Informationskultur ist Teil der Unternehmenskultur

04.01.1991

Die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur ist keine Fleißaufgabe und

erfolgt auch nicht um ihrer selbst willen. Denn Unternehmenskultur ist vielmehr ein wichtiger Erfolgsfaktor, der - substantiell analysiert und sinnvoll gestaltet - zur langfristigen Absicherung strategischer Potentiale beiträgt. Christian Scholz* zeigt in einer dreiteiligen Folge das Warum und Wozu von Unternehmenskultur, aber auch ihre pathologischen Entwicklungen.

Verstärkte Internationalisierung, rascher technologischer Wandel und stärkere Unternehmenskonzentration führen dazu, daß in kürzester Zeit aus einer größeren Alternativenmenge sinnvolle Lösungen gefunden und umgesetzt werden müssen. Wegen der vielfältigen Vernetzung muß aber zwingend auch eine Abstimmung zwischen den isolierten Einzelentscheidungen erfolgen.

Intra-Unternehmenskultur-Fit

Schließen sich Unternehmen zusammen, entsteht die Gefahr von unstimmigen Subkulturen. Aktuelle Beispiele hierfür sind die gescheiterte Zusammenarbeit von Philips und AT&T sowie der auch aus unternehmenskultureller Sicht mit Skepsis bedachte Zusammenschluß von Daimler-Benz (und anderen) mit MBB. Dagegen ist es in anderen Fällen durchaus gelungen, dysfunktionale Subkulturbildung zu verhindern. Auch innerhalb "gewachsener" Unternehmen gibt es kulturelle Abstimmungszwänge: Projektteams entwickeln eigene "Projekt"-Kulturen, die Marketing-Abteilung schafft sich eine andere Subkultur als der F&E-Bereich und das Rechnungswesen hat Kommunikationsprobleme mit der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit sowie dem zentralen Rechenzentrum.

Bezogen auf die Informationskultur kommen hier zwei verschiedene Problembereiche zum Tragen: Zum einen kann die Informationskultur - zumal wenn sie "Gruppenkämpfertum" betont - Rückschlüsse auf bestimmte Subkulturen im Unternehmen zulassen, die sich aus den "shared values" der übrigen Mitarbeiter ausgrenzen und eine Aufsplitterung der Einheitskultur in unterschiedliche Subkulturen forcieren. In einem solchen Fall müßte überprüft werden, inwiefern zwischen den einzelnen Subkulturen Oberhaupt noch Stimmigkeit vorliegen kann.

Zum anderen stellt sich die Frage, ob die der Informationskultur zugrundeliegenden Werte zu den "übrigen" Unternehmenskulturwerten stimmig sind. Innovations- oder Mitarbeiterorientierung auf der generellen Unternehmenskulturebene vertragen sich nicht mit Einzelkämpfertum; ein "Techniker- und Tüftler-Kult" hingegen ist dissonant zur schrankenlosen

Informationsweitergabe, sondern erwartet Durchlässigkeit allenfalls auf Gruppenebene.

Landeskultur-Unternehmenskultur-Fit

Einerseits dürfen sich Unternehmenskultur und Landeskultur nicht diametral entgegenstehen und konträre Wertesysteme aufweisen. Auf der anderen Seite drückt jedoch die Kultur gerade das Spezifische und das Einzigartige eines Unternehmens aus. Die sich daraus ableitende Herausforderung ist offenkundig: Im Rahmen der gegebenen Landeskultur müssen Unternehmen markante Eigenheiten entwickeln und sich auf diese Weise unternehmenskulturell gegenüber der Konkurrenz profitieren. Gerade die Stimmigkeit zwischen Unternehmenskultur und Landeskultur stellt im Hinblick auf Europa 1992 und die Entwicklungen in Osteuropa eine weit unterschätzte strategische Gefahr beziehungsweise ein nicht erkanntes strategisches Potential dar. Man kann nicht länger nur in Produkten und Kostenstrukturen denken: Landeskulturelle Eigenheiten sind zu berücksichtigen und entsprechende unternehmenskulturelle Gestaltungsmaßnahmen zu wählen.

Geht man einen Schritt weiter, führt dies zu multinationalen UnternehmenskuIturen. Hier prallen dann unter anderem unterschiedliche Hierarchieverständnisse und Sicherheitsbedürfnisse aufeinander. Letztlich wird also ein Internationales Human Resource Management (IHRM) notwendig, wobei Kultursensibilität dringend erforderlich ist,

Unternehmenskultur-Strategie-Fit

"Stimmigkeit" bedeutet nicht Identität, sondern Verträglichkeit: So paßt eine Unternehmenskultur, die primär auf "Kundenorientierung" basiert, durchaus zu einer Unternehmensstrategie der Technologieführerschaft". Die eigentliche Herausforderung liegt in der Verbindung einer starken Unternehmenskultur mit einer präzisen Unternehmensstrategie. Sofern Kultur und Strategie in den zugrundeliegenden Basisaussagen harmonisieren, verstärkt die implizite Aussage der Unternehmenskultur die explizite Richtungsaussage der Strategie - mit entsprechend positiver Akzeptanzwirkung.

Bei bestehender Stimmigkeit empfiehlt sich die laufende Kontrolle dieser Stimmigkeit, verbunden mit möglicher Verstärkung der Kultur und weiterer Transparenz der Strategie. Fehlende Stimmigkeit zieht folgende Handlungskonsequenzen nach sich:

- Anpassung der Strategie an die Kultur,

- Anpassung der Kultur an die Strategie oder

- Reduktion der Unstimmigkeit durch Veränderungen auf beiden Seiten.

Eine solche Situation ist eine ernste Herausforderung an das Management! Ein Aufschieben der Lösung oder gar das Ignorieren dieser Problematik hat zwangsläufig fatale Konsequenzen für das Unternehmen.

(Der dritte Teil folgt in der nächsten Ausgabe.).

Das Stimmigkeitsprinzip

Die Beziehungen zwischen Unternehmenskultur einerseits und Strategie, Landeskultur und Organisationssystem andererseits sind zur Grundlage unternehmerischen Handelns zu machen (Stimmigkeitsprinzip).