PC-Trends/48-Stunden-Lieferservice jetzt möglich

Info-Beschaffung für Studenten: Mit E-Mail und Fax schneller zum Examen

23.05.1997

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ist das System "Jason" (Journal Articles Sent On DemaNd) heute an allen Universitätsbibliotheken installiert. Entwickelt wurde es von den Universitäten Bielefeld und Dortmund. Federführend waren dabei die Bielefelder, die das System jetzt mit einer innovativen Faxlösung noch weiter verbesserten.

Benötigte ein Student oder ein Lehrbeauftragter früher einen Aufsatz aus einer Zeitschrift, die es vor Ort nicht gab, mußte er zum roten Leihschein greifen, diesen ausfüllen, abgeben und manchmal vier bis sechs Wochen warten. Dann erhielt er eine Nachricht der Bibliothek, daß der Beitrag eingetroffen sei und abgeholt werden könne.

Aber auch in diesen Bereich hat jetzt die digitale Kommunikation Einzug gehalten - dank Jason. Der Name steht für das Online-Bestellsystem von Zeitschriften der Universitätsbibliotheken von Nordrhein-Westfalen. Über die Homepage der Universität Bielefeld gelangt der Internet-Zeitschriftenbesteller zu Jason.

Hier gibt der Wissenshungrige den gewünschten Fachtitel in eine Dialogmaske am Computer ein, aktiviert die Bestellmaske und verschickt seinen Auftrag per Mausklick. Die Anfrage geht ohne Zeitverzögerung an die angeschlossenen Unibibliotheken. Gegenwärtig sind 92000 Zeitschriftentitel über das System lieferbar. Die Wartezeit verkürzt sich auf nur wenige Tage. So betont Arthur Nold, wissenschaftlicher Angestellter und Netzbetreuer an der UB Bielefeld, den Zeitgewinn für die Benutzer: "Derzeit besteht der Jason-Verbund aus 20 Hochschulen. Das erhöht die Trefferquote für Studenten und Lehrkräfte ganz erheblich. Durch Online- und Faxversand können wir jetzt auch einen 48-Stunden-Lieferservice bieten."

Die anfallenden Leihgebühren sind bereits bei der Bestellung zu entrichten. Wie auch beim Home-Banking muß sich der Benutzer eine Transaktionsnummer (TAN), eine Art Online-Gebührenmarke, kaufen. Bestellt er eine Zeitschrift, wird diese Nummer abgefragt und ist bei der nächsten Bestellung verfallen.

Der Benutzer hat nun mehrere Möglichkeiten, seinen Aufsatz zu bekommen. Wünscht er die Zustellung per Post, wird der Text nur kopiert, in einen Umschlag gesteckt und verschickt.

Doch das ist Nold nicht gut genug: "Für alle Beteiligten ist der Versand per E-Mail am vorteilhaftesten, weil er mit dem geringsten Aufwand, den niedrigsten Kosten und mit dem größten Zeitgewinn für den Nutzer verbunden ist. Wir nutzen hier Pegasus-Mail und den Mercury Mailserver - beides Freeware von David Harris, die jeder über das Internet abrufen kann."

Da längst noch nicht alle Zeitschriftenbestände elektronisch verfügbar sind und vor allem ältere Jahrgänge auch auf lange Sicht nicht in Bits und Bytes vorliegen werden, haben sich die Jason-Initiatoren den Kunstgriff per Scanner ausgedacht. Wird in Bielefeld ein Aufsatz bestellt, der in der UB Essen vorliegt, bekommt die dortige Bibliothek eine entsprechende E-Mail. Hier wird die Zeitschrift aus dem Regal geholt und der Aufsatz via Scanner eingelesen.

Wer statt eines PCs über ein Faxgerät verfügt, wird über dieses bedient. Und was bis vor kurzem noch mühsam Seite für Seite per analogem Fax zu bewältigen war, das erledigt heute das Programm Fax Man der EES GmbH in Berlin.

Eine passende Lösung zu finden war anfangs nicht gerade einfach, wie sich Nold erinnert: "Das Problem war zum Beispiel, daß die Anbieter entweder gar keine öffentliche Schnittstelle hatten, auf der man aufsetzen konnte, oder daß sie nicht bereit waren, etwas Kundenspezifisches zu entwickeln." Moderne Informationsbeschaffung half hier dem Netzfachmann: In einer Internet News Group wurde er auf die EES aufmerksam. Nicht vergeblich, denn als er mit dem Berliner Sitz des Unternehmens Kontakt aufnahm, erlebte der Netzbetreuer eine angenehme Überraschung: Die EES-Software hatte bereits eine dokumentierte Schnittstelle, um Faxe zum Beispiel aus Fremdanwendungen an Fax-Server zu übergeben.

"Die meisten Fax-Front-ends", so Nold, "gehen davon aus, daß man unter Windows arbeitet, einen Fax-Druckertreiber installiert und vom Windows-Programm aus faxt." Doch der UB-Netzkoordinator hatte etwas anderes gesucht: "Bei uns sollte das natürlich Batch-gesteuert sein." Für den Kommunikationsexperten ist nur eine integrierte Lösung eine gute Lösung. Dazu ein Beispiel: Ein Essener Anwender hat einen Aufsatz per Fax bestellt. Dieser liegt nur an der Unibibliothek Köln vor, wo er gescannt und per E-Mail nach Essen geschickt wird. Hier wird die Datei automatisch extrahiert und ausgepackt, so daß auf der Essener Festplatte der Titel als TIFF-Datei vorliegt. Nold: "In diesem Fall rufe ich nicht irgendein Anwendungsprogramm unter Windows auf, lade jedes Bild einzeln ein und faxe diese und jene Seite. Wesentlich intelligenter ist es, alle 30 Seiten komplett per Batch zu entpacken und auf den Fax-Server zu übertragen."

