Industrialisierung hat Konsequenzen

31.01.2006
Von Dirk Taubner

Standardisierung schafft Raum für neue Anwendungsgebiete

Immer mehr Software wird zum Standard, und doch hat Carr Unrecht. Auf absehbare Zeit wird stets ein bedeutender Teil des rasant wachsenden Softwareangebots mehr sein als Commodity. Gerade durch die Fortschritte der Standardisierung entsteht Raum für neue Anwendungsgebiete. Durch die Integration von vorhandenen Komponenten ist zudem die Lösung komplexerer Aufgaben möglich - sogar zu vertretbaren Kosten und abgestimmt auf die Anwenderbedürfnisse.

Eine weitere Konsequenz der Industrialisierung ist, dass Produkte zunehmend im Verbund mit Dienstleistungen verkauft werden. Selbst beim Auto wird heute versucht, nicht nur den Gegenstand, sondern die Leistung Mobilität zu verkaufen - Mobilitätsgarantie eingeschlossen. Für Software reicht dies von traditioneller Wartung bis hin zur vollständigen Wandlung des Preis- und Betriebskonzepts zu einer puren Nutzungsbetrachtung (Utility Computing).

Ebenso beeinflusst die Industrialisierung das Management, das verstärkt über Kennzahlen steuern und Wirtschaftlichkeitsaspekte in den Vordergrund rücken muss. Eine weitere Folge sind veränderte Infrastrukturen: Auf der ständigen Suche nach Skaleneffekten und Kostenvorteilen werden Rechenzentren konsolidiert, Server-Farmen und Kommunikationswege ausgebaut. Im Markt schließlich hat die Industrialisierung einen anhaltenden Konzentrationsprozess zur Folge - eine Phase, die derzeit unübersehbar ist.

Was ändert sich für die Softwarelieferanten? Der Preisdruck hält an, der Commodity-Effekt zwingt zu Größe oder zur Nische. Es genügt nicht mehr, sich nur auf das Können der einzelnen Mitarbeiter zu stützen. Gefordert ist die Fähigkeit, Prozesse zu zerlegen, um die Softwareentwicklung zuverlässig und kalkulierbar zu steuern, aber auch um für einzelne Teile oder Schritte des Prozesses Vorteile der Industrialisierung zu nutzen. Das kann durch das Verwenden besonderer Werkzeuge, das Hinzuziehen von Spezialisten oder das Einbinden kompetenter (Sub-)Lieferanten geschehen.

Die Fähigkeit, Projekte räumlich verteilt zu realisieren, wird wichtig, um Kostenvorteile durch Offshoring zu nutzen. Für deutsche Lieferanten gewinnen damit Projekt-Management und Koordination an Bedeutung, ebenso das Schnittstellen-Management, die Abnahme von Zulieferungen und die Qualitätssicherung. Überdies erhält die Gestaltung der Architektur mehr Gewicht, ebenso Konzeption und Beratung. Das Verständnis für die fachliche Anwendung wird noch wichtiger als ohnehin schon.