Die Support-Organisation wird zum strategischen Instrument:

Informatik-Bereich muß seinem Standort völlig neu bestimmen

14.12.1990

KÖLN (qua) - Mit Technologie allein können die Betriebe die durch neue Märkte und Produktionsbedingungen an sie gestellten Anforderungen schwerlich meistern; gefragt sind Lösungen, die den Betrieb als Ganzes einbeziehen. So lautet das Fazit des Kongresses "lnformation Management", den die Münchner Plenum Institut GmbH kürzlich in Köln veranstaltete.

"Infolge der Globalisierung der Märkte, infolge der Verkürzung der Produkt-Lebenszyklen, infolge von Fusionen und Kooperation sowie von politischen Veränderungen werden die Unternehmen gezwungen sein, mehr Dynamik zu entfalten und ihre Organisation dauernd den Verhältnissen anzupassen." So umriß Gaston Guex, bis dato für die strategische lnformatikplanung der Swissair verantwortlich, die künftigen Rahmenbedingungen des Informations-Managements.

Die von dem Schweizer beschworene Dynamik und Flexibilität wird auf der technischen Seite zu noch komplexeren, noch weiter vernetzten Systemen führen. Gravierender als diese technischen Neuerungen, darüber waren die Referenten einer Meinung, ist jedoch ein verändertes Selbstverständnis der DV-Abteilungen.

"Die strategische Bedeutung des Produktionsfaktors Information erfordert eine Umorientierung des IV-Managements von der Leitung eines Servicebetriebes zur Mitgestaltung des Unternehmens", erläuterte der Unternehmensberater Hillert Hillebrands, ehedem Vorstandsmitglied der Westfälischen Provinzial Versicherungen. Ergänzte Guex: "Die Informatik muß sich von der reagierenden Support-Organisation zum strategischen Instrument der Unternehmung entwickeln."

Die Informationsverarbeitung, so forderte der mittlerweile bei einem Zürcher Bankhaus beschäftigte Informations-Management-Experte, dürfe nicht Selbstzweck, sondern müsse Mittel zum Zweck sein. Als solches habe sie die permanten Veränderungen der Umwelt und des Unternehmens ständig nachzuvollziehen.

In diesem Zusammenhang muß auch die Arbeitsteilung zwischen DV und Fachabteilungen in Frage gestellt werden. "Die Entwicklung eines zukunftssicheren, flächendeckenden Informatik-Know-hows ist schon seit einigen Jahren keine interne Angelegenheit der Infomationssystem-Bereiche mehr", konstatierte Manfred Lang, Direktor der Diebold Research Programme und Leiter des Informationszentrums der Diebold Deutschland GmbH in Eschborn, "im Gegenteil - das Know-how der Fachbereiche ist heute von unternehmensstrategischer Bedeutung; insofern ist ein ganzheitlicher Ansatz für Fachabteilungen und IS-Bereiche erforderlich."

"Emanzipation der Fachbereiche"

Auch Guex plädierte für eine "Emanzipation der Fachbereiche". Seiner Ansicht nach sollte die Informationsverarbeitung - soweit technisch und wirtschaftlich möglich - dezentralisiert werden. "Wenn ein Unternehmen die Informatik als strategisches Erfolgspotential einsetzen will, kommt es nicht darum herum, deren Organisation der zunehmend dezentraleren Organisation der Unternehmung anzupassen, also auch die Informatik in gewissen Bereichen sinnvoll zu dezentralisieren."

Allerdings erwähnte Guex auch die Grenzen dieser Dezentralisierung: "Strategische Planung, Prioritätensetzung, Architekturen, Standards, Software-Tools, Methoden und Datenarchitektur sind Funktionen, die im Interesse der Gesamtunternehmung zentral wahrgenommen werden müssen." Operationelle Funktionen wie der Betrieb des Zentralrechners und der Netze würden sich ebenfalls nicht dezentralisierung lassen.

