Verbraucherpolitische Korrespondenz der AgV:

Informationslücke zwischen Regal und Kasse

11.07.1980

BONN (bi) - "Augen auf beim Kauf" ist eine Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher, AgV, Bonn. Dort sieht man in der Tat sehr genau hin und moniert nicht nur die Qualität von Produkten und Dienstleistungen, auch Verkaufsmethoden hat die Verbrauchergemeinschaft aufs Korn genommen. Daß der Point-of-Sale hier nicht ungeschoren bleibt, versteht sich für Insider von selbst. Wem die Bedenken seiner End-User-Kunden nicht schnuppe sind, sei die Lektüre der hier im Wortlaut wiedergegebenen "Verbraucherpolitischen Korrespondenz" empfohlen.

Nutznießer der POS-Systeme sind vor allem die Großbetriebe des Einzelhandels; die direkten Vorteile für den Verbraucher liegen in der besseren Kontrollierbarkeit des Kassenzettels - aber damit hat es sich eigentlich auch schon.

Die Rationalisierungsvorteile, die dem Händler über das "EAN" -System verschafft werden, liegen auf der Hand: Der Hersteller liefert ihm bereits mit dem Produkt auch den darauf befindlichen Strichcode (der alle produktrelevanten Daten enthält, außer dem Preis); die Preisauszeichnung am Produkt entfällt- das setzt man jedenfalls voraus, der im Computer gespeicherte Preis kann durch entsprechendes Umprogrammieren schnell und ohne großen Aufwand geändert werden; die Lagerhaltung kann über den Computer ständig kontrolliert, die Bestellung automatisiert werden; über die elektronische Datenerfassung kann erfaßt - und entsprechend reagiert - werden, wo und wie sich welches Produkt besonders gut (oder auch schlecht) verkauft. Eine Automatisierung von der Bestellung bis zum Verkauf bedeutet aber auch weniger Betrügereien beim Kassiervorgang, eine bessere Lokalisierung von Inventurdifferenzen etc. "EAN", so leuchtet . unschwer ein, dient in erster Linie dem Handel, und die interessierten Kreise werden alles daran setzen, daß dieses System zum Durchbruch kommt.

Doch auch ein noch so übersichtlicher Kassenzettel oder die gleichzeitig auf einem (mit der Kasse gekoppelten) Leuchtschirm erscheinende Notierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß des Händlers Vorteil vielfach die Nachteile des Verbrauchers sind:

þDie fehlende Preisauszeichnung am Produkt beschert eine Informationslücke zwischen dem Regal (an dem der Preis angegeben sein muß) und der Kasse, was gerade in großflächigen Betriebsformen wie Verbrauchermärkten erschwerend für den wirkt, der auch im Laden Preisvergleiche anstellen will.

þIst der am Regal angegebene Preis fälschlicherweise niedriger als der im Computer gespeicherte und dann in Rechnung gestellte, so wird das der Verbraucher kaum merken. Ferner kann es vorkommen, daß Produkte im falschen Regal liegen und unter Umständen einen niedrigeren als den tatsächlichen Preis vermuten lassen. Und nicht völlig auszuschließen ist auch, daß ein falscher Strichcode auf der Ware zu einer überhöhten Forderung führt (in diesem Falle stellt sich dann die Frage der Haftung).

þHat bisher der Händler alte Produkte mit neuen Preisen nur ausgezeichnet, wenn der Aufwand für die Umzeichnung nicht größer war als die Preiserhöhung, so fallen mit der Computer-Programmierung diese Überlegungen und so manches Sonderangebot "zum alten Preis" weg - sicherlich nur ein kleiner Nachteil, aber immerhin . . .

Hinzu kommen noch eine ganze Reihe anderer Gesichtspunkte, die dem Verbraucher nicht gleichgültig sein können. So ist zu erwarten, daß der Hersteller die ihm erwachsenden Gesamtkosten (wie etwa für das Führen der EAN-Nummer, das Anbringen

des Strichcodes auf der Verpackung, für die vielfach erforderlichen besseren Papierqualitäten, die Umstellung der Verpackung etc.) auf den Preis weiterwälzt, ohne daß dem Verbraucher zwangsläufig auch die im Handel erzielten Rationalisierungsvorteile über den Preis zugute kommen müssen.

Trotz alledem wird man die mit der Artikelnummer angestrebten Rationalisierungsentwicklungen nicht aufhalten. Es erscheint jedoch geboten, daß bei der Erarbeitung neuer Systeme das Verbraucherinteresse entsprechend mitberücksichtigt wird. Die Transparenz der Preise, ihre Klarheit und Wahrheit spielen dabei eine ganz wichtige Rolle. Es ist deshalb zu fordern, daß sich die Diskussion um Vor- und Nachteile einzelner Techniken, wie sie derzeit geführt wird, auch mit auf des Bemühen um eine überschaubare Preisauszeichnung erstreckt.

Warteschlangen kaum kürzer

Was das vielfach vorgebrachte Positiv-Argument angeht, die automatischen Kassensysteme brächten ja auch einen schnelleren Kassiervorgang mit sich, so mag das stimmen doch dürften davon die Warteschlangen kaum kürzer werden, weil abzusehen ist, daß sich angesichts der hohen Investitionskosten der Kassensysteme die Rationalisierungsbestrebungen und Kosteneinsparungen auch in einer geringeren Zahl an Kassen niederschlagen werden. Dessen ungeachtet wäre es ein wertvoller Dienst am Kunden, wenn man sich endlich auch verbraucherfreundlichere Kassenzonen einfallen ließe, die es erlauben, daß der einzelne seine Ware in Ruhe einpacken kann. Der schnellere Kassiervorgang kann nämlich auch bewirken, daß die gekaufte Ware noch schneller als bisher weggepackt werden muß, weil der nachfolgende Kunde schon drängt. Ein kontrollierender Blick auf den Notiervorgang, wie er gegeben sein sollte, bliebe dann reine Theorie.

Informationen: AgV, Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher e. V., 5300 Bonn, Heilsbachstr. 20, Tel. : 02 28/64 10 11