Informationsmanager: in erster Linie Manager, in zweiter Linie Spezialist

28.04.1989

Dr. Wolfgang Lichius, Bereichsleiter der Kienbaum, Personalberatung GmbH, Gummersbach

Nach dem Siegeszug des "Controllers", der, als dieses Berufsbild vor vielen Jahren in der Bundesrepublik geprägt wurde, nahezu schlagartig alle bis zu diesem Zeitpunkt mit Buchhaltungsleitung, Finanz- und Rechnungswesenleitung, Revisionsleitung und ähnlich umschrieben gewesenen Aufgabenfelder besetzte - eine Entwicklung, die zwischenzeitlich wieder einer angemessen differenzierten Betrachtungsweise dieser betriebswirtschaftlichen Funktionen gewichen ist -, drängt in jüngerer Zeit ein neuer Begriff mit Macht nach vorn, der "Informationsmanager". Seine Funktion und Aufgabenstellung werden in der Praxis - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ebenso unklar und teilweise unkorrekt gesehen, wie weiland diejenigen des Controllers. Der Gebrauch des Begriffs "Informationsmanager" ist "in" und steht in den meisten der von mir beobachteten Fälle in den Köpfen derjenigen, die ihn benutzen, synonym mit "Leiter EDV" oder "Leiter Organisation".

Die weiterführende Bedeutung des Informationsmanagements wird dabei sehr selten assoziiert. Da nach meiner Übersicht betriebswirtschaftliche Konzepte für ein Informationsmanagement noch weitgehend fehlen, und weder ein klares Berufsbild noch ausgereifte Programme zur Aus- und Weiterbildung vorhanden sind, soll im folgenden wiedergegeben werden, wie die "aufgeklärte" Praxis, also die Unternehmen, die die Notwendigkeit des Informationsmanagements in seiner vollen Tragweite erkannt haben, die Aufgabe und das Profil des Informationsmanagers sehen. Dabei stütze ich mich auf Anzeigentexte, Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile sowie sonstige Arbeitspapiere aus der Praxis, mit denen ich als Personalberater konfrontiert wurde. Das bedeutet, daß nachfolgend nicht der als ideal anzustrebende und möglicherweise in Vollkommenheit nur in der Theorie erreichbare Status eines optimalen Informationsmanagements Gegenstand der Betrachtung ist, sondern vielmehr der heute in - allerdings nur wenigen - fortschrittlichen Unternehmen erreichte Entwicklungsstand wiedergegeben wird.

Zunächst zu den Aufgaben des Informationsmanagements, die durch folgende Definitionen - übrigens allesamt den oben genannten Quellen entlehnt - in zunehmender Präzisierungsstufe treffend charakterisiert scheinen. Funktion des Informationsmanagers ist es, die Ressource Information in der Unternehmung optimal zum Einsatz zu bringen. Aufgabe des Informationsmanagers ist es daher, den Mitarbeitern und Fachabteilungen ein informationswirtschaftliches Leistungsangebot zur Verfügung zu stellen. Damit nimmt der Informationsmanager eine Rolle als Koordinator zwischen Informationsanbietern, -verarbeitern und -nachfragern innerhalb und außerhalb der Unternehmung ein.

Etwas konkreter formuliert umfaßt das Informationsmanagement die folgenden Aufgabenfelder und Verantwortungsbereiche:

- Anwenderberatung und -betreuung in bezug auf die Hardware-Fazilitäten, die Softwarebeschaffung und -implementierung, die Methoden- und Verfahrenswahl sowie auf die Einweisung, Aus- und Weiterbildung im Bereich Information und Kommunikation;

- Datenmanagement mit der Festlegung optimaler und langfristig verwendbarer Datenstrukturen und der Konzeption von Datenbanken;

- Innovationsaufgaben vor dem Hintergrund des schnellen technologischen und organisatorischen Wandels und im Hinblick auf die ständige Optimierung der vorhandenen und die Entwicklung neuer Konzepte;

- Beachtung der Aufgaben des Datenschutzes;

- Verantwortung für die zentralen und in vielen Fällen auch dezentralen Datenverarbeitungs- und Übertragungskapazitäten;

- Anwendungsplanung und -entwicklung mit Systemanalyse, Systementwicklung und Wartung.

Eine Aufgabenbeschreibung, die sich stärker an der Rolle eines effizienten Informationsmanagements innerhalb der gesamtunternehmerischen Zielsetzung orientiert, hat die Schwerpunkte:

- interne Funktionen wie Produktionsplanung, Marketing und Absatz durch den Einsatz von Managementinformationssystemen optimieren;

- die Wettbewerbssituation für das Unternehmen durch die Beschleunigung und Vereinfachung der externen Informationsflüsse zu Kunden und Lieferanten verbessern;

- die Effizienz der Mitarbeiter durch eine optimale Mischung von zentraler und dezentraler Rechnerkapazität fördern;

- eine angemessene und kompatible Computer- und Telekommunikations-Architektur für das Gesamtunternehmen entwerfen und realisieren;

- das zentrale Rechenzentrum ökonomisch verwalten.

Die Kriterien des Anforderungsprofils des Informationsmanagers lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der moderne Informationsmanager muß unbedingt aus dem "business" kommen, solide Managementerfahrung haben und unternehmerisch denken können. Er muß alle allgemeinen Führungsqualifikationen besitzen, wie sie von jedem anderen Manager auch verlangt werden, wie konzeptionelle und analytische Befähigung, Teamfähigkeit, Führungsqualifikation, Organisationstalent, Kontaktfähigkeit, Entscheidungsstärke, Risikobereitschaft, Kenntnisse in strategischer Planung und Projektmanagement und so weiter. Der Informationsmanager muß in erster Linie Manager und erst in zweiter Linie Spezialist sein. Solide Kenntnisse der angewandten Informatik beziehungsweise Wirtschaftsinformatik, also Wissen über Hard- und Software, Systemanalyse und -entwicklung, Telekommunikationsmanagement und ähnliche sind gewiß erforderlich, spielen aber nicht die wichtigste Rolle. Denkbar ungeeignet ist der "Computerfreak", der "nur in Bit und Byte" kommunizieren kann, denn der Informationsmanager muß viel Zeit mit Reden, Überzeugen und Verhandeln verbringen und seine Konzeption sowohl dem subalternen Sachbearbeiter als auch dem Vorstand verkaufen.

Die bisherigen Ausführungen dürften verdeutlichen, daß es - wie übrigens auch für Führungspositionen in anderen fachlichen Sparten - auch für Informationsmanager ein einheitliches Berufsbild nicht gibt. Ebenso wird evident, daß eine spezielle Ausbildung zum Informationsmanager ebensowenig möglich ist, wie es spezifische "General-Manager"-Ausbildungen gibt. Im Regelfall dürfte jedoch die Basisausbildung eines Informationsmanagers in einem abgeschlossenen Hochschulstudium, vorzugsweise der Fachrichtungen Informatik/Wirtschaftsinformatik, Betriebswirtschaftslehre, Mathematik, Wirtschaftsingenieurwesen bestehen.

Was die hierarchische Einordnung des Informationsmanagers im Unternehmen angeht, so reicht das Spektrum derzeit vom Stabsstellenverantwortlichen bis zur zweiten Führungsebene, also bis zur Hauptabteilungs- beziehungsweise Bereichsleitung. Die Existenz eines Informationsmanagers im Geschäftsführungs- beziehungsweise Vorstandsrang ist mir bisher nicht bekannt geworden. Wo er auch im Organigramm seinen Platz findet, entscheidend ist, daß der Informationsmanager die Informationsversorgung der verschiedenen Funktionsbereiche koordiniert. Seine Position wird um so wichtiger sein, je mehr die Informationswirtschaft unmittelbar zur Leistungserstellung des Unternehmens beiträgt.