Nissan hat ein neues Händlerbestellsystem eingeführt

Individuelle Kundenwünsche gelangen blitzschnell ans Montageband

26.11.1999
Dank dem Informations- und Bestellsystem "Merlin" können Nissan-Händler ihren Kunden auch bei individuellen Angeboten genaue Liefertermine nennen. Ekkehard Schuck* beschreibt das System, das Bestellungen für internationale Produktionsstandorte sammelt und koordiniert.

Das Automobil ist ein Massenprodukt, und doch möchte jeder Käufer ein ganz auf ihn zugeschnittenes Fahrzeug erwerben. Die großen Automobilhersteller versuchen, solchen Wünschen mit ihrer Modellpolitik zu entsprechen: diverse Motorversionen, Farbkombinationen, Ausstattungs- und Zubehörvarianten stehen dem Autokäufer zur Verfügung.

Für die Hersteller ist die Erfüllung dieser Kundenwünsche einerseits eine Marketing-politische Notwendigkeit, andererseits eine logistische Herausforderung: Die Vielfalt der Varianten darf nicht durch lange Liefer- und Produktionszeiten erkauft werden.

Wie bringt man aber die Kundenwünsche möglichst schnell bis ans Montageband? Die Nissan Motor Deutschland GmbH, Neuss, hat diese Aufgabe mit dem Händlerbestellsystem Merlin gelöst. Seit Oktober 1998 nutzen die etwa 800 Handelspartner das System, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben des Slogans "Mehr Effizienz durch richtige logistische Information" herleitet.

Merlin deckt die logistische Kette von der Bestellung bis zur Auslieferung ab. Schon während des Verkaufsgesprächs gleichen die Händler Kundenwünsche mit dem Lagerbestand in Amsterdam sowie den Produktionskapazitäten der Werke in Sunderland, Barcelona und Tokio ab. Der Kunde erfährt bei Auftragsannahme auf die Woche genau, wann sein Fahrzeug geliefert wird; ausgefeilte Kalkulationsmechanismen berücksichtigen hierfür freie Kapazitäten, Wunschtermine und regionale Besonderheiten. So ist der Händler bis zu zwei Wochen vor Produktionsstart in der Lage, individuelle Kundenwünsche zu berücksichtigen.

Doch das System fördert nicht nur die Zufriedenheit der Kunden, sondern auch die der Nissan-Partner. Ihnen hilft Merlin, die Vertriebskosten zu senken. Dadurch, daß sie Auslieferungstermine genau und knapp festlegen können, müssen sie weniger Preiszugeständnisse machen als Händler, die ihