Eine genaue Analyse zeigt Schwachstellen auf:

Infodefizit bei Behörden erschwert DV-Einsatz

07.12.1984

Führungskräfte und Organisatoren in den öffentlichen Verwaltungen sehen sich zunehmend einem Entscheidungsdruck ausgesetzt: Sie sollen festlegen, für welche Aufgabenbereiche einer Behörde in den kommenden Jahren Kommunikationstechniken eingesetzt werden sollen. Diesem Entscheidungszwang steht allerdings ein erhebliches Informationsdefizit gegenüber, das durch Veröffentlichungen nur teilweise abgebaut werden kann, gehen diese meist mehr von den technischen Möglichkeiten als von den Aufgabenstellungen einer Behörde aus. Die Entscheidung wird zusätzlich dadurch erschwert, daß regelmäßig darauf hingewiesen wird, eine Kommunikationstechnik allein reiche im allgemeinen nicht aus.

Das beschriebene Vorgehensmodell dient dazu, die eigene Verwaltung unter dem Aspekt Kommunikation zu untersuchen und dadurch Grundlagen für die oben genannten Entscheidungen bereitzustellen. Um den organisatorischen Aufwand einerseits gering zu halten und trotzdem einen vollständigen Überblick über die gesamte Organisation unter kommunikativen Gesichtspunkten zu erzielen, werden die Verwaltungsarbeitsplätze in drei Schritten untersucht. Die einzelnen Schritte der Kommunikationsanalyse sind dabei so gewählt, daß sie einfach zu verstehen und daher nach einer kurzen Information auch vom Mitarbeiter selbst durchgeführt werden können.

Im ersten Schritt - der Partneranalyse - ermittelt man die Arbeitsplätze, an denen am ehesten der Einsatz von kommunikationstechnischen Geräten durchsetzbar sein könnte.

Im zweiten Schritt - der Informationsarten-Klassifizierung - wird geprüft, ob die im ersten Schritt ermittelten Arbeitsplätze grundsätzlich geeignet sind, durch kommunikationstechnische Geräte unterstützt zu werden.

Im dritten Schritt - der Informationsquantifizierung - wird für die nach dem zweiten Schritt noch verbleibenden Arbeitsplätze eine genaue Analyse anhand eines Mengengerüstes vorgenommen. Dieses Mengengerüst dient dann als Entscheidungsgrundlage, ob durch den Einsatz von kommunikationsfähigen Geräten wirtschaftliche oder organisatorische Verbesserungen, zum Beispiel kürzere Durchlaufzeit, bessere Auskunftsfähigkeit oder höhere Arbeitsqualität, -voraussichtlich erreichbar sind.

"Denke in Netzwerken" außer acht lassen

Bei dieser Vorgehensweise werden zunächst die in der Literatur häufig geforderte ganzheitliche Denkweise sowie das "Denken in Netzwerken" bewußt außer acht gelassen. Trotzdem kann man davon ausgehen, daß die vorzuschlagende Vorgehensweise zum gewünschten Erfolg führt: Schließlich kann man jede Organisation als die Zusammenfassung einzelner Arbeitsplätze verstehen, so daß die Erhebungen am einzelnen Arbeitsplatz und deren anschließende Verknüpfung ein Bild der Gesamtsituation liefern.

Bevor Einzelheiten des Vorgehensmodells beschrieben werden, sollten die vier typischen Funktionen genannt werden, aus denen sich nahezu die gesamte Verwaltungsarbeit zusammensetzen läßt:

- Informationen empfangen (zum Beispiel durch Hören und Sehen) ,

- Informationen speichern (zum Beispiel einen Text auf Papier drucken lassen, Tatbestände handschriftlich notieren, einen Text diktieren)

- Informationen verarbeiten (zum Beispiel eine Rechnung sachlich und

rechnerisch überprüfen, einen Antrag auf seine Berechtigung prüfen, schriftliche Unterlagen gegenüberstellen und vergleichen)

- Informationen absenden (zum Beispiel sprechen, einen Text schreiben und versenden)

