Informatikstrategie: Top-Etage muß die Weichen stellen

04.12.1987

Dr. Gerhard Adler, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt

Unterstellen wir, daß die Saat aufgeht, die von den Gurus der informationstechnischen Branche, von den Anbietern einschlägiger Produkte, von Beratern und den Medien gelegt wurde: Informationstechnik begriffen als strategische Waffe zur Erringung von Wettbewerbsvorteilen! Diese Erwartung und die Realität entsprechender Anwendung der Technik klaffen allerdings noch weit auseinander. Die strategischen Planungen der Unternehmen enthalten allenfalls größere Investitionen in Computer-Hardware. Aber nicht selten wird bis auf die Ebene der Unternehmensleitung hinauf der Streit zwischen den DV-Spezialisten und den sogenannten Fachabteilungen am die Beschaffung eines bestimmten Personal-Computer-Modells ausgetragen. Geordnete Planungsprozesse für den Einsatz der Informatik unter unternehmensweitem Blickwinkel sind selten vorzufinden. Eine Sammlung von Projekten oder Projektwünschen, über deren Realisierung dann Lenkungsausschüsse entsprechend der etablierten Machtverteilung "entscheiden", ist noch keine Konzeption oder Planung zum Wohl des Gesamtunternehmens.

Drei Problembereiche verlangen die besondere Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung: die Kosten/Nutzen-Bewertung und Vorrangstellung von Informatikprojekten, die Komplexität der Informationssysteme, verbunden mit der wachsenden Abhängigkeit vom Funktionieren dieser Systeme, sowie die Veränderung der Organisation.

Die Vergabe von Prioritäten für Systementwicklungs-Vorhaben war in der Vergangenheit noch relativ leicht. Da primär operationelle Systeme zur Massendatenverarbeitung betroffen waren, genügen Wirtschaftlichkeitsberechnungen.

In Zukunft werden mehr und mehr qualifizierte Vorteile wie Flexibilität, schneller und besserer Service maßgebend sein. Unternehmerische Risikoentscheidungen - wie bei der Entscheidung für die Herstellung eines neuen Produkts - sind gefordert. Das Management eines Projektportfolios ist eine der herausragenden Aufgaben der Zukunft.

Hauptengpaß bei der Realisierung von Informationssystemen ist der Mangel an qualifiziertem Personal. Er verhindert, daß der erwartete Nutzen rasch erreicht wird. Das Angebot von Hardwareherstellern und Softwarehäusern wird daher vor allem daran gemessen werden müssen, inwieweit es den Aufbau von Informationssystemen und deren Benutzung erleichert. Fertige Bausteine, wie zum Beispiel die OPG-Standardsoftware, und Unterstützung bei der Einführung in das Umfeld des einzelnen Unternehmens sind wichtige Voraussetzungen.

Mit der zunehmenden Ausbreitung der Informationstechnik an alle Arbeitsplätze, bei allen Unternehmensfunktionen und mit der Integration erreicht die Komplexität der Informationssysteme jedoch allmählich die Komplexität der realen Welt. Flankierende Entflechtung durch Ordnung der technischen Infrastruktur und Gliederung der Datenbestände entsprechend den Unternehmensbedürfnissen sind notwendig. Zunehmend werden jedoch die technischen Kriterien zur Entflechtung nicht mehr ausreichen - die reale Welt, die Organisation des Unternehmens werden neu zu ordnen sein.

Ohnehin wird ohne Überdenken der Organisation das Nutzenpotential der Informatik nicht ausgeschöpft werden können. Veränderungen der gewohnten Organisation treffen jedoch erfahrungsgemäß meist auf den Widerstand der Betroffenen - die Unternehmensleitung wird um ihre Personalführungsaufgabe nicht herumkommen.

Um die erwarteten Wettbewerbsvorteile zu erzielen, führt deshalb kein Weg daran vorbei, die Informationsstrategie in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Und da es um das Unternehmen als Ganzes geht, hat die Unternehmensleitung selbst die Weichen zu stellen. Die Informatik-Experten (Informations-Manager, Leiter Org./DV) haben dabei allerdings wichtige Zuarbeit zu leisten.

Die Informationsstrategie ist mit der Strategie des Unternehmens insgesamt und den anderen Teilstrategien (für Produkte, für den Vertrieb, für Finanzen) zu synchronisieren. Strategische Entscheidungen in anderen Bereichen haben unmittelbare Auswirkung auf die Informatikstrategie.

Ausgehend von der Strategie können dann für die einzelnen Sparten oder Funktionen oder Standorte - je nach Unternehmensgliederung - organisatorische und technische Rahmenkonzeptionen und Realisierungspläne entwickelt werden.

Es kann nicht erwartet werden, daß ein erster Durchlauf des Planungsprozesses auf Jahre hinaus alle Weichen stellt und die Probleme löst. Auch hier gilt die Lernkurve! Doch ohne einen ersten strategischen Schritt wird sich die Lücke zwischen Erwartung und Realität nie schließen.

Diesen Vortrag hielt der Autor während einer Veranstaltung der Organisationspartner GmbH in Bad Oldesloe.