Informatiker ohne Scheuklappen bevorzugt

22.05.2003
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Biologisches Problem schnell erfassen

Thomas Budimann, Projekt-Manager bei TSE-Systems im Bad Homburg, wünscht sich den Generalisten mit guten Programmierkenntnissen. Dabei geht es in seinem Unternehmen, das Komplettsysteme für die Pharmaforschung herstellt, unter anderem um die Entwicklung von Interface-Karten für die Datenerfassung und Prozesssteuerung, die Gestaltung der Programme auf dem Bildschirm unter Windows (XP, NT) sowie Programmierung der Datenanalyse. Branchenkenntnisse seien für das Bad Homburger Unternehmen, nicht so wichtig. "Ein allgemeines Verständnis und ein echtes Interesse an biologischen Fragestellungen reichen aus", so Budimann.

Er sucht eher IT-Profis, und wenn Einsteiger, dann solche mit Programmiererfahrung. "Uns nutzt es nichts, wenn ein junger Absolvent die Prinzipien der Quanteninformatik beherrscht, nicht aber eine AD-Wandlerkarte konfigurieren kann", so der Projekt-Manager. Er stellt am liebsten Mitarbeiter ein, die vielseitig sind. Deren Aufgabe beschreibt er so: Sie müssen zunächst die an sie herangetragene biologisch beziehungsweise pharmazeutische Problemstellung erkennen, die wesentlichen Gesichtspunkte erfassen und in sehr kurzer Zeit den Programmieraufwand abschätzen können. Dann geht es an die Programmierarbeit selbst, "und zwar nicht nur modular, sondern oft vom ersten Konzept bis zum fertigen Produkt".

Mitarbeiter der Konstanzer Altana Pharma AG bauen Pantoprazole-Moleküle am Computer auf.
Mitarbeiter der Konstanzer Altana Pharma AG bauen Pantoprazole-Moleküle am Computer auf.

Entwickler sollten sich nicht scheuen, sich mit Hardware (Interface-Karten, Programmierung von Schnittstellen) zu beschäftigen. Denn viele Probleme bezögen sich auf Messungen, Datenaufnahme, Regelprozesse, aber auch die Datenaufbereitung und -analyse seien wichtige Bereiche. "An Bedeutung gewinnt das kontrollierte und nachprüfbare Programmieren, Audit-trail und GLP (Good Laboratory Practice) sind hier die Stichpunkte", so Budimann. Er schätzt, dass schon in zwei Jahren kein Programm in der Pharmabranche mehr verkäuflich sein wird, das nicht den aus den USA kommenden GLP-Standards genügt.

Berater drängen auf den Markt

Die Altana Pharma AG aus Konstanz bevorzugt im Augenblick ebenfalls eher die erfahrenen Experten. Und auch hier spielen die Branchenkenntnisse eher eine untergeordnete Rolle, wie Sprecher Mirko Meier-Rentrop betont. Aufgrund der allgemeinen Arbeitsmarktsituation habe die Zahl der Blindbewerbungen zugenommen. Allerdings trenne sich nun die Spreu vom Weizen. Meier-Rentrop: "Quereinsteiger ohne solide Informatikausbildung sind inzwischen nicht mehr gefragt und haben es sehr schwer, eine neue Stelle zu finden. "Zudem würden immer mehr Consultants auf den Arbeitsmarkt drängen, die von ihren Beratungshäusern freigesetzt werden. "Das Qualitätsniveau ist insgesamt sehr unterschiedlich", bilanziert Meier-Rentrop.

Chemie- und Pharmariese Bayer hat noch etwa 60 IT-Positionen zu besetzen, wie Personal-Manager Oliver Berntgen stolz erzählt - angefangen vom Informatiker für E-Commerce-Anwendungen über den SAP-Berater bis hin zum Netzspezialisten. In einem weltweit tätigen Konzern gäbe es eben sehr unterschiedliche und vor allem abwechslungsreiche Aufgaben zu besetzen - auch in der IT, was den meisten Bewerbern gar nicht so bewusst sei, bedauert Berntgen.

Neben den guten fachlichen Qualifikationen legen die Bayer-Personaler großen Wert auf die viel zitierten Schlüsselqualifikationen. In ausführlichen Gesprächen wird versucht, herauszufinden, ob der Mitarbeiter zum Konzern und zum künftigen Team passt. Ganz wichtig sei auch Flexibilität - "in jeder Hinsicht", wie Berntgen betont. Das fängt bei der Aufgabe an - Jobrotation ist für uns kein Fremdwort - betrifft aber auch den Ort des Einsatzes und die sich ändernden Anforderungen.

Auch Pfizer, einer der weltgrößten Pharmahersteller mit 46 Milliarden Dollar Umsatz und 133000 Beschäftigten weltweit, stellt in Deutschland IT-Spezialisten ein. Das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe beschäftigt hierzulande 6000 Mitarbeiter. Computerfachleute werden vor allem in der Entwicklung und Betreuung der vorhandenen Systeme eingesetzt, in der Anwenderunterstützung und in der Beratung der Fachbereiche wie Marketing, Vertrieb oder Medizin. Was die Anforderungen an künftige Beschäftigte betrifft, unterscheiden sie sich kaum von denen in anderen Unternehmen. Das heißt, es sollte idealerweise ein Informatikstudium oder eine vergleichbare Ausbildung sein.Wichtig sind Pfizer, wie Firmensprecherin Franziska Theobald betont, auch betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, eine ausgeprägte Kundenorientierung und gutes Englisch.