Informationsproduktivität - nur ein Schlagwort?

07.10.1983

Arno Alexander Voegele, Hans-Dieter-Lidke, Martin Bergmann*

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

Mehr und mehr setzt sich, die Erkenntnis durch, daß nach den Rationalisierungsschüben in den 60er und 70er Jahren im Produktionsbereich nun die "Information", ihr Besitz und ihre effiziente Nutzung zentraler ins Blickfeld der Unternehmen

gerät. Diese Entwicklung wird dadurch gefördert, daß in der wirtschaftlichen Auseinandersetzung unter hochentwickelten Ländern das Handling von lnformationen gegenüber der industriellen Produktion kontinuierlich an Gewicht gewinnt. Es zeichnet sich ab, das lnformation als Produktionsfaktor in Zukunft ein ähnliches Gewicht haben wird wie Kapital und Arbeit.

Unübersehbare Menge an Informationen

Relevante Informationen zum richtigen Zeitpunkt in geeigneter Form zur Verfügung zu haben, ist heute mehr denn je die Voraussetzung für auch in der Zukunft erfolgreiche Unternehmen. Alles fließt - sagte Heraklit von Ephesus vor gut 1450 Jahren. - Auch die Information? Und wenn ja, wie läßt sich die unübersehbare Menge an Informationen, die

neben der Quantität auch mit einer bestimmten Aktualität vorliegen muß, überhaupt noch beschaffen, verarbeiten und weiterleiten?

Die Unternehmen von heute und morgen müssen in zweifacher Hinsicht als Anpassungsprojekt gesehen werden:

- Zum einen ist es der aus dem eigenen Unternehmen, aber auch der aus Umweltveränderungen resultierende wachsende Informationsbedarf;

- zum anderen ein diesem Bedürfnis nach mehr Information entgegenkommendes Instrumentarium zur konkreten und präzisen Umsetzung getroffener Entscheidungen.

Die "Information" wird somit zum zentralen Kriterium eines jeden Unternehmens.

Fülle von "teuren Daten"

Heute leben wir noch weitgehendst mit einer Fülle von "teuren Daten", leider aber unter einem Mangel an lnformation. Was wir aber brauchen, um schnelle und richtige Entscheidungen treffen zu können, ist eine Selektion der Daten, um gezielte Informationen zu gewinnen: Wir müssen uns lösen von der reinen Datenverarbeitung und mehr hinwenden zur Informationsverarbeitung. Die Informationssuche/-gewinnung darf nicht ein Produkt des Zufalls bleiben. Standardisiertes Berichtswesen und Betriebsdatenerfassung lösen das Informationsproblem nicht, gleichwohl sie unabläßlicher Bestandteil eines betrieblichen

Informationswesens sind. Eine Verarbeitung der Daten hin zur Information tut not. Hier ist das Management aufgefordert, vorzugeben, welche Informationen wichtig für unternehmerische Entscheidungen sind. Nicht warten auf Informationen, sondern die Möglichkeit des gezielten Zugriffs muß die Überlegungen prägen.

Gerade die technische Entwicklung übt einen stärkten Einfluß auf die Unternehmen aus, indem sie die Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -übermittlung grundlegend

umstrukturiert. Die früher durch starke interpersonelle Arbeitsleistung gekennzeichneten

Unternehmen, in denen Rationalisierung lediglich an Teilarbeiten durchgeführt wurde, haben heute die Möglichkeit durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationssysteme, den Informationsprozeß nicht isoliert, sondern integriert zu lösen.

Die zur Zeit bereits verfügbare Informations- und Kommunikationssysteme können schon jetzt einen entscheidenden Beitrag leisten. Darüber hinaus muß es Aufgabe der Zukunft sein, die unterschiedlichen Systeme der Text- und Datenverarbeitung von intelligenten Terminals über Arbeitsplatzrechner bis hin zu eventuell vorhandenen Großrechnern und Datenbanksystemen zu einem integrierten und durchgängigen Informationssystem (Bürosystem) zu verflechten. Die "Vernetzung" wird nicht nur innerhalb eines Bürobereiches die kommunikative Infrastruktur verbessern helfen, sondern vor allem auch die Voraussetzungen für den Austausch von Informationen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen, einzelnen Unternehmen und Institutionen liefern. Gelingt, es auch im überregionalen Verbund, Informationen ohne aufwendige Kodierung zu verteilen, so können Daten, die heute oftmals ein Schattendasein in Karteien und Archiven führen, für umfangreiche Auswertungen herangezogen und zu Planungs- und Entscheidungsinformationen aufgearbeitet werden.

Unternehmen, die zentrale Datenbanken und deren Nutzungsmöglichkeiten ignorieren, verzichten auf ein ungeheueres Wissenspotential. Bei vielen Großunternehmen werden Datenbanken, oftmals durch firmeninterne Stellen, die sich unter Einschaltung interner und externer Quellen um die Informationsbeschaffung bemühen, seit Jahren intensiv genutzt (zum Beispiel in der Großchemie).

Die bloße Aufstellung von moderner Informations- und Kommunikationstechnologie

löst aber das Problem alleine noch nicht. Die Organisation hat auch hier das Primat vor der Technik.

Informationsgerecht organisieren

Angesichts solcher Perspektiven tritt in zunehmendem Maße die Forderung auf, vor Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien "Informationsmanager" auf höchster Führungsebene zu institutionalisieren, die für alle Belange dieses weiten Arbeitsfeldes zuständig und verantwortlich sind, um Unternehmen informationsgerecht zu organisieren. Das Aufgabenspektrum eines derartigen Bereiches "Informationsmanagement" sollte dabei folgende Schwerpunkte umfassen:

- Informationsorganisation, das heißt, die Aufgabe besteht in der ganzheitlichen Planung der Bürokommunikation unter Berücksichtigung aller Auswirkungen auf Büro- und Unternehmensorganisation. Insbesondere das Erarbeiten von organisatorisch/-technologischen Informationskonzept im Hinblick auf verbesserte Informationsinhalte und erzienten Einsatz der Informationshilfsmittel.

- Interne lnformation, das heißt Versorgung des Unternehmens mit der als notwendig erachteten Informationen weit diese über den funktionbedingten Informations?? hinausgeht

(zum Beispiel: Forschungsberichte, Trendmeldungen etc.).

- Externe Information, das heißt gezielte Information nach außen im Sinne von Werbung und Öffentlichkeitarbeit.

- Informationssysteme, das heißt Verantwortung auch an die technische Seite der Informations- und Kommunikationssysteme im Hinblick die Koordination, Beschaffung und Einrichtung als auch Betrieb und Wartung.

Der technische Wandel und der Einsatz der neuen Technologien schaffen Orientierungen und Akzeptanzprobleme sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern, von deren Mitwirken der Aufbruch die Administration, Konstruktion und Produktion abhängt. Einmal mehr ist, hier dem lnformationsmanager die Aufgabe gestellt,

den Kurs als "???? und Steuermann zu benehmen, um die Wegrichtung einzuzeichnen.

Bessere Informationsproduktivität bedeutet also zum einen, eine effizientere Nutzung oder neuen Technologien (zum Beispiel Textverarbeitung, Kommunikationsnetz und Arbeitsplatzcomputer), zum anderen aber auch, die Steuerung der Produktivität für die Zukunft. Wichtig ist eben daß die Probleme vorher begrenzt und hypothetische Problemlösungen in allen Richtungen durchdacht werden, ehe Zeit auf Informationsschaffung und Analyse verwendet wird. Erst die richtige Handhabung der Informationsflüssig Produktionsfaktor, gleichberechtigt neben den klassischen Faktoren wie Mitarbeitkapital, Betriebsmittel und Material, wird dies den richtigen Sinn durch die Optimierung des Einsatzes in bezug auf dem Markt zu erzielendes Ergebnis.

* Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Silberburgstr. 119a, 7000 Stuttgart, Telefon: 07 11/66 48-0.