Multimedia/Es geht um die Optimierung der Mensch-Maschine- Schnittstelle

Individueller Rechner oder ein Multimedia-PC von der Stange?

08.03.1996

Lange wurde Multimedia als eine Anwendung abgetan, die ihre Aufgabe erst noch suchen muesse. Sinn und Nutzen der "Medialisierung" des PCs galten als fragwuerdig und wurden ausgiebig diskutiert. Von den Zweiflern unbemerkt, entwickelte sich zugleich ein Milliardenmarkt.

Nachdem die ersten Peripherien beim heimischen Endverbraucher reissenden Absatz fanden, entdeckten zunaechst kleinere PC- Hersteller die neue Goldader und produzierten Multimedia-PCs von der Stange. Mittlerweile hat es sich auch bei den grossen PC- Schmieden herumgesprochen, dass Multimedia dem Status des fragwuerdigen Diskussionsobjektes entwachsen ist. Ueber den Consumer-Markt hinaus werden multimediale PCs immer haeufiger auch am Point of Informations (POI) und Point of Sales (POS) oder fuer Praesentationen, Datenbanken, medizinische Anwendungen, Schulungen (CBT), zur Kommunikation oder auch als universelle Multifunktionsgeraete in Bueros eingesetzt.

Wichtigstes Merkmal eines Multimedia-PCs ist eine fuer die betreffende Anwendung ausreichende Geschwindigkeit bei optimaler Bild- und Tonqualitaet. Praesentationen oder Kioskapplikationen mit zuckenden Videosequenzen im Briefmarkenformat und schlechte Tonqualitaet haben nicht zu unterschaetzende Imageverluste zur Folge. Die Betrachter erwarten mehr oder weniger die hohe Fernseh- beziehungsweise Kinoqualitaet.

Fuer gute Performance sind vor allem die internen und externen Datentransferraten der CPU und des Daten-Busses ausschlaggebend. Da die CPU bei Multimedia-Anwendungen oft sehr viele Daten parallel zu verarbeiten hat, ist ein hochgetakteter Pentium-Chip gerade schnell genug.

Werden nur stehende Bilder verarbeitet, reichen der CPU meist 8 MB RAM fuer das Zwischenlagern von temporaeren Dateien. Anwendungen mit bewegten Bildern sollte mindestens der doppelte Speicherplatz zur Verfuegung gestellt werden. Der fuer den internen Austausch der Daten zustaendige Daten-Bus ist oft das Nadeloehr eines MM-PCs. Das Motherboard sollte deshalb ueber einen PCI-Bus verfuegen. Dass auch Grafikkarte, Soundkarte und Videoboard als PCI-Version zur Verfuegung stehen sollten, versteht sich von selbst. Fuer weitere interne und externe Peripherien (zum Beispiel Scanner, digitale Kamera und aehnliches) sollte ein SCSI-Adapter (SCSI = Small Computer System Interface) entweder direkt auf dem PCI-Board integriert oder als PCI-Schnittstellen-Karte vorhanden sein.

Die SCSI-Technologie ist nicht nur schnell, sondern auch ausbaufaehig, weit verbreitet, preiswert und vor allem problemlos konfigurierbar. An den SCSI-Bus lassen sich bis zu 15 SCSI-Geraete gleichzeitig mit einer Datentransferrate von maximal 40 MB/s betreiben (Wide-SCSI).

Dies spielt besonders bei Festplatten eine grosse Rolle, denn sie sind oft das langsamste Glied in der Kette. SCSI-2-Festplatten besitzen neben einer hohen Datentransferrate auch niedrige durchschnittliche Zugriffszeiten von etwa 8 Millisekunden (SCSI 2 Fast-Wide). Auch Geraete wie zum Beispiel CD-ROM-Laufwerke, WORMs, Scanner und Jukeboxen werden meistens unter anderem als schnelle SCSI-Versionen angeboten.

Speicherplatzbedarf betraegt etwa 1 GB

Ein Multimedia-Rechner, der lediglich fuer gewoehnliche interaktive Applikationen benutzt wird, kommt mit einem Festplattenspeicher von etwa 1 GB aus. Soll das Geraet im Buero auch zu anderen Zwecken zur Verfuegung stehen, werden umfangreiche Multimedia-Datenbanken verwaltet oder bestehen die multimedialen Elemente vorwiegend aus Video- und Trickfilmsequenzen, muss entsprechend mehr Platz verfuegbar sein. Festplatten mit 2 und mehr GB sind dann erforderlich. Sie bieten auch fuer eigene Multimedia- Applikationsentwicklungen genuegend Speicherplatz und werden ausserdem immer preiswerter.

Da die meisten multimedialen Quelldaten auf CD gepresst werden, sollte in einem Multimedia-Rechner ein CD-ROM-Laufwerk nicht fehlen. Auch die schnellsten CD-Laufwerke sind allerdings zu langsam, um fluessig in eine Multimedia-Applikation eingebunden zu werden. Deshalb duerfen geschwindigkeitsabhaengige Applikationen nur auf die schnellere Festplatte zugreifen.

