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Infor verfolgt Best-of-Breed-Strategie

10.11.2005
Der ERP-Anbieter Infor hat anlässlich der Kundenveranstaltung "Dialog 5" dargestellt, wie er seinen ERP-Bauchladen integrieren will.

Aus den Produktlinien der übernommenen Hersteller Infor, Brain, Mapics und einigen anderen will das Unternehmen einzelne Module herauslösen. Die Bausteine sollen über Schnittstellen an die ERP-Programme "Infor Com", "XPPS", "XA" und "AS" angedockt werden können, um diese aufzuwerten. Da dieses Vorgehen an den "Best-of-Breed-Ansatz" erinnere, jedoch darüber hinausgehe, bezeichnet der Softwareanbieter das Konzept als "Super-Breed". Die Softwareelemente, beispielsweise eine Finanz-Management-, CRM- oder SCM-Komponente, kapselt der Hersteller zunächst ab und überarbeitet sie. Zum Teil will Infor die Programmmodule auch neu schreiben.

Der Software-Anbieter bedient schwerpunktmäßig Kunden aus der diskreten Fertigung und hat sich vor allem als Lieferant von Produktionssteuerungslösungen für Automobilzulieferer profiliert. Dem Beratungs- und Marktforschungsunternehmen PAC zufolge rangiert das Unternehmen bezogen auf den Umsatz mit Fertigungslösungen in Deutschland auf Platz zwei hinter SAP. Allerdings beträgt der Marktanteil drei Prozent, der von SAP über 33 Prozent. An dritter Stelle steht Proalpha (2,3 Prozent).

Die neue Produktstrategie zielt darauf ab, ähnliche Funktionen, die mehrfach in den ERP-Linien vorkommen, langfristig zusammenzuführen. Über die Jahre soll aus den unterschiedlichen Softwareplattformen eine neue Architektur entstehen. Manche Infor-Produkte - insbesondere die mit Brain übernommenen - wurden in RPG programmiert. Deren Funktionsumfang soll in Java und .NET nachgebildet werden. Wie heute will man auch künftig die Plattformen I-Series, Linux und Windows/.NET bedienen.

Obwohl dies auf eine Ablösung bestehender Produkte hindeutet, erneuerte Infor auf einer Veranstaltung in München das Versprechen, beim Kunden laufende Software nicht einzustellen. "Wir pflegen alle Programme und entwickeln sie auch weiter", versprach John Flavin, General Manager der Infor Discrete Group.

Im Gegensatz zu anderen Herstellern wie SAP und Oracle plant Infor beim Umbau der Softwareumgebung in größeren Zeiträumen. Das Super-Breed-Vorhaben werde Flavin zufolge erst in fünf bis sieben Jahren umgesetzt sein. Anwendungsmodule sollen wie bei anderen Anbietern langfristig über Web-Services und innerhalb einer Service-orientierten Architektur angeboten werden.

Erste Ansätze des Super-Breed-Konzepts sind laut Christian Hestermann, Verantwortlicher für alle in Deutschland entwickelten Infor-Produkte, bereits umgesetzt. Beispielsweise könnten Nutzer des Pakets Infor AS (das frühere "Brain Industry") eine CRM-Komponente verwenden, die aus Infor Com stammt. Als weiteren Super-Breed bezeichnet die Firma "Supplyweb" und "Global Financials". Supplyweb ist eine Lösung für das Lieferanten-Management, die Infor-ERP-Systeme aber auch Drittsysteme wie die von SAP einbindet. Damit können Anwender Supplier-Managed-Inventory-Prozesse auflegen. Hierbei werden Lieferanten in die Warendisposition eingebunden. Sie haben Einblick in den Warenbestand ihres Kunden und können ihre eigene Kommissionierung danach ausrichten. Global Financials basiert auf der Technik der übernommenen Softwareschmiede Varial.

Anders als SAP und Oracle betätigt sich Infor nicht als Infrastrukturanbieter und hat dies auch nicht vor. Die beiden Konkurrenten vermarkten mit "Netweaver" und "Fusion" Integrations- und Ablaufumgebungen für ihre Business-Programme. Infor verzichtet darauf, die für die Super-Breed-Idee benötigte Plattform (sie trägt den Arbeitstitel "Corestone") derart in den Mittelpunkt zu rücken. Corestone setzt sich aus Infrastrukturbestandteilen der ERP-Linien zusammen, die das Unternehmen herauslöst und allen Produkten zur Verfügung stellt. Dazu zählen Single-Sign-on, Benutzerverwaltung, Clients und Anwendungsintegration. Allerdings steht Infor hier noch ganz am Anfang. Fest steht lediglich, dass Corestone Java-Application-Server wie Jboss verwenden soll und alle Anwendungen die Oberflächentechnik des heutigen Infor Com 6.3 erhalten.

Der Softwareanbieter will 18 Prozent des Umsatzes in die Produktentwicklung investieren. Außerdem sind weitere Zukäufe geplant. Hinter Infor steht das Investmenthaus Golden Gate Capital. Potenzielle Kaufkandidaten nennt das Infor-Management zwar nicht, ließ aber durchblicken, dass CRM- und Corporate-Performance-Management-Produkte sowie Lösungen für den Anlagenbau von Interesse sind.

Kurz vor der Veranstaltung hatte Golden Gate Capital den Kauf der Firma Geac Computer Corporation bekannt gegeben. Die ERP-Sparte von Geac fällt Infor zu. Dadurch steigt Infor-Manager John Flavin zufolge der Jahresumsatz seines Unternehmens auf über 700 Millionen Euro. In zwei bis drei Jahren sollen die jährlichen Einnahmen bei 1,2 Milliarden Dollar liegen. (fn)