Und genau das macht Jason. Die jeweiligen Fax-Adressen werden immer direkt mit der Bestellung aufgenommen und sind in der entsprechenden Bestellinformation bereits enthalten. Erfolgt die Auslieferung per Fax, wird eine von Nold entwickelte Batch-Datei aufgerufen, die einen EES-Konverter aktiviert. Dieser erstellt Konvertierungen von TIFF-Level vier zu Fax-Gruppe drei. Anschließend ist eine Anweisungsdatei für Fax Man zu erstellen. Sie enthält Informationen darüber, welche Dateien zu welchem Fax gehören. Das Ganze wird dann per Copy-Befehl in das Verzeichnis des Fax-Servers hineinkopiert, der die Faxnummern aus der Adressendatenbank extrahiert. Der Bibliotheksmitarbeiter stellt nur einmal für alle Faxe die Wahlwiederholungsrate und die kostengünstigste Versandzeit ein. Das Programm arbeitet jetzt sämtliche Aufträge - über Nacht - ab. So laufen wesentliche Bereiche des Jason-Geschehens überwiegend bedienerfrei. Für den reibungslosen Betrieb von Jason im Netzwerk ist ein Novell-Server mit dem Netzwerk-Betriebssystem NetWare 4.1 verantwortlich.

Abschließend wird am nächsten Tag im Protokoll überprüft, ob alles wie gewünscht via Modem versandt wurde. Denn was das Programm noch nicht könne, witzelt Nold, sei, beim Empfängergerät Papier nachzulegen.

Mit den so automatisierten Aufsatzbestellungen ist dem Uni-Netz-Manager zufolge der Zeitgewinn für alle beteiligten Universitäten unglaublich hoch. Heute braucht kein Sachbearbeiter mehr in den Ablauf einzugreifen. Im vollelektronischen Verfahren wird automatisch konvertiert und versandt. Nach 20 Sekunden beschäftigt sich der Mitarbeiter schon mit der nächsten Bestellung. Jeder Vorgang bringt so im Schnitt eine halbe Stunde Zeitgewinn.

Die Mitarbeiter der Universitätsbibliothek bemerken jetzt auch bei den Faxanfragen nicht mehr, daß im Hintergrund ein Programm für sie arbeitet: "Das verhält sich jetzt so wie bei den E-Mail-Bestellungen. Aufsätze werden auch ohne menschliches Zutun weitergeleitet, und nur aus der Statistik läßt sich ersehen, was im Netz stattgefunden hat", erläutert Nold.

Fax Man wird daneben auch im Sekretariatsbereich der Universitätsbibliothek genutzt. Der Bielefelder dazu: "Wir haben oft Serienfaxe, etwa an 30 verschiedene Studenten, die zu einer Arbeitsgruppe gehören und irgendwelche Berichte erhalten müssen. Früher mußte jemand manuell der Reihe nach alle 30 Nummern eingeben, durchfaxen, auf der Liste streichen und so weiter. Das war eine unendliche Geschichte, bis ein Fax an alle verschickt war - mit den üblichen Problemen, daß eine Faxübertragung abbricht und man sich fragt, sind die ersten vier Seiten richtig angekommen oder faxt man das alles noch einmal? Heute wird das automatisch abgearbeitet. Wenn nötig, wird auch jede einzelne Seite gemeldet."

Jason wird sukzessive Bestandteil von Subito

Solange diese Lieferart per Fax angeboten werde, bleibe man bei dieser Software. Gegenwärtig, resümiert der Netzprofi, ist Jason auch bereits in anderen Bundesländern im Einsatz, so zm Beispiel in Koblenz, Trier, Saarbrücken und an der Berliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus wird Jason sukzessive integrierter Bestandteil des bundesweiten Dokumentenliefersystems "Subito". Das vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung initiierte Programm sieht vor, regionale Liefersysteme mit einheitlichen Schnittstellen und Gateways auszustatten, um die Lieferservices der Unibibliotheken bundesweit bequem und einfach zu verbinden.

Um das Informationsangebot zu erweitern, haben die Entwickler der UB Bielefeld Jason mittlerweile mit diversen Datenbanken, etwa der Mediziner-Infobank Medline oder dem größten europäischen Dokumentenliefersystem, der British Library, gekoppelt. Grundlage sind Kooperationsabkommen zwischen den Bielefeldern und den beteiligten Bibliotheken und Datenbankanbietern. Im Ausbau solcher Kooperationen wird kontinuierlich gearbeitet. Erscheint beim Browsen in diesen Datenbeständen nach dem Anklicken eines interessant erscheinenden Aufsatzes der Jason-Button, läßt sich der Artikel direkt über das System bestellen - falls gewünscht, natürlich auch bequem per Fax ausliefern.

ANGEKLICKTDie Mitarbeiter der Bielefelder Unibibliothek wickeln täglich allein rund 80 Bestellungen von Zeitschriftenaufsätzen ab. Etwa 80 Prozent davon werden mittlerweile via Internet bestellt und verschickt. Aber auch die zehn Prozent der Studenten, die ihre Aufsätze per Fax ordern, bedienen die Bibliothekare umgehend. Mit einer Server-basierten Faxlösung wurde dem Jason-System auch in Sachen Fernkopie die nötige Geschwindigkeit verliehen und die Informationsbeschaffung für alle Beteiligten beschleunigt.

*Konrad Buck ist Fachjournalist in Düsseldorf.