Fuer das Kopieren der CD-Dateien auf die Festplatte ist ein Quadspeed-Laufwerk ausreichend. Schliesslich wird es lediglich als Datenquelle und nicht programmgebunden verwendet. Eine Ausnahme bildet die unternehmensweite Nutzung eigener CDs (zum Beispiel firmeninterne multimediale Datenbanken oder Archive). Hier sollte das CD-ROM-Laufwerk ueber die maximal moegliche Datentransferrate von derzeit 1 MB/s bei sechsfacher Umdrehungszahl verfuegen, da die CD in diesem Falle das langsamste Glied in der Hardwarekette ist. Dies gilt auch fuer CD-Jukeboxen, die haeufig zur Speicherung umfangreicher Datenbestaende zum Beispiel in Museen, fuer Bild- und Tondatenbaenke, medizinische Bibliotheken, digitale Filmarchive etc. eingesetzt werden und in wenigen Sekunden auf mehrere hundert CDs zugreifen koennen.

Ueberall dort, wo viele multimediale Daten auf Wechselmedien zur Verfuegung stehen sollen, lassen sich auch WORM-Disks (WORM = Write Once, Read Multiple) als optisches Speichermedium gut verwenden. Sie sind bei einer Datentransferrate von 4,5 MB/s und einer maximalen Kapazitaet von 4,6 GB pro Medium wesentlich schneller als CD-Laufwerke. Die mittlere Zugriffszeit von etwa 20 Millisekunden liegt zudem fast im Leistungsbereich von Festplatten, wodurch WORMs auch als Quellaufwerk in ein Programm eingebunden werden koennen. Da sie nur einmal beschrieben werden koennen, sollten sie allerdings nur fuer nicht aktualisierungsbeduerftige Applikationen beziehungsweise Daten verwendet werden.

Flimmerfreie Grafik und fluessige Filmsequenzen

Anwendungen, in denen vor allem Ton und stehende Bilder verarbeitet werden, erfordern eine hohe Bildaufloesung, denn sie sollen oft auf grossen Monitoren oder sogar ueber Videobeamer gezeigt werden. Grafikadapter mit einer maximalen Aufloesung von 1280 x 1024 Pixel und 64000 moeglichen Farbnuancen sind deshalb fuer Vorfuehrungen sinnvoll.

Wird der Rechner nur am Arbeitsplatz benutzt, genuegen auch kleinere Bildschirmdiagonalen und dementsprechend geringere Aufloesungen von 1024 x 768 (17 Zoll) oder 800 x 600 Pixel (15 Zoll). Anwendungen mit Video- oder Trickfilmszenen kommen generell mit Bildaufloesungen von 800 x 600 Pixel aus, denn das PAL-Format hat nur 740 x 625 Pixel, und Trickfilmsequenzen mit hoeheren Aufloesungen sind sehr aufwendig und teuer und deshalb sehr selten. Hoehere Aufloesungen koennen sogar nachteilig sein, da die dadurch notwendige Vergroesserung des Bildausschnittes auf Vollbildgroesse Qualitaetseinbussen nach sich zieht.

Wichtig ist, dass Grafikkarte und Monitor in der entsprechenden Aufloesung mindestens 64000 Farben, besser noch True Color (16,7 Millionen Farben) darstellen koennen und kein stoerendes Flimmern auftritt. Die Grenze fuer ergonomisch vertretbare Werte liegt bei 72 Hertz Bildwiederholungsrate. Fuer schnelle Bildwechsel sorgt auf der Grafikkarte ein ausreichend grosser RAM-Speicher von mindestes 2 MB. DRAM-Speicher sind zwar sehr preiswert, doch schneller arbeiten die neuen EDO-RAM-Module. Als schnellste und gleichzeitig auf Grafikverarbeitung optimierte Chips sind WRAMs fuer fluessige Bildwechsel in Multimedia-Anwendungen die erste Wahl.

Zunehmend werden Kombinationen aus Video- und Grafikkarte angeboten, doch die Qualitaet dieser Hybridkarten errieicht nicht das Niveau von entsprechenden Einzelprodukten. Soll ein Rechner mit einem Videoboard ausgestattet werden, weil zum Beispiel zur Applikationsentwicklung Videosequenzen eingespielt werden muessen, ist deshalb eine Trennung von Video- und Grafikeinheit zu empfehlen.

Um auch laengere Videosequenzen platzsparend abspeichern zu koennen, ist ein MPEG-Board notwendig. Dieses kann in Kombination mit dem Videoboard das Videosignal direkt waehrend der Digitalisierung in das MPEG-Format komprimieren. Softwareloesungen benoetigen hingegen fuer eine Minute Film oft mehr als eine Stunde, und der unkomprimierte Film (eventuell mehrere hundert MB) muss zuvor auf der Festplatte zwischengespeichert werden. Das MPEG-Format bietet den besten Kompromiss zwischen Kompressionsrate und Bildqualitaet. Bis zum Faktor 1:20 lassen sich Videofilme nahezu verlustfrei komprimieren. Bei gleichzeitig abnehmender Qualitaet laesst MPEG die stufenlose Einstellung des Kompressionsfaktors bis zu einem Verhaeltnis von 1:200 zu.

