Informatiktagung Linz 1980 zur ASR Electronica:Inhumane DV zum Untergang verurteilt

12.09.1980

LINZ (CW) - Gerade zu Ende gegangen ist die Informatiktagung an der Universität Linz, die im Rahmen der ARS Electronica abgehalten wurde. Während Theoretiker und Praktiker der Informatik über "Informationssysteme im technischen und gesellschaftlichen Wandel" diskutierten, wurden Brucknerhaus und ORF-Studio zu Schauplätzen elektronischer Musik und darstellender Kunst.

Starkes Interesse fand die zweite Gemeinsame Fachtagung der beiden "Schwester"-Gesellschaften für Informatik, ÖGI und Gl. Zur Diskussion stand praktisch die gesamte automationsunterstützte Informationsverarbeitung und deren gesellschaftspolitische Auswirkungen. Fast ein halbes Tausend Teilnehmer bekundete ihr Interesse an den etwa 70 Vorträgen von hohem wissenschaftlichem Niveau sowie den heißen Diskussionen zwischen Vertretern unterschiedlichster gesellschaftlicher Positionen.

Zum Themenkreis "Recht und Politik" gab Prof. Wilhelm Steinmüller, Regensburg, eine engagierte Stellungnahme ab. Hieß Datenrecht ursprünglich Datenschutz - also Schutz des Bürgers vor negativen Folgen des Computereinsatzes -, so beginnt sich heute komplementär dazu ein Daten-Zugangs-Recht herauszubilden. Wichtige Vorbilder dafür sind das "Freedom-of-Information"-Recht der USA und das französische Archivgesetz.

Über die Schwierigkeit der Abwägung von ärztlicher Schweigepflicht und Forschungsinteressen sprach Dr. Rüdiger Klar, stellvertretender Leiter der medizinischen Informationsverarbeitung an der Universität Göttingen. Kräftig konterkariert wurde er dabei von Bärbel Ziegler-Jung, Datenschutzbeauftragte eines medizinischsozialpolitischen Großforschungsprojekts.

Über die Rolle der Datenschutzbehörden außerhalb des reinen Gesetzesvollzuges sprach der österreichische Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Prof. Dr. Adolf Nußbaumer. In dieselbe Kerbe hieb Dr. Gerhard Stadler, ebenfalls aus dem österreichischen Bundeskanzleramt und als Ziehvater des Datenschutzgesetzes bekannt.

Interpretative Freiräume

Konkrete Erfahrungen mit neun Monaten Datenschutzgesetz in Österreich brachte Erich K. Surböck von der Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung (ADV). Trotz einer grundsätzlich positiven Haltung zum Datenschutz beklagte Surböck die "interpretativen Freiräume", die sich der öffentliche Bereich bereits geschaffen habe, während "die privaten Anwender im Regen stehen" sowie eine sehr zurückhaltende Informationsbereitschaft der Datenschutzbehörden, die zu zahlreichen unnötigen Fehlern bei den Registrierungsanträgen führt. Dr. Thomas Herzog wies anschließend den Weg zur ersten Novellierung des österreichischen Datenschutzgesetzes.

Als bekannter Mahner zur Gestaltung menschengerechter Informationssysteme trat Prof. Dipl. Ing. Fred Margulies auf, der durch sein pensionsbedingtes Ausscheiden aus der Gewerkschaft nichts von seinem Engagement eingebüßt zu haben scheint. Margulies ist der Ansicht: "Die Informationssysteme der 80er Jahre werden menschengerecht sein, oder sie werden überhaupt nicht sein." Ausführlich wurde über die Bedrohung des Arbeitsplatzes durch zunehmende Automation und die Entwertung der Qualifikation diskutiert.

In der von Prof. Dr. Herbert Fiedler, GMD, moderierten Sitzung kam ausführlich die Stellung des Benutzers im Informationssystem zur Sprache. Mit fortschreitender "Entzauberung" der Informationstechnik und mit ihrer Verbindung zu anderen Lebensbereichen werden Systembenutzer mündiger, folgerichtig entsteht ein neuer Forschungszweig, die Benutzerforschung.

Spezielle Aspekte der Benutzerfreundlichkeit wurden in der Sitzung "Benutzerorientierte Gestaltung von Informationssystemen" erörtert; nämlich der Einsatz von Elementen der natürlichen Sprache für die Abfrage von Datenbanksystemen (Dehning, Essig, Maass und Brecht) sowie computerunterstütztes Lernen und Problemlösen für Blinde (Schweikhardt).

Den Computer als Instrument zur Lösung aktueller Probleme wählte Prof. Dr. Ernst Reichl von der Universität Linz als Vortragsthema. Er sieht im Umweltproblem vor allem ein Datenproblem, denn: "Die Teilnehmer einer ernsten ökologischen Diskussion benötigen große Datenmengen." Eine ausführliche Dokumentation der Vorträge erschien in zwei Bänden zu Beginn der Tagung. Einzelne Exemplare sind noch verfügbar. (Wird fortgesetzt)

Informationen: ÖGI - Österreichische Gesellschaft für Informatik, Prof. Schulz, Universität Linz, A-4045 Linz-Auhof, Tel.: 07 32/31 38 10.