Diese Funktionen sollen nun anhand eines "allgemeinen" Verwaltungsarbeitsplatzes konkretisiert werden. Man kann davon ausgehen, daß Informationen dadurch "entstehen", daß sie entweder von außen empfangen werden (Brief , Telefongespräch) oder daß sie vom Inhaber des Arbeitsplatzes selbst erzeugt werden. (Formulieren eines neuartigen Sachverhaltes). Diese Informationen können auf folgende Art und Weise weiterverwendet werden:

- Empfangene Informationen werden im wesentlichen unverändert weitergegeben (typisches Beispiel: ministerielle Erlasse, die von der Mittelbehörde mit dem Vermerk: "Mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung" an den nachgeordneten Bereich weitergeleitet werden)

- Informationen werden gespeichert, um sie bei Bedarf abrufen zu können (typisches Beispiel: Archivfunktionen, wie etwa Sammlung von Erlassen, Zeitschriftenartikeln oder Gerichtsurteilen bei einem Sachbearbeiter)

- Informationen werden gespeichert, um sie sofort oder später in modifizierter Form - vielfach kombiniert mit eigenen Informationen abzusenden (typisches Beispiel: Schriftstück, das im Wege der Mitzeichnung anderen mit der Bitte um Stellungnahme und gegebenenfalls Mitteilung von Änderungswünschen zugeleitet wird)

- Absenden von Informationen, die selbst erstellt wurden (typisches Beispiel: Änderung oder Erläuterung einer früher ergangenen Anweisung an nachgeordnete Dienststellen)

- Eingehende Informationen werden als wertlos erkannt und sofort vernichtet.

Bei der Partneranalyse wird untersucht, mit welchen Personen oder Institutionen ein Arbeitsplatz Informationen austauscht. Sie wird deshalb zum Ausgangspunkt der Kommunikationsanalyse gemacht, weil sie eine erste grobe - aber aussagekräftige - "Einstufung" der Arbeitsplätze ermöglicht.

Die erste Kategorie bilden die Arbeitsplätze, die zum (engeren) Bereich der eigenen Verwaltung zu rechnen sind und mit denen Informationen ausgetauscht werden. Dabei ist es zunächst unbedeutend, ob diese Informationen mündlich, schriftlich, mittels Datenträgern (zum Beispiel Floppy-Disks) oder über Leitungen übermittelt werden.

In der zweiten Kategorie sind die Partner zusammengefaßt, die Bereichen zugeordnet sind, die zwar dem eigenen Unternehmen beziehungsweise der eigenen Verwaltung zuzurechnen sind, nicht aber dem "engeren" Kreis. Bezogen auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung, würde dies beispielsweise eine Verbindung zwischen Ministerien, Oberen Bundesbehörden und den nachgeordneten Behörden bedeuten.

Infos zwischen den Behörden

Die dritte Kategorie bilden die "festen Geschäftspartner". Darunter sollen alle Partner zusammengefaßt werden, mit denen mehr oder minder regelmäßig Daten ausgetauscht werden, die aber nicht in die Kategorien eins und zwei entfallen. Hier ist der Austausch von Informationen zwischen Behörden aus unterschiedlichen Verwaltungen anzusiedeln. Beispiele hierfür sind die vielfältigen Formen der Zusammenarbeit zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen. Zur dritten Kategorie zählt aber auch der Informationsaustausch zwischen Behörden und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Beispiele hierfür sind die Fälle, in denen Privatunternehmen staatlichen Stellen Informationen zur Verfügung stellen müssen, so im Bereich des Steuerrechts und der Statistik.

Die vierte Gruppe bilden die "wechselnden Partner". Hierunter werden alle Gruppen und Institutionen zusammengefaßt, die selten oder auf lange Sicht nur einmal mit einer Behörde zusammenarbeiten, das heißt also auch kommunizieren müssen. In diese Kategorie ist der "normale Bürger" ebenso einzustufen wie Verbände, die einmal jährlich einen Zuschuß aus öffentlichen Mitteln erhalten.

Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Einteilung der Partneranalyse ableiten? Sie gibt dem Organisator wichtige Informationen für das weitere Vorgehen: Der Einsatz von Bürogeräten, die miteinander kommunikationsfähig sind, ist in der Kategorie eins generell und - mit Einschränkung - in der Kategorie zwei am ehesten zu realisieren. Die Begründung ist einfach. Die Einsatzbereiche sind leicht überschaubar, unter günstigen Bedingungen läßt sich sogar eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nachweisen.

Typische Beispiele für solche Anwendungsfälle sind die Mehrplatzsysteme der Textverarbeitung und der mittleren Datentechnik. Auch der Einsatz mehrerer Mikrocomputer mit kompatiblen Datenträgern kann im weitesten Sinn hierzu gerechnet werden.

Der Nachweis organisatorischer oder wirtschaftlicher Vorteile für die eigene Verwaltung kann dagegen bei den Kategorien drei und vier leider nicht so einfach erbracht werden. Zwar lassen sich bei den "festen Partnern" mögliche Vorteile durch den Einsatz kommunikationsgeeigneter Bürogeräte darstellen, doch liegen in vielen Fällen notwendige Investitionen und daraus erzielbarer Nutzen bei unterschiedlichen Parteien. So kann es nicht verwundern, daß in diesem Bereich neue organisatorische Modelle in der Regel nur dann eingeführt werden, wenn einer der beiden Partner einen entsprechenden Zwang - aufgrund rechtlicher oder wirtschaftlicher "Macht" - ausüben kann.

Die Partneranalyse liefert damit erste Hinweise, an welchen Arbeitsplätzen der Einsatz kommunikationsfähiger Bürogeräte als erstes untersucht werden sollte. Sicherlich kann man davon ausgehen, daß organisatorische Maßnahmen - als solche ist der Einsatz vorgenannter Geräte zu verstehen - dort am ehesten sinnvoll und realisierbar sind, wo der Nutzen der eigenen Organisation zugute kommt. Für den Organisator ergibt sich aus den geschilderten Zusammenhängen die Konsequenz, zunächst in den Kategorien eins und zwei und erst dann in der Kategorie drei nach Einsatzmöglichkeiten kommunikationsfähiger Bürogeräte zu suchen.

Das Ziel der Informations-Klassifizierung besteht darin, Klarheit zu gewinnen, ob die zwischen zwei Partnern ausgetauschten Informationen für eine technische Übertragung geeignet sind. Hierbei wird nicht - wie üblich - nur nach mündlicher, schriftlicher oder anderen Informationsformen unterschieden, sondern auch nach Primär- und Sekundärinformationen. Man geht hierbei von der Tatsache aus, daß neben den von einem Partner bewußt vermittelten Informationen (zum Beispiel Daten oder Tatbestände) begleitende Informationen - hier als Sekundärinformationen bezeichnet - übermittelt werden. Beim Einstellungsgespräch eines Personalleiters mit einem neuen Mitarbeiter ist es das, was man als den "persönlichen Eindruck" bezeichnet. Solche Sekundärinformationen können zum Beispiel sein: die Art, wie der Bewerber redet, seine Körperhaltung , Gestik und Mimik.

Hinsichtlich der Kommunikationsanalyse ergeben sich folgende Konsequenzen: Daten, Bezeichnungen, aber auch bildliche Darstellungen

lassen sich mit kommunikationstechnischen Geräten relativ einfach übermitteln. So bereitet es beispielsweise keine Probleme, Kontenbewegungen zwischen Banken mit Hilfe kommunikationstechnischer Geräte durchzuführen.

Unproduktivität erhält unerwünschten Auftrieb

Auch Tatbestände lassen sich mit kommunikationstechnischen Geräten problemlos übertragen, vorausgesetzt der Sachverhalt ist in Worten oder Bildern darzustellen. Allerdings kennen wir alle das Problem, bestimmte Dinge unmißverständlich einem anderen mit Worten klar zu machen. Zusätzlich ist aber auch folgender Effekt zu bedenken. Langjährige Beobachtungen von Mitarbeitern scheinen mir zu bestätigen, daß die Schriftform zu einer Anonymisierung des Verwaltungshandelns führt, die Ursache für manche Unproduktivität ist. Dieser Effekt kann unter Umständen durch den Einsatz kommunikationstechnischer Geräte unerwünschten Auftrieb erhalten.