Da der Grundgedanke von Multimedia die Optimierung der Schnittstelle Mensch-Computer ist, werden viele Multimedia-Rechner auch mit Touchscreens ausgestattet. Bei identischem Ein- und Ausgabemedium kann sich der Anwender ganz auf den Bildschirm konzentrieren. Erforderlich ist dies vor allem bei Anwendungen, die von Laien einfach, schnell und ohne Anweisungen bedient werden sollen. Vielfach werden diese Monitore mit sehr kleinen Diagonalen angeboten. Einen Sinn macht ein Touchscreen aber erst ab einer Groesse von 17 Zoll, denn bei kleineren Bildschirmen wird der Vorteil besserer Mensch-Maschine-Kommunikation durch den Nachteil schlechterer Les- und Bedienbarkeit wieder zunichte gemacht. Deshalb sollte ein fuer einen Multimedia-Rechner bestimmter Monitor generell eine Bildschirmdiagonale von wenigstens 17 Zoll haben und mindestens die gleichen Kenndaten aufweisen wie der Grafikadapter.

Auf den richtigen Ton kommt es an

Auch die Audiokomponente ist in ihrer Wirkung nicht zu unterschaetzen. Eindrucksvolle Klaenge tragen oft mehr zur Wirksamkeit einer Praesentation bei, als man glaubt. Multimedia- Anwendungen dienen immer noch zu 80 Prozent der Vermittlung von Werbeinhalten und sollten deshalb alle verfuegbaren Medienformen gleichermassen ausnutzen. Die ueblichen 16-Bit-Soundkarten mit Wavetable-Synthese verfuegen fast immer ueber die notwendigen Klangeigenschaften, doch haeufig scheitert die realistische Wiedergabe einer Sprecherstimme oder die betonende Wirkung einer Musikeinblendung an unterdimensionierten Lautsprechern. An Aktivboxen aus dem HiFi-Bereich oder auch einem separaten Endverstaerker mit Boxen sollte aus diesem Grund zumindest bei Praesentationen und oeffentlich zugaenglichen Terminals nicht gespart werden.

Video-Conferencing interessant durch ISDN

Fuer Praesentationen, Vorfuehrungen und andere publikumswirksame Anwendungen sollte der ideale MM-PC ueber die bestmoegliche Ausstattung verfuegen. Da kein Hersteller derartig vollstaendig ausgestattete PCs in der noetigen Qualitaet serienmaessig liefert, ist eine Individualkonfiguration fuer professionelle Zwecke unabdingbar. Je nach Ausstattung sind in diesem Falle Investitionen zwischen 8000 und 15000 Mark notwendig. Die preiswerten serienmaessigen Multimedia-PCs (ab zirka 4000 Mark) sind fuer den Hausgebrauch interessant, muessen aber in ihrer Ausstattung optimiert werden, um sich fuer den Einsatz in Unternehmen zu eignen. Anwendungsgebiete fuer diese Geraete sind zum Beispiel Video-Conferencing und multimediale Bueroanwendungen (Spracheingabe, PC als Telefonschaltzentrale, Informationsdienste wie Compuserve, Internet oder T-Online etc.).

Besonders Video-Conferencing ist durch die mittlerweile guenstige ISDN-Preisstruktur heute schon interessant und wird sich in Zukunft schnell verbreiten. Da das System vom oeffentlichen Publikumsverkehr ausgeschlossen ist und deshalb der Anwender individuell die fuer ihn erforderliche Bildqualitaet definiert, koennen Multimedia-PCs von der Stange eine alternative Basis fuer Videokonferenzsysteme sein.

Was ein MM-PC haben sollte

Pentium-CPU mit 100 oder 133 Megahertz, PCI-Board, 16 MB RAM, Grafikadapter mit mindestens 2 MB VRAM, EDO-RAM oder WRAM, Wide- SCSI-Adapter, Wide-SCSI-Festplatte mit 2 GB, Quadspeed-CD-ROM- Laufwerk (eventuell), WORM-Laufwerk (fuer Applikationsentwicklung), 16-Bit-Soundkarte mit Wavetable-Synthese, separates SVHS- Videoboard mit MPEG-Erweiterung fuer Applikationsentwicklung (eventuell) sowie Touchscreen ab 17 Zoll.

Kurz & buendig

Die Bandbreite der Anwendungen und der dafuer jeweils erforderlichen Soft- und Hardware ist gross, auch was den Preis anbelangt. Zwischen einem ordentlichen multimediafaehigen PC fuer den normalen Hausgebrauch und professionellem Geraet fuer praezise Praesentationen und andere publikumswirksame Anwendungen kann ein Unterschied von zirka 10000 Mark liegen.

*Michael Funk ist freier Journalist in St. Johann.