Industriebeobachter beurteilen "soziale Schnittstelle" vorsichtig Gates: Bob soll kuenftig saemtliche Microsoft-Produkte bereichern

27.01.1995

MUENCHEN (CW) - Bill Gates hat mit seinem neuesten Sproessling "Bob" mehr vor, als zunaechst angenommen wurde. Die vom Microsoft-Chef unter dem Marketing-Slogan "soziale Schnittstelle" vorgestellte Programmsammlung soll langfristig eine tragende Rolle in saemtlichen Produkten des Softwaregiganten einnehmen. Marktforscher und Industrievertreter beurteilen jedoch das Konzept zumindest fuer den professionellen Einsatz als realitaetsfern.

"Dieser sozialen Schnittstelle werden wir einen wichtigen Platz in all unseren Produkten einraeumen", verdeutlichte Gates auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas seine Absichten mit Bob. Langfristig werde Microsoft das Programmpaket, das noch vor ein paar Tagen lediglich Computerlaien und Kindern den Einstieg in die PC-Welt erleichtern sollte, einem Bericht der CW- Schwesterpublikation "Infoworld" zufolge sogar in die eigenen Windows-Betriebssysteme integrieren. Ebenso sei eine Einbindung in Business-Applikationen wie "Office" keineswegs utopisch, prognostizierte Gates.

Bob besteht aus insgesamt acht Programm-Modulen, die mit symbolischen Helfern und raeumlichen Darstellungen die taegliche Arbeit am Computer vereinfachen sollen, erklaert Bernhard Grander, Pressereferent bei der Unterschleissheimer Microsoft-Niederlassung. Insgesamt gibt es zehn verschiedene raeumliche Szenen. Zahlreiche Assistenten, die durch Zeichentrickfiguren symbolisiert werden, helfen bei der Programmausfuehrung. Ausserdem koennen Benutzer Kommunikationsformen wie etwa Spracheingaben benutzen, ohne die hierarchische Logik oder spezifische Softwarekonzepte erlernen zu muessen.

Analysten und Industrievertreter der Las-Vegas-Veranstaltung zeigten sich von Bob allerdings alles andere als begeistert. Vor allem an einen sinnvollen Einsatz im Geschaeftsalltag sei nicht zu denken, so die verbreitete Meinung. "Was hilfreich fuer Endanwender ist, erweist sich nicht unbedingt auch als gut fuer Business-User", gab etwa Bill Bluestein, Analyst bei Forrester Research Inc., Cambridge, Massachusetts, zu bedenken. Bluestein zufolge duerfte Bob bei professionellen Anwendern aufgrund seiner beschraenkten Moeglichkeiten schlichtweg nicht akzeptiert werden. Ebenso stoesst Microsofts neue Programmerweiterung bei IS-Managern auf negative Resonanz. "Jeder, der weiss, was er will, wird die Charakter- basierte Programmstruktur langweilig finden", so Ben Salvador, Support Manager beim California Department of Transportation, Oakland, Kalifornien.

Deutsche Version erst fuer 1996 im Gespraech

Trotz der Unkenrufe haelt Gates an seinem Schuetzling fest: "Vergessen Sie nicht", so der Microsoft-Boss, "auch als Windows 1984 vorgestellt wurde, dauerte es eine Zeitlang, bis es akzeptiert wurde." Bob soll fuer rund 100 Dollar ab Ende Maerz dieses Jahres vorerst ausschliesslich in Nordamerika erscheinen und setzt einen PC mit mindestens 486-Prozessor sowie 8 MB RAM voraus. Als Plattformen fungieren Windows 3.1 und die 32-Bit-Variante Windows 95. Vier PC-Hersteller, darunter Gateway 2000 und NEC, haben bereits einen Vertrag unterzeichnet, Bob kuenftig auf Heim- PCs vorzuinstallieren. Laut Pressereferent Grander ist eine deutsche Version fuer die erste Jahreshaelfte 1996 geplant. Dieses lokalisierte Release werde allerdings nur fuer Windows 95, nicht jedoch fuer Windows 3.1 auf den Markt kommen.