Experten prognostizieren großen Bedarf

Informatiker studieren betrieblichen Datenschutz

04.04.1997

Die Zusatzausbildung "Betrieblicher Datenschutz" dauert zweieinhalb Semester, ist studienbegleitend und praxis-orientiert angelegt und schließt mit einem Hochschulzertifikat ab. Das Ziel, das die Ausbildungskoordinatoren - die Juristin Marie-Theres Tinnefeld und der Mathematiker und Informatiker Klaus Köhler - im Auge haben, läßt sich etwa so formulieren: Ein Betrieb muß organisatorische und technische Vorkehrungen treffen, wenn der rechtlich einwandfreie Umgang mit personenbezogenen Daten gewährleistet sein soll. Aber das reicht nur dann aus, wenn auch das Gespür für die gesellschaftspolitische Brisanz des Themas und die Bereitschaft dazukommen, die entsprechende Verantwortung zu übernehmen.

Offensichtlich ist diese Botschaft bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Kurse auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Mehraufwand an Arbeit ist beträchtlich, sagen die Studenten, aber ebenso groß ist die persönliche und berufliche Bereicherung. Die Auseinandersetzung mit rechtlichen und informationstechnischen Zusammenhängen, berichten Monika Joosz, Andreas Leinfelder und Sven Müller, hilft ihnen, die eigenen Interessen als mündige Bürger in der Informationsgesellschaft zu erkennen und durchzusetzen. Sie wurden sensibilisiert für Fragen der Intimsphäre und des Persönlichkeitsschutzes - gerade auch im Betrieb.

Monika Joosz, die inzwischen als Assistentin am Fachbereich Informatik arbeitet, hebt die sozialen Kompetenzen hervor, die in der Zusatzausbildung gefordert und gefördert werden: Wer Beschäftigten mit anderen Spezialkenntnissen datenschutzrechtliche Fragestellungen nahebringen will, darf nicht nur Fachchinesisch sprechen. Und sie oder er muß bereit und fähig sein, im Team nach Lösungen zu suchen.

Wer an der Münchner FH Informatik studiert, hat Datenschutz als Pflichtvorlesung. Aber die Bedeutung des Themas wird vielen erst klar, wenn sie unter Anleitung die in den Praktika gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen kritisch auswerten. Beispiele: In Firma A. haben externe Kooperationspartner via Datenleitung Zugriff auf alle gespeicherten Informationen: Welche Gefahr bedeutet das für die Personaldaten? Bei Firma B. bemüht sich der Betriebsrat um eine Regelung für den Einsatz von Skill-Datenbanken: Worauf ist besonders zu achten? Firma C. entwickelt Patienten-Chip-Karten: Wie können intime Angaben vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden?

Seit es vor 20 Jahren bei den Münchner FH-Informatikern die erste Vorlesung über Datensicherung als Teil des Datenschutzes gab, nimmt die Brisanz der Themenfelder "Persönlichkeitsschutz" und "Ethik in der Telekommunikation" stetig zu. Nach dem Volkszählungsurteil wurde das eigenständige Fach Datenschutz eingerichtet.

EU-Datenschutz als Schwerpunkt

Seit 1988 organisiert Marie-Theres Tinnefeld ein offenes, interdisziplinäres Datenschutzseminar mit Fachleuten aus Industrie, öffentlichem Dienst und Datenschutzbehörden, das auch fester Bestandteil der Zusatzausbildung ist. Dank der Kooperation mit der Politischen Akademie in Tutzing können, wie Tinnefeld betont, hochkarätige Experten aus dem In- und Ausland eingeladen werden. Schwerpunkt in diesem Jahr: der europäische Datenschutz.

Das deutsche Konzept der unternehmensinternen Eigenkontrolle durch betriebliche Datenschutzbeauftragte hat mittlerweile Eingang in die EU-Richtlinien gefunden, berichtet Juristin Tinnefeld. In den nächsten Jahren ist deshalb mit einer großen Nachfrage nach qualifizierten Datenschützern zu rechnen. Der sensible Umgang mit Kundendaten kann für viele Firmen - nicht nur für Banken und Versicherungen - zum Wettbewerbsvorteil werden.

"Die gesellschaftliche Verantwortung für ihre spätere Tätigkeit sollen die Studenten hier lernen", betont Informatikprofessor Köhler. Und die künftigen betrieblichen Datenschützer selbst definieren ihre Aufgabe so: Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger blockieren, sondern mitgestalten. Andreas Leinfelder vergleicht sie mit der kritisch konstruktiven Rolle von Betriebsräten. "Wir müssen", setzt Monika Joosz hinzu, "Lösungen für die erkannten datenschutzrechtlichen Lücken liefern." Eine Herausforderung, weiß Sven Müller, gerade auch für die Software-Entwickler. Deshalb freut es Professor Köhler, daß an der Zusatzausbildung, die speziell für die Studierenden mit Schwerpunkt "Informatik in der Wirtschaft" konzipiert wurde, inzwischen immer mehr angehende Entwickler, die "Technik-Freaks", teilnehmen.

Lösungen für Lücken liefern

Das Interesse der Industrie und der für Datenschutz zuständigen Behörden an der Arbeit der FH ist erfreulich groß, unterstreichen Köhler und Tinnefeld. Das zeigt sich an der regen Beteiligung der einschlägigen Spezialisten an den offenen Tagungen. Das kommt den Studenten zugute, die bei praxisrelevanten Diplomarbeiten von Externen mitbetreut werden. Und das spiegelt sich in der wachsenden Zahl von Anfragen diplomierter FH-Absolventen wider, ob die Zusatzausbildung "Betrieblicher Datenschutz" auch berufsbegleitend angeboten wird. Aussichten bestehen.

*Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.