu der es sich wegen umfangreicher neuer Aufgaben entschloß. Mit einem Dialogsystem von NCR kann es das größere Arbeitsvolumen ohne Mehrkosten und Personalausbau bewältigen.

Die Stadtwerke arbeiten vorerst weiter mit dem Rechenzentrum der Kreissparkasse Pinneberg zusammen. Sie begannen aber schon vor einigen Monaten mit dem Testbetrieb einer eigenen Datenverarbeitung. Mit dieser Umstellung sollen Leistungsreserven mobilisiert werden, mit denen sich die kommende Aufgabenverdoppelung im vollen Umfang auffangen läßt.

In Pinneberg wurden von Anfang an nur die Rechenleistungen des dort eingesetzten EDV-Systems genutzt. Die Programmlösungen für sämtliche Anwendungsgebiete sind in Norderstedt entwickelt worden - zur Verbrauchsabrechnung für Tarifkunden und Sonderabnehmer, Bau- und Auftragsabrechnung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Betriebsabrechnung, Finanzbuchhaltung und Anlagenbuchhaltung. Die Stadtwerke realisierten hierfür bereits 1974 Verfahren, die zwar auf Lochkarten-Datenerfassung und Stapelverarbeitung abgestellt waren, deren Konzept jedoch dem allgemeinen Standard in der Versorgungswirtschaft weit voraneilte: Die Datenerfassung führen sie im eigenen Haus durch; im Monatsdurchschnitt werden rund 40 000 Lochkarten erstellt (einschließlich der mitübernommenen Aufgaben für die Stadtverwaltung). Die eingespeicherten Daten werden für alle relevanten Programme integriert verarbeitet, so daß sich ein hoher Erfassungs- und Verarbeitungsaufwand einsparen läßt.

Die Chancen für Mehrleistungen zeichneten sich einzig durch Übergang von Stapelverarbeitung zu Dialogbetrieb ab. Die Stadtwerke legten ihrer 1978 entwickelten Planung die bisher schon erreichten Programmeigenschaften zugrunde - allerdings nicht für die Stapelverarbeitung, sondern für den Dialogbetrieb. Da jedoch die Kosten der Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum nicht überschritten werden durften, schied eine eigene Software-Entwicklung von vornherein aus. Die Recherchen bei leistungsfähigen System-Anbietern zeigten, daß es noch keine Standardprogramme für Dialog-Anwendungen in Versorgungsunternehmen gab. Aus diesem Grunde fiel die Entscheidung für einen Anbieter, der sich im ausreichenden Maße an der Entwicklung eines ganz neuen Systems beteiligt.

Die Stadtwerke planten - NCR programmierte

Nach einer Orientierung über bei den Stadtwerken vorhandene Programme, übernahm NCR die Entwicklung der Programme. Die Systemplanung machten die Stadtwerke selbst. Der Umfang der Einzelprogramme ist so bemessen, daß sich das ganze "Paket" auf allen Modellen der NCR-Computerserie 8000 einsetzen läßt. Seit Oktober 1979 sind die Programmlösungen zur Verbrauchsabrechnung mit Tarifkunden und Sonderabnehmern im Einsatz. Mit ihnen wird seitdem der Testbetrieb des Systems durchgeführt. Die weiteren Programmentwicklungen sind im vollen Gange und werden noch 1980 realisiert. Nach Abschluß dieser Arbeiten dient das System außer zur Verbrauchsabrechnung auch zur Lohn- und Gehaltsabrechnung, Betriebsabrechnung, Finanzbuchhaltung und Anlagenbuchhaltung.

Erhebliche Erweiterungen sind aber auch in der Anlagen-Ausrüstung vorgesehen.

Rationelle Verbrauchsabrechnung

Die Verbrauchsabrechnung wird als erstes durchgeführt werden. Was die Zählerablesung angeht, verursacht der Übergang auf eigene Datenverarbeitung - mit einer Ausnahme - keine besonderen Veränderungen: Die Zähler mußten bisher an einem Stichtag zum Jahresende abgelesen werden, nunmehr läßt sich auf eine rollierende Ablesung im Jahreslauf übergehen. Umfangreichere Reorganisationen finden aber in der Datenverarbeitung selbst nicht statt und machen sich durch weniger und fehlersicherere Datenerfassung bezahlt.

Je Zähler brauchen lediglich die Ablesedaten eingegeben zu werden. Ablesedatum und -art übernimmt das Programm nach der einmal pro Tag durchgeführten Änderung für alle Vorgänge automatisch. Auch fällt die Eingabe der Zählernummern weg.