Am schwierigsten gestaltet sich die Übertragung von Primärinformationen, wenn sie sich auf den persönlichen Eindruck beziehen. Zwar ist es heute möglich, zum Beispiel durch Video-Konferenzen im beschränkten Umfang einen "Sichtkontakt" zwischen den Gespächspartnern herzustellen, doch ergeben sich hier zwei wesentliche Einschränkungen. Sie resultieren aus dem beschränkten Bildausschnitt - man sieht beispielsweise nur das Gesicht und einen Teil des Oberkörpers des anderen Partners - und der Scheu vieler Menschen vor dem technischen Gerät.

Aus dem Gesagten leitet sich die kommunikationstechnische Konsequenz ab daß überall dort, wo persönliche Eindrücke vermittelt werden müssen oder sollen, der Einsatz von Geräten auf erhebliche Schwierigkeiten beziehungsweise unüberwindbare Barrieren stößt.

Für den Organisator ergibt sich nach der zweiten Stufe der Kommunikationsanalyse bereits ein recht klares Bild:

- Die "Technisierung" von Arbeitsabläufen, bei denen man mit wechselnden Partnern - zum Beispiel Bürger - zu tun hat, ist wenig erfolgversprechend. Entsprechende Maßnahmen bei Kommunikationbeziehungen mit festen Geschäftspartnern sind nur in den Fällen wirkungsvoll, wo gleiche Informationen mehrfach untereinander ausgetauscht werden.

- Technisierbar sind zudem - so das Ergebnis der Betrachtungen zur Informationsarten-Klassifizierung - in der Regel nur Daten und (eingeschränkt) Tatbestände zur Darstellung von Zusammenhängen.

Damit scheidet ein großer Teil der Arbeitsplätze in den öffentlichen Verwaltungen spätestens nach der zweiten Stufe der Kommunikationsanalyse für eine vorrangige Unterstützung mit Kommunikationstechnik aus.

Im dritten Schritt des Vorgehensmodells zur Kommunikationsanalyse wird für die Arbeitsplätze, die bei den ersten beiden Selektionsschritten übriggeblieben sind, ein Mengengerüst erstellt. Durch Aufzeichnungen kann jeder Mitarbeiter selbst ermitteln, in welchem Umfang Schriftgut an dem zu untersuchenden Arbeitsplatz anfällt. Um konkrete Aussagen über den durch den Geräteeinsatz erzielbaren Nutzen treffen zu können, wird bei der Informationsquantifizierung zwischen den bereits erläuterten Funktionen unterschieden.

Kombination von Infos erfolgversprechend

Bei der Auswertung sind folgende Punkte zu berücksichtigen:

- Der Einsatz kommunikationsfähiger Bürotechnik scheint offensichtlich dann besonders erfolgversprechend, wenn eingehende mit eigenen Informationen kombiniert und abgesandt werden sollen.

- Vorteile sind ferner dort zu erwarten, wo der einzelne Arbeitsplatz mit einer Fülle von Informationen konfrontiert ist, die speichern und bei Bedarf abfragen muß. In diesen Fällen ließe sich durch den Einsatz rechner-unterstützter Speicher möglicherweise eine Reduzierung der Suchzeiten erreichen. Allerdings muß dies in jedem Fall anhand eines Praxistests geprüft werden, da bei geringem Datenumfang und wenigen Suchkriterien eine konventionelle Kartei oder Akte genauso schnell und sogar schneller sein kann.

- Weit weniger gewinnversprechend scheint der Einsatz entsprechender Geräte, wenn es lediglich darum geht, empfangene Informationen weiterzuleiten. Nur wenn der Gesichtspunkt der Schnelligkeit dominiert, können auf den ersten Blick durch Einsatz von Kommunikationsnetzen Fortschritte erwartet werden.

*Jürgen F. Fuß ist Dozent an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Köln.