Infor-CEO Phillips: Kunden wollen Auswahl

22.11.2012
Der Business-Softwareanbieter Infor arbeitet am Comeback. Im Gespräch mit CW-Redakteur Martin Bayer erläutert der von Oracle gekommene CEO Charles Phillips, wie er sich im Wettbewerb gegen SAP und seinen Ex-Arbeitgeber aufstellen will.

CW: In den vergangenen Jahren war es sehr ruhig um Sie - ganz anders als zu Ihren Oracle-Zeiten. Was sind die Gründe dafür?

Phillips: Infor steckt im Moment in einer Transformation. Wir haben ein neues Management-Team formiert, um den Dingen eine neue Richtung zu geben - ganz anders, als es bisher gelaufen ist. Es hat aus unserer Sicht zuletzt keinen Sinn gegeben, die PR-Trommel zu rühren, bevor wir nicht unsere Produkte auf den neuesten Stand gebracht und eine Architektur dafür gebaut haben. Jetzt kommt allerdings der Zeitpunkt, an dem wir zeigen können, was unsere Investitionen bewirkt haben.

CW: Was wollen Sie anders machen, und auf welchen Bereichen liegt Ihr Fokus?

Phillips: Wir haben im zurückliegenden Jahr über 600 zusätzliche Ingenieure eingestellt. Zudem suchen wir weitere 400 Fachleute. Insgesamt arbeiten bei Infor mittlerweile 4000 Entwickler, die sich nur um unsere Applikationen kümmern. Das ist eine der größten Entwicklungsabteilungen in der gesamten Industrie. Mit dieser Mannschaft sind wir in der Lage, zügig neue Produkte in den Markt zu bringen.

CW: Der ERP-Markt ist hart umkämpft. Welche Möglichkeiten gibt es, um gegen Konkurrenten wie SAP zu bestehen?

Phillips: In vielen Industrien legen die Unternehmen Wert darauf, mit mehr als einem Lieferanten zusammenzuarbeiten. Doch das Feld der Wettbewerber im Markt für Business-Software ist ziemlich klein. Die Kunden flehen deshalb geradezu nach zusätzlichen Auswahlmöglichkeiten. Es gibt SAP, deren Produkte sehr teuer sind, und Oracle mit einer ganzen Palette verschiedener Lösungen, die sich nicht klar differenzieren lassen und auch teuer sind. Deshalb suchen die Anwender nach einer dritten Alternative mit einer verlässlichen Größe und Stellung im Markt.

CW: Was können Sie den Kunden denn bieten im Vergleich zu SAP oder Oracle?

Phillips: Viele Unternehmen sind die Probleme leid, die im Zuge von SAP-Implementierungen auftreten. Sie wollen neue Lösungen zügig einführen und haben nicht das Geld und die Zeit für aufwendige Projekte, die sich über mehrere Jahre hinziehen. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel. Wir haben eine Methode, unsere Applikationen schnell zu implementieren. Unsere Projekte dauern ein paar Monate und nicht Jahre.

CW: Wie funktioniert das?

Phillips: Die entscheidende Frage ist doch: Warum verfehlen so viele Projekte ihre Zeit- und Budgetvorgaben? Indem wir diese Probleme aufgreifen, können wir uns auch im Wettbewerb differenzieren. Ein Problem anderer Softwareanbieter ist die Integration verschiedener Produkte. Gerade wenn Firmen wie SAP mehr und mehr Unternehmen zukaufen, wird das immer schwieriger. Sie haben nicht mehr nur ein Produkt, sondern viele, die auf irgendeine Weise miteinander integriert werden müssen.

CW: Was ist die Lösung?

Phillips: Der einzige Weg, dieses Problem zu lösen, ist, die Integration zum Bestandteil der zugrunde liegenden Anwendungsinfrastruktur zu machen. Das war in der Vergangenheit meist nicht der Fall. In den 80ern begann man mit Einzelapplikationen, die über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen miteinander verknüpft wurden. Das war beratungsintensiv, aufwendig und teuer. Dann folgte die monolithische Ära mit den großen Suiten à la SAP. Probleme gibt es hier, wenn Akquisitionen hinzukommen, dann ist dieses Modell nicht mehr glaubwürdig. Im Internet-Zeitalter lässt sich Software einfach über standardisierte Web-Services mit-einander integrieren. Wir setzen an dieser Stelle auf XML. Alle unsere Applikationen sprechen XML. So sind sie lose gekoppelt, um sich mit anderen Anwendungen verknüpfen zu lassen. Mit diesem einfachen Middleware-Protokoll unterscheiden wir uns im Markt von unseren Wettbewerbern. Damit können wir unsere Applikationen einfach integrieren. Kunden müssen keine jahrelangen Projekte mehr fürchten, sondern können von Haus aus darauf bauen, dass alles miteinander funktioniert.

CW: Wo ist der Unterschied zu Integrationsplattformen von Oracle und SAP?

Phillips: SAP und Oracle verbinden ihre Software fest mit der Middleware. Diese vorgefertigten Systeme gleichen eher Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Wenn sich eine Applikation verändert, muss man sich erneut um die Integration kümmern. Das endet nie. In unserem Modell ist die Integration von der Anwendung getrennt. Traditionelle Middleware tut dies nicht. Deshalb sind Veränderungen hier auch so problematisch: Verändert man etwas an den Applikationen oder der Integrationsschicht, und ist die Integration zu proprietär angelegt, bricht alles zusammen, wenn ein kleines Teil verändert wird. Das ist nicht tragbar.

CW: Sehen Sie noch Potenzial, mit Kern-ERP Geschäfte zu machen?

Phillips: Auf jeden Fall. Etliche Anbieter haben ihr Portfolio in den vergangenen Jahren stark diversifiziert und sich auf andere Bereiche wie Datenbanken oder Hardware konzentriert. Das bedeutete aber, dass sie weniger Geld für ihre Kernbereiche wie zum Beispiel das ERP-System übrig hatten. Unser Vorteil ist, dass wir einer der letzten Softwarehersteller sind, die sich ganz auf das Applikationsgeschäft konzentrieren. Wir verkaufen keine Datenbanken, keine Hardware, keinen Speicher, all diesen Kram. Bei uns sitzen 4000 Entwickler, die an neuen Branchenfunktionen arbeiten. Wir werden in Zukunft unsere Investitionen in die Kern-applikationen noch verstärken. Unsere Kunden sollen die Anwendungen nicht anpassen müssen. Sie sollen uns sagen, welche Funktionen sie brauchen, und wir bauen sie in die Software ein.

CW: Also kein Customizing mehr?

Phillips: Wir wollen nicht, dass die Kunden unsere Software anpassen müssen. Wir wollen, dass sie diese so nutzen können, wie wir sie ausliefern. Wenn die Anwender Funktionen vermissen, dann wollen wir das erfahren und in der weiteren Entwicklung beheben. Schließlich sind wir für die Wartung der Software verantwortlich und nicht der Kunde. Es ist deshalb unsere Strategie, eng mit den Anwendern zusammenzuarbeiten, um zu erfahren, welches Customizing noch im Einsatz ist, um dieses dann beim nächsten Upgrade überflüssig zu machen. Das ist auch ein Anreiz für unsere Kunden, ihre Applikationen auf den neuesten Stand zu bringen.

CW: In der Vergangenheit war es nicht immer einfach, den Überblick im Softwarekatalog von Infor zu behalten. Wollen Sie das vereinfachen?

Phillips: Im Grunde ist es gar nicht so kompliziert, wie viele immer meinen. Es sind etwa zehn Produkte, mit denen wir über 70 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften. Auf diese Kernprodukte konzentrieren wir uns. Wir haben eine Suite, die alle ERP-Funktionen bietet und die Anforderungen vieler Branchen abdeckt. Infor arbeitet vor allem daran, diese Branchenfunktionen weiter zu vertiefen.

CW: Ist es denn Ihre Strategie, die Kunden, die eher Nischenprodukte einsetzen, dazu zu bewegen, auf diese Kern-Suite zu wechseln?

Phillips: Wir sehen diese Wechselbewegungen bereits. Das liegt aber nicht daran, dass wir unsere Kunden dazu drängen, sondern vielmehr daran, dass unsere Kernprodukte Funktionen bieten, auf die die Kunden gewartet haben beziehungsweise die weiteres Customizing der alten Systeme obsolet machen. Andere Anwender kommen zu uns, wenn Konkurrenten die Unterstützung einzelner Produkte einstellen und den Anwendern dann ein schwieriges Upgrade bevorstehen würde. Oder auf die Anwender kommt viel Arbeit zu, weil sie ihre Anpassungen nicht in die neue Version mitnehmen können und das Customizing quasi von vorn beginnen müssten. Das sind die Momente, in denen sich die Anwender im Markt umsehen. (ba)

Das komplette Interview lesen Sie online unter: http://w.idg.de/XYjvte.

Kennzahlen von Infor

- Jahresumsatz: 2,8 Milliarden Dollar (weltweit Nummer drei unter den Anbietern für Enterprise-Applikationen).

- Gewinn: 840 Millionen Dollar.

- Kunden: über 70.000 weltweit.

- Mitarbeiter: 12.400 (darunter 4000 Entwickler, 3600 Consultants, 1700 im Kunden-Support).

- Niederlassungen: 160 in 38 Ländern.