Informatikstudenten ziehen Bilanz:Praktika eignen sich als solide Grundlage für den Berufseinstieg

03.04.1992

Für jeden Studenten stellt sich die Frage, ob die Ausbildungsinhalte der Universität allein das nötige Rüstzeug für den beruflichen Einstieg beinhalten oder ob wesentlich mehr von einem Berufsanfänger verlangt wird. Eine gute Basis für den Karrierestart bieten nach Auffassung von Thomas Spaamann und Michael Kramer* Ferienjobs und Praktika, die neben der theoretischen Ausbildung auch einen Einblick in das spätere Berufsleben bieten.

Ziel eines Praktikums sollte, wie der Name schon sagt, die Umsetzung der theoretischen Grundlagen, die an der Universität gelehrt werden, in die Praxis sein. Dies gilt für alle Studiengänge, denn in fast allen Bereichen vermittelt die Universität nur das theoretische Wissen. Bei dem Gedränge in den Hörsälen besteht für die Professoren nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, die Studenten mit der Praxis vertraut zu machen.

Hier ist nicht die Praxis gemeint, wie sie in Übungen, Hausarbeiten oder Unipraktika gefordert und gefördert wird. Hier geht es um viel mehr. "Wie setze ich mein Wissen in der Praxis effizient ein?" Diese und viele andere Fragen lassen sich durch häufiges Jobben relativ gut beantworten. Nur selten wird einem ein interessanter Ferienjob aufgedrängt, vor allem dann nicht, wenn man nirgends bekannt ist. An dieser Stelle ist Eigeninitiative gefordert.

In den großen Tageszeitungen sind am Wochenende zahlreiche Stellen ausgeschrieben, die zwar nicht für Studenten angeboten werden, die aber auf jeden Fall einen Ansprechpartner in der Firma enthalten. Nach einem Studentenjob zu fragen, kostet schließlich nicht viel. Es gilt also, die auf diese Weise ins Auge gefaßten Firmen anzurufen, oder besser gleich selbst hinzufahren und, mit Unterlagen bewaffnet, auf alle möglichen Fragen vorbereitet zu sein. Je größer ein Betrieb, desto komplizierter das Verfahren.

Von der Theorie in die Praxis

Ausgerüstet mit allerlei theoretischem Wissen, besteht für den Studenten die erste Schwierigkeit darin, sich an die Rahmenbedingungen, die in einem nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführten Betrieb gegeben sind, zu gewöhnen. Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Integration in ein Arbeitsteam. Diverse firmenspezifische Anforderungen an die Arbeitsweise und Ergebnispräsentation erweisen sich oft als etwas verwirrend und sind deshalb zu Beginn nicht unbedingt förderlich.

Das erste Praktikum ist in der Regel, vom fachlichen Aspekt gesehen, weniger erfolgreich. Es bietet aber eine Fülle von Erfahrungen im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten. Außerdem konkretisiert sich das Bild von den Anforderungen, die ein Unternehmen in einer professionellen Umgebung an einen Mitarbeiter, wenn auch nur an einen Werkstudenten, stellt. Dies alles zählt zu dem Wissen, das keine Universität vermitteln kann, das jedoch von unschätzbarem Wert für den Anfänger ist.

Als Werkstudent oder Praktikant lernt man viele Leute kennen, zu denen die Verbindungen auch dann nicht abreißen, wenn die Arbeit zu Ende ist. Der berufsbezogene Bekanntenkreis erweitert sich enorm. Das ist ein großer Vorteil bei der nächsten Arbeitssuche. Man kann zuerst einmal auf diese Kontakte zurückgreifen. Hat man sich bei einer Arbeit engagiert, so ist es durchaus möglich, daß der Arbeitgeber einen schon auf den nächsten Ferienjob anspricht. Jetzt zahlt sich der investierte Aufwand aus. Somit vereinfacht sich mit der Zeit der Prozeß der Arbeitssuche.

Durch die Ferienarbeit lassen sich sehr gut eigene Vorlieben in bestimmten Arbeitsgebieten feststellen, und so kann der Student bereits frühzeitig gewisse Schwerpunkte setzen. Er sammelt Erfahrungen mit Arbeitsmitteln, mit denen er an der Uni nicht konfrontiert wird.

Man erkennt den Nutzen von Theorien, die einem in der Uni oft nur überflüssig und nutzlos erschienen. Außerdem macht die Praxis in bestimmten Bereichen so sattelfest, daß man sich in den Lehrveranstaltungen auch einmal eine geistige Pause gönnen kann. Diese Erfahrungen sammelt man natürlich nicht in nur einem einzigen Praktikum. Schon allein aufgrund verschiedener Firmenstrukturen, von Großfirmen bis zu kleinen Betrieben mit nur wenigen Mitarbeitern, sind mehrere Ferieneinsätze für einen objektiven Überblick nötig.

In großen Firmen werden meist zusätzlich Schulungen angeboten; dafür ist jedoch die Arbeit auf einen sehr engen Bereich begrenzt. In kleineren Firmen ist man sehr flexibel in der Gestaltung seiner Arbeit und Arbeitszeit. Der Werkstudent wird aber oft. mit Dingen belastet, die nichts mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben. Diese zunächst unnötig erscheinenden Aufgaben führen aber zu stärkerer Selbständigkeit, größerem Verantwortungsbewußtsein und Durchsetzungsvermögen. Sie fördern schließlich die rasche Integration in das Betriebsgeschehen.

Das Umfeld - auch als Firmenkultur bezeichnet - trägt wesentlich zur Kreativität und Produktivität der Mitarbeiter bei. Welche Ausprägungen diese Firmenkultur annehmen kann, haben wir zum Beispiel bei unserer letzten Tätigkeit beim Münchener Unix-Softwarehaus Ixos Software GmbH erlebt.

Dort beschränkt sich der Arbeitsplatz eines Mitarbeiters nicht nur auf die technische Minimalausstattung, sondern reicht von überaus guten und leistungsfähigen Entwicklungsrechnern bis hin zu CD-Playern am Schreibtisch. Großzügig angelegte Räumlichkeiten erlauben eine aufgelockerte Einrichtung mit viel Grün.

Mit mehr als 50 Mitarbeitern hat Ixos eine Betriebsgröße, die es zuläßt, in der Organisation und Motivation der Mitarbeiter neue, unkonventionelle Wege zu beschreiten. Eine Firmenphilosophie mit Kultur schafft nicht nur eine angenehme Arbeitsatmosphäre, sondern hilft den Mitarbeitern sich mit der Firma zu identifizieren, was für den Erfolg eines Unternehmens wichtig ist.

Der Nutzen der praktischen Erfahrung schon während der Ausbildung ist nicht zu unterschätzen. Die gesammelten Eindrücke helfen sehr viel bei der Orientierung nach dem Studium.

*Thomas Spaamann und Michael Kramer sind Informatikstudenten an der Technischen Universität München.