VDE-Tagung widmet sich einer Standortbestimmung

Info-Society wartet noch auf ihre bahnbrechende Akzeptanz

07.03.1997

STUTTGART - Deutschland hat die Weichen für die kommende Info-Society gestellt. Die Bundesregierung leistete mit dem im Februar 1996 vorgestellten Bericht "Info 2000" sowie dem neuen Telekommunikationsgesetz hierzu ihren Beitrag. Die technische Infrastruktur gilt im Weltmaßstab als gut. Doch in puncto Anwendungen, Akzeptanz, Ausbildung sowie Sicherheit und Rechtsverbindlichkeit neuer Kommunikationsformen gibt es hierzulande noch viel zu tun. Diese nicht ganz neue Erkenntnis brachte die VDE-Fachtagung "Auf dem Weg zur modernen Informations-Infrastruktur".

"Wir wollen mit dieser Veranstaltung den Dialog zwischen allen Beteiligten fördern und darüber hinaus das Bewußtsein für die Bedeutung der IT-Technik unters Volk bringen", skizzierte Klaus Dieter Schenkel, Sprecher des VDE-Fachbereichs Kommunikationstechnik, Sinn und Zweck der Stuttgarter Veranstaltung. Im Vordergrund der vom VDE Verband Deutscher Elektrotechniker e.V. ausgerichteten Tagung standen Nutzeranforderungen sowie neue IT-Lösungen.

Daß sowohl Deutschland als auch Europa bereits ein gutes Stück in Richtung Info-Society vorangekommen sind, unterstrich Wolfram Berger, Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft in Bonn, vor den rund 150 Konferenzteilnehmern. Im Vergleich mit den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan liege Deutschland nach einer Untersuchung des internationalen Marktforschungsunternehmens Arthur D. Little hinsichtlich des "Reifegrades" der Informationsgesellschaft auf Platz zwei. Der Bonner Spitzenbeamte hob dabei insbesondere auf die in Deutschland flächendeckende ISDN-Versorgung und Glasfaserverkabelung sowie das von der Deutschen Telekom betriebene weltweit größte Kabel-TV-Netz ab.

Gleichzeitig sah Berger jedoch akuten Handlungsbedarf auf einem anderen Feld: "Hinsichtlich der Nutzung dieser Infrastrukturen bleibt noch einiges zu tun." So habe eine EU-Studie ergeben, daß eine rasche Verbreitung neuer IT- und Kommunikationstechniken bis zum Jahr 2010 rund sechs Millionen zusätzliche Arbeitsplätze auf dem Alten Kontinent schaffen könne. Rein rechnerisch ergebe sich daraus für die Bundesrepublik ein Beschäftigungspotential in der Größenordnung von 1,5 Millionen.

Die Bundesregierung hat nach Bergers Ansicht im Februar 1996 mit der Vorstellung des Berichts "Info 2000", der unter anderem einen entsprechenden Aktionsplan für die diversen Bonner Ministerien enthält, den Grundstein gelegt. Gleichzeitig sei mit dem im August 1996 in Kraft getretenen neuen Telekommunikationsgesetz der entscheidende Schritt zur Liberalisierung der Telecom-Märkte in Deutschland getan worden. Eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Nutzung von Multimedia-Diensten sieht der Ministerialrat in dem Entwurf für ein Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz des Bundes, das voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft tritt. Mit Hilfe dieses Gesetzes sollen bundesweit die rechtlichen Rahmenbedingungen für neue Kommunikationsdienste festgelegt werden - unter anderem in puncto Daten-, Verbraucher- und Jugendschutz, der Sicherung geistigen Eigentums sowie der Sicherheit neuer Übertragungsmedien (Stichwort: Digitale Signatur).

Gerade Sicherheit und Rechtsverbindlichkeit gehören nach wie vor zu den wunden Punkten einer Gesellschaft, die allgemein zugängliche Netze wie das Internet zunehmend für den Geschäftsverkehr nutzt. Alexander Roßnagel von der Universität Kassel hob hervor: "Was sich auf dem Papier leicht schützen läßt, ist im globalen Netz nicht möglich. Aufgrund der Körperlosigkeit elektronischer Dokumente sind Manipulationen an ihnen weder erkenn- noch nachweisbar. Deshalb ist das Internet als Marktplatz und somit auch als Ort rechtsgebundener Geschäfte nach wie vor fragwürdig."

Zwar böten Verschlüsselungstechniken "eine Lösung", erläuterte der Rechtsexperte. Diese brächten durch Versiegelung des Textes und Identifizierung des Signierenden ein entscheidendes Plus an Sicherheit. Dennoch komme der offene elektronische Rechtsverkehr nicht in Gang, da er von einer vorhergehenden rechtlichen Anerkennung abhängig sei. Selbige fehle jedoch bisher. Überhaupt sei es, so Roßnagel, fraglich, ob dieses Problem je mit der Rechtsverbindlichkeit eines Gesetzes in Einklang gebracht werden könne; Schlupflöcher für einen Mißbrauch werde es immer geben. Sein Fazit: "Staat und Recht müssen sich an eine entsprechende Ohnmachtserfahrung gewöhnen. Sie sind nicht mehr in der Lage, den Mitbürger vor Gesetzesüberschreitungen im Internet zu schützen. Wenn aber der Staat seine Schutzfunktion nicht mehr ausüben kann, muß er die Rahmenbedingungen für einen adäquaten Selbstschutz der Bürger schaffen."

*Beate Kneuse ist freie Fachjournalistin in Stuttgart