Industrie- und Echtzeitrechner/Industrierechner wird es nicht mehr lange geben

19.05.1995

Die Spezies Industrierechner ist akut vom Aussterben bedroht. Die Begruendung ist einfach: Diese Maschinen sind zu teuer und wenig kontaktfaehig gegenueber den anderen Computern im Unternehmen.

Wer heute eine Industriemaschine steuern oder eine ganze Anlagenstrasse ueberwachen will, braucht keine besonderen Rechner mehr. Wo die Spaene fliegen, der Boden bebt und die Luft vibriert, findet man weder Menschen noch Computer. Beide vertragen die extremen Umweltbedingungen nicht, beide haben sich deshalb hinter schuetzende Waende zurueckgezogen.

Wenn Industrierechner nicht mehr besonders robust sein muessen, was unterscheidet sie dann noch von herkoemmlichen PCs und Workstations? Ausfallsicherheit konnten die Hersteller bisher als Argument ins Feld fuehren, doch auch da bieten die Konkurrenten inzwischen Vergleichbares. Nur Windows-Anwender lassen es sich noch gefallen, dass der Rechner hin und wieder streikt. Die Buchhaltung eines x-beliebigen Unternehmens muss sich darauf verlassen koennen, dass ihre DV funktioniert, und die Lieferanten haben sich laengst darauf eingestellt.

Bleibt als einziger Pluspunkt der Industrierechner die Reaktionsschnelligkeit, und da hapert es bei der Konkurrenz tatsaechlich noch. Welcher PC-Hersteller mag schon garantieren, dass sein System auf eine Fehlermeldung immer und unter allen Umstaenden innerhalb von 20 Millisekunden reagiert oder dass es nie unkontrollierbar wird?

Die Galgenfrist fuer Industrierechner waehrt noch ein bis zwei Jahre. Dann sind die PC-Hersteller soweit, robuste Computer mit echtzeit-faehigem Betriebssystem liefern zu koennen.

Der erste Schritt dazu ist schon getan: Der Posix-Standard 1003 ist ein Regelwerk, mit dem sich jedes Unix-Betriebssystem echtzeit-tauglich machen laesst.

Eine Rechnerklasse darf allerdings noch etwas robuster und zuverlaessiger werden: Die Hersteller von Notebooks und allen anderen tragbaren Computern sollten in puncto Standfestigkeit vielleicht einmal einen Siemens-Leitrechner zum Vorbild nehmen. Stoesse bis zum 100fachen der Erdschwerkraft, Hitze, Feuchtigkeit oder elektrische Felder lassen so einen Klotz unbeeindruckt. Aehnlich massiv sollte auch mein naechstes Notebook sein.