"Je mehr Dezentralisierung, desto zwingender ist die zentrale Vorgabe von Schlüsselfunktionen", lautete die Maxime des Schweizers.

Entscheidend für die zentralen Vorgaben sollten die mit der Informationstechnik verfolgten Ziele des jeweiligen Unternehmens sein. In dieser Beziehung ist es um die Betriebe hierzulande allerdings schlecht bestellt. "Nur zwei von zehn deutschsprachigen Unternehmen haben ihre Ziele in irgendeiner Form festgelegt", stellte Hartmut Skubch, Geschäftsführer der Plenum Management GmbH in Wiesbaden, fest.

Für Hillebrands reicht die schlichte Formulierung von Zielen nicht einmal aus; er ermutigte die Unternehmensführungen vielmehr, Visionen zu entwerfen: "Eine Stratgegie muß mit der Vision des Managements zur künftigen Entwicklung verbunden werden", forderte der Berater. "Geschieht das nicht, so verliert man sich in vielen Unbekannten."

Visionen, so Hillebrands, würden die Mitarbeiter motivieren, so daß die Unternehmensführung mit ihnen gemeinsam Strategien entwickeln könnten. Daraus entstehe dann ein dynamischer Prozeß: Die Beschäftigung mit den strategischen Planungen erzeuge wiederum neue Visionen.

Frank Peschanel, Geschäftsführer der FFS Gesellschaft für Unternehmensentwicklung in München, meldete allerdings Zweifel an, ob die gegenwärtigen IS-Manager mit solchen Visionen nicht überfordert seien. Die Führungskräfte im DV-Bereich seien per se keine Visionäre; höchstens fünf bis zehn Prozent von ihnen ließen sich nicht eindeutig dem rational-formalen Denktypus zuordnen.

Der Grund dafür sei vor allem in den Auswahlkriterien zu suchen, wie sie beispielsweise der von IBM entwickelte und von vielen Anwenderunternehmen übernommene Entwickler-Test PET vorgebe. Dieser Test stelle quasi einen "Filter gegen strategische visionäre Denker" dar.

Gravierende Personalprobleme

Demzufolge sieht Peschanel eine Aufgabe zukunftsorientierter Unternehmen darin, von der Personalentwicklung her daran zu arbeiten, daß die Übermacht des rational-formalen Denkens ein Gegengewicht erhält. Hillebrands pflichte dem Münchner bei: Jahrelang seien die falschen Leute herangezogen worden. "Auf die Unternehmen kommen hier Personalprobleme zu, die gravierender sein werden als beim Übergang von der Lochkarte zur EDV", orakelte der Münsteraner.

Als wichtigen Erfolgsfaktor für ein Unternehmen bezeichneten die Referenten übereinstimmend den Erfahrungsaustausch von DV auf der einen und Fachabteilung auf der anderen Seite. So lernte beispielsweise Peschanel aus dem Management von Krisenprojekten: "Das, was man versäumt hatte, war fast immer die Kommunikation zwischen den Beteiligten." Die Schuld an dieser Situation wies der Diebold-Manager Lang den DV-Abteilungen zu: "Die besondere Schwierigkeit im IS-Bereich liegt häufig in der hochgradigen Technikzentriertheit der Mitarbeiter und der DV-Führungskräfte. Untersuchungen haben ergeben, daß die Kommunikationsfähigkeit als wesentliches Element kooperativer Zusammenarbeit dort deutlich schlechter ausgeprägt ist als bei vergleichbaren Kollegen aus den Fachabteilungen."

Als Ursache für dieses Manko vermutete das Mitglied der erweiterten Diebold-Geschäftsführung "kommunikative Verweigerung aus einer überwiegend elitären Grundhaltung heraus". Das Problem liege offensichtlich im falschen Rollenverständis, das für jedes Unternehmen neu erarbeitet und trainiert werden sollte.