Information Manager: Vom Kunden bezahlter VB?

16.12.1988

Hansjürgen Wilde, Software-Engineer und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Partner der ibek, Ingenieur- und Beratungsgesellschaft für Organisation und Technik, Karlsruhe

Management war schon immer Information Management. Dennoch soll mal wieder eine neue Vorstandsposition erfunden werden.

Über zehn Jahre lang steckte den Informatikern die Schlappe der Management-Information-Systeme (MIS) in den Knochen, ehe sie sich mit einem neuen Versuchsballon an die Öffentlichkeit wagten: dem Information Manager.

Erfahrungen aus Forschungs- und Beratungsprojekten zeigen, daß man auch aus diesem Ballon die Luft rauslassen kann. Schon früh wurden Forderungen nach einem Information Manager bei Herstellern aus der Bürokommunikationsbranche laut. Diese hatten ein sehr verständliches Interesse daran, bei den Anwendern einen Ansprechpartner zu installieren, der, im Gegensatz zu den damaligen RZ-Leitern, ein offenes Ohr (und eine offene Kasse) für dezentrale Lösungen besaß. Nebenher könnte dieser Mensch doch all die Schulungs- und Integrationsprobleme lösen, mit denen die Hersteller so große Probleme haben. In diesem Sinne ist der Information Manager der vom Kunden bezahlte Vertriebsbeauftragte des Herstellers.

Als der Information Manager dann verstärkt in der öffentlichen Diskussion auftauchte, hatte er sich zum Universalisten gemausert. Nun sollte er generell dafür zuständig sein, daß die im Unternehmen benötigten Informationen "Just-in-Time" an der richtigen Stelle zur Verfügung stehen.

Was berechtigt eigentlich zu der Hoffnung, daß seit der Hochzeit der MIS klarer geworden ist, was die besonders für das Management "benötigten Informationen" sind? Die Antwort darauf ist einfach:

Zwar behaupten inzwischen speziell die Hersteller von Expertensystemen, von der Informations- zur Wissensverarbeitung vorgedrungen zu sein; was Information oder gar Wissen aber ist, da hinken ihre Erkenntnisse denen der Psychologie um Jahre hinterher.

Nicht einmal die Betriebswirtschaftslehre kann bis heute hinreichend erklären, welches Wissen und welche Informationen für die Steuerung eines Unternehmens relevant sind. Es zeigt sich aber immer wieder, daß der größte Teil dieses Wissens als Ressource in den Unternehmen selbst vorhanden ist und durch Maßnahmen zur Verbesserung der

Kommunikation und des Informationsflusses im sozialen System "Unternehmen" mobilisiert werden kann.

Maßnahmen dazu müssen vor allem organisatorischer Art sein. So erklärte der Productions-Vice-President von DEC die Erfolge seines Unternehmens bei der Verringerung der Materialdurchlaufzeiten und der Erhöhung der Arbeitsproduktivität mit der Schaffung einer matrixartigen Organisationsform, und nicht etwa mit dem zugegebenerweise erhöhten Einsatz von Informationstechnologie (siehe auch CW Nr. 19 vom 8. Mai 1987, Seite 44 "Vergessen Sie das C in CIM".).

Bei der Beratung vieler Unternehmen entdeckt man, daß neue Organisationsformen nur durch Organisationsentwicklungsprozesse realisiert werden können. Der organisatorische Innovationsschub muß dem technischen Innovationsschub vorausgehen. Dies bedeutet aber die Überprüfung von Entscheidungs- und Arbeitsstrukturen auf ihre Situationsangemessenheit. Auf dem Hintergrund neuer komplexer Organisationsformen, die sich an den Prinzipien hierarchisch gegliederter Netze orientieren sollten, können sich dann auch die Potentiale neuer Techniken entfalten.

Warum aber legen dann so viele Unternehmen vorrangig Wert auf die Realisierung komplexer technischer Lösungen sowie die Unterstützung dieser Lösungen durch die Einrichtung neuer Positionen wie der des Information Managers?

Auch das ist nicht schwer zu beantworten. Nur die Hersteller dieser technischen Lösungen sowie technisch orientierte Beratungshäuser bieten Produkte zur Lösung der Informationsprobleme an.

Noch traut sich kein Organisationsberatungshaus mit definierten Produkten (wie einstmals der Orgware von ADV/ORGA) oder gar Preislisten - und sei es nur für eine Ist-Analyse - auf den Markt. Da erscheint es zur Zeit halt einfacher, das Information Management durch komplexe Systeme und einfache Organisationsveränderungen zu realisieren.

Erfolgversprechender aber ist es, die Organisation der Unternehmen auf ein ähnlich komplexes Niveau hinzuentwickeln, wie es den neuen Techniken entspricht. Wenn Sie ein gutes Information Management wollen, dann fordern Sie Ihre Organisatoren und Organisationsberater!