IT-Know-how allein genügt nicht

Informatiker im Vertrieb - das klappt selten

03.01.2011
Von 
Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilBerater.

Stehaufmännchen gesucht

Auch wegen der in der Vergangenheit häufig einseitigen Ausrichtung der Informatikstudiengänge auf die Programmiertätigkeit fehlen vielen IT-Experten Fähigkeiten, die Vertriebler brauchen. Dazu zählt nicht nur die Kenntnis der Geschäftsprozesse in Unternehmen. "Dieses Know-how hat sich mancher Computerfachmann, der heute zum Beispiel als Projekt-Manager an der Schnittstelle zwischen dem IT-Bereich und den Fachabteilungen arbeitet, im Verlauf seines Berufslebens angeeignet", betont Rosemarie Clarner, Senior Vice President Global Human Resources bei der Software AG, Darmstadt. "Dasselbe gilt für ein gewisses betriebswirtschaftliches Know-how."

Elisabeth Heinemann, Informatikprofessorin: "Vertriebler brauchen einen langen Atem und müssen Niederlagen gut wegstecken können."
Elisabeth Heinemann, Informatikprofessorin: "Vertriebler brauchen einen langen Atem und müssen Niederlagen gut wegstecken können."
Foto: Heinemann Elisabeth

Das genüge aber nicht, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. "Ein technisches Fachgespräch unter Kollegen ist etwas anderes als ein Verkaufsgespräch", erklärt Bitkom-Mann Pfisterer. Unternehmensberater Herlan ergänzt: "Um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man andere Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale, als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten." Welche Skills das sind, beschreibt Elisabeth Heinemann, die am Fachbereich Informatik der Fachhochschule Worms einen Lehrstuhl für Schlüsselqualifikationen innehat. Laut der Diplominformatikerin, die für ITler gerade den Karriereratgeber "Jenseits der Programmierung" herausgebracht hat, muss ein Vertriebsmitarbeiter zum Beispiel Niederlagen gut wegstecken können. Er müsse eine Art Stehaufmännchen sein. Nicht umsonst laute ein alter Spruch im Vertrieb: "Ein guter Verkäufer ist, wer durch die Vordertür rausgeschmissen wurde und durch die Hintertür wieder hereinkommt." Dahinter stehe die Erkenntnis: Gerade wer im Projektverkauf tätig ist, und hierzu zählt der Verkauf von IT-Lösungen meist, braucht einen langen Atem. Der Kunde hat in der Regel bereits technische Partner und benötigt deshalb auf den ersten Blick keine anderen Angebote. Ändert sich jedoch etwas an seinem Bedarf, dann gilt es für den Vertriebler, Präsenz zu zeigen.

Gespür für Konstellationen

Das ist oft nicht einfach. Denn für den Verkauf von Industriegütern und -dienstleistungen gilt: Die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden sind vielfältig. Zuweilen widersprechen sich die Interessen der Personen, die dem Buying Center angehören, also an der Kaufentscheidung beteiligt sind. Entsprechend feine Antennen benötigt ein Vertriebler. Peter Schreiber, Inhaber einer Vertriebsberatung in Ihlsfeld, empfiehlt, sich folgende Fragen zu stellen: Was ist dem Kunden wichtig? Was sind seine Kaufentscheidungskriterien? Wie laufen die Entscheidungsprozesse bei ihm ab? Wer hat was zu sagen? Entsprechend flexibel muss ein Vertriebler in seinem Denken und Verhalten sein. Auch eine (gesprächs-)taktische Schulung ist empfehlenswert.

Jungen Informatikern, die sich als Entwickler wohlfühlen, empfiehlt Pfisterer darum keine Karriere im Vertrieb, selbst wenn dort, die variablen Vergütungsanteile mitgerechnet, oft eine bessere Bezahlung locke. Eher sollten sie darauf hinarbeiten, eine Teamleiter- oder Projekt-Management-Funktion zu übernehmen. "Die meisten Informatiker betrachten es primär als ihren Job, ein bereits definiertes Problem logisch zu lösen", so Herlan. Sie denken kaum dar- über nach, wie es beim Kunden weitergeht oder wie man ihm zusätzlichen Nutzen bieten kann, um Anschlussaufträge an Land zu ziehen.

Auch weil es an qualifizierten Informatikern fehlt, werden die meisten IT-Unternehmen in den kommenden Jahren ihre IT-Profis kaum zu Vertriebskräften entwickeln. Vor allem die kleineren Anbieter, die anders als Branchengrößen wie Software AG oder SAP nicht jeder Hochschulabsolvent kennt, sind oft froh, wenn sie genug Mitarbeiter mit dem benötigten IT-Wissen finden.