Das System prüft alle eingetasteten Zählerdaten auf Plausibilität. Dabei findet auch ein Vergleich mit dem Vorjahres-Zählerstand statt. Fehlerhafte Daten erscheinen in einem Protokoll, das für die Nacherfassung der korrigierten Daten benutzt wird. Die Daten von Zählern, die nicht abgelesen werden konnten, setzt das Programm mittels Gewichtung selbst ein. Diese Datenerfassungs- Arbeit wird ständig entsprechend dem Eingang der Ablesekarten auf dem laufenden gehalten. Sie ist an keinen Fremdtermin mehr gebunden. Verfügt das System über sämtliche Zählerdaten der Abnehmer, so wird der Datenbestand in einem Programmlauf bewertet. Das Programm gliedert die Verbräuche in Preisabschnitte auf. Es bewertet diese Abschnitte im Falle von Tarif-, Steuer- und Ausgleichsabgaben-Änderungen sowie bei Umstellung von Stadt- auf H-Gas etc. durch Gewichtung. Im gleichen Ablauf erfolgt die Bestabrechnung. Bei Strom werden drei Tarife, bei Gas sieben Tarife herangezogen. Diese Tarifvergleiche lassen sich jedoch beliebig erweitern.

Aus der Abrechnungsdatei wird eine Druckaufbereitungsdatei gewonnen. Sie kann direkt zur Erstellung von Magnetbändern für COM (Computer-Output-Microfilm) oder für den Ausdruck von Rechnungsduplikaten benutzt werden. Nach einer Umsortierung, die den Versand erleichtert, werden die Kundenrechnungen erstellt. Die Daten der Abrechnungsdatei bleiben solange gespeichert, daß bei fehlerhaften Rechnungen jederzeit Korrekturen möglich sind. Alle Korrekturen berücksichtigt das System automatisch auch in den Datenbeständen für Finanzbuchhaltung und statistische Auswertungen.

Umfangreiche Statistiken

Aus der Abrechnungsdatei gewinnt das System denn auch eine Fülle von Daten für nachträgliche Auswertungen. Für die Tarifstatistik werden die Daten nach Tarifgruppen aufgegliedert, so daß in dieser Aufteilung die Verbräuche, Erlöse, Kundenzahlen und Vergleichswerte des Vorjahres verfügbar sind. Aus dem gleichen Datenbestand stammen die Ausdrucke für die Konzessionsabgaben. Die Statistikdaten bleiben außerdem in einer Wertdatei zur Übernahme in die Finanzbuchhaltung, Planungsrechnungen und anderen Auswertungen für die Geschäftsführung gespeichert. Sie lassen sich für Netzmodell-Untersuchungen heranziehen, da sie in der Sortierung nach Knotenpunkten des Netzaufbaues zum Beispiel den Auslastungsgrad bekanntgeben.

Die Kundenberatung wird nach Einführung des Systems durch Bildschirmauskünfte unterstützt. Der Berater hat bei Telefonaten oder Besuchen sofort alle zähler- und verbrauchsbezogenen Daten eines Kunden zur Hand und kann auch während einer Beratung eine neue Bestabrechnung durchführen.

Wenn neue Berechnungsgrundlagen berücksichtigt werden müssen, so machen sich die Stadtwerke die Abspeicherung aller zur Tarifberechnung erforderlichen Daten zunutze. Es brauchen nur die neuen Daten erfaßt zu werden. Das Programm ermittelt dann unter Zugriff auf die gespeicherten Informationen die neue Berechnungsgrundlage. Bei Umzügen innerhalb des Versorgungsgebiets können alle unveränderten Stammdaten ohne Neueingaben übernommen werden. Das gilt für den neuen Wohnsitz, aber auch für den Nachfolger in der alten Wohnung.

Zu beachtlichem Arbeitsaufwand hat bisher die Erfassung von Zählerdaten geführt, die sich auf Geräte beziehen, welche ins Lager übernommen worden sind. Beim neuen System lassen sich die Nummern von Zählern die neu erworben wurden oder vom Eichamt zurückkamen, automatisch erfassen: Wird in einer solchen Serie die kleinste und größte Zählernummer eingegeben, so vergibt das System selbsttätig für sämtliche Geräte die Daten, wobei es die Kenndaten dupliziert.

Eine der wichtigsten Vorgaben war, daß Realisation und Betrieb des Dialogsystems nicht teuerer als die Kosten in der Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum sein durften. Schon jetzt ist bekannt, daß diese Kosten unterschritten werden. Hierdurch ist der Aufbau eines größer ausgelegten Datenverarbeitungssystems möglich geworden, das noch erhebliche Reserven für zusätzliche Aufgaben bietet. Die Stadtwerke planen deshalb auch technisch orientierte Anwendungen, und ihr Computer wird durch zwei benachbarte Stadtwerke mitbenutzt. Darüber hinaus steht eine Entscheidung bevor, daß sich auch die Stadtverwaltung dieses Systems mitbedient. Die Organisationsabteilung unterstützt außerdem die Schulung und Einweisung von Mitarbeitern aus Versorgungsunternehmen, die mit einem Modell der Serie 8000 die gleiche Lösung realisieren wollen.

- Herbert F. W. Schramm ist freier EDV-Fachjournalist, Groß Rönnen.