Infor kämpft gegen das Ausschlachter-Image

15.10.2007
Softwarefirmen zukaufen, um von den Wartungseinahmen gut zu leben – das wurde dem Investor-finanzierten Softwarekonzern Infor immer wieder vorgeworfen. Nun wollen die Verantwortlichen diese Vorurteile endgültig aus der Welt schaffen.

"Wir wollen Unternehmen eine Alternative bieten", zitiert der britische Nachrichtendienst "Computerwire" Jim Schaper, CEO von Infor. Auf der Anwenderkonferenz in Großbritannien erläuterte der Firmenlenker die künftige Geschäftstrategie und bemühte sich, Vorurteile auszuräumen, Infor sei nur darauf aus, Wartungseinnahmen bei seinen Kunden abzugreifen.

Firmen hätten heutzutage beim Softwarekauf im Grunde nur zwei Möglichkeiten, meinte Schaper. Auf der einen Seite gebe es Spezialisten, die zwar ein tiefes Branchen-Knowhow mitbrächten, denen es aber am finanziellen Rückgrat und der globalen Aufstellung fehle. Auf der anderen Seite ständen die großen Softwarekonzerne wie SAP und Oracle. Diese böten den Kunden zwar Investitionssicherheit und globalisierte Produkte. Allerdings seien deren Lösungen komplex und nur mit großem Aufwand zu implementieren.

Die Lücke zwischen beiden Angeboten will Infor füllen, warb Schaper für das eigene Portfolio. Nach 31 Übernahmen in den vergangenen fünf Jahren sei Infor nun in der Lage, seinen Kunden weltweit Lösungen anzubieten, die einfach einzuführen seien und darüber hinaus auch spezifische Geschäftsanforderungen der Anwender erfüllten. Diesen Anspruch versuchte der Firmenchef mit Zahlen zu untermauern: Mit Jahreseinnahmen von rund 2,3 Milliarden Dollar sei es dem Softwareanbieter gelungen, seinen Umsatz jährlich zu verdoppeln. Allerdings stammen etwa 49 Prozent der Einnahmen aus dem Wartungsgeschäft. Der Serviceumsatz macht 27 Prozent aus und 24 Prozent der Einnahmen kommen aus Lizenzverkäufen. Schaper zufolge habe der Anbieter im Zuge seiner Akquisitionsstrategie kaum Kunden verloren. Infor habe 93 Prozent der Anwender halten können. Darüber hinaus habe man zahlreiche Neukunden gewinnen können, 1700 allein in den zurückliegenden zwölf Monaten.

Infor pocht auf Entwicklungskompetenz

Den Vorwurf, Infor sei nur an den Wartungseinnahmen seiner Kunden interessiert, versuchte Schaper mit dem Verweis auf aktuelle Entwicklungsarbeiten zu entkräften. Mit 2400 Mitarbeitern sei rund ein Viertel der Infor-Belegschaft mit der Weiterentwicklung von Software beschäftigt. Allein im vergangenen Jahr habe der Konzern 87 Upgrades seiner Produkte auf den Markt gebracht. Außerdem investiere der Hersteller jährlich rund 400 Millionen Dollar in neue Produkte und Technik. Darüber hinaus habe Infor eine Reihe von Entscheidungen von übernommenen Softwareanbietern revidiert, bestimmte Softwareprodukte nicht mehr weiterzuentwickeln.

Den Beweis, ob es Infor mit seinen Entwicklungsversprechen ernst ist, wird der Anbieter im Rahmen seiner SOA-Strategie antreten müssen. Seit rund einem Jahr sprechen die Verantwortlichen über ihre eigene Ausprägung einer Service-orientierten Architektur (SOA), ohne bislang allerdings besonders konkret zu werden. Das soll sich in den kommenden Monaten ändern. Im Gegensatz zu SAP und Oracle plant Infor keine eigene SOA-Plattform. Vielmehr sollen die bestehenden Applikationen mit Hilfe eines Enterprise Service Bus (ESB) integriert werden. Die Anwendungen selbst sollen durch Feature Packs dafür vorbereitet werden. Der Vorteil dieser Strategie liegt den Infor-Verantwortlichen zufolge darin, dass die Anwender auf diese Weise ins SOA-Zeitalter wechseln könnten, ohne eine neue Plattform oder eine neue Anwendungsgeneration einführen zu müssen. Die erste neue Produktreihe auf SOA-Basis soll ab Mitte 2008 auf den Markt kommen. Damit will der Hersteller unter anderem auch die Benutzerfreundlichkeit seiner Produkte verbessern. Demnach soll es beispielsweise möglich sein, eigene User-Interfaces zu bauen beziehungsweise spezifische Rollen zu definieren.

Anwender wollen neue Funktionen

Ob die Infor-Kunden den Technik-Vorstoß ihres Softwarelieferanten honorieren, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit hatte die überwiegende Mehrheit der Anwender stärker darauf gedrängt, die Produkte funktional weiterzuentwickeln. Der Technik-Fokus habe bei den Kunden wenig Begeisterung hervorgerufen, mussten auch die Infor-Verantwortlichen einräumen. Infolgedessen hatte der Softwareanbieter vor einem Jahr beschlossen, die Java-Portierung von "ERP COM" auf Eis zu legen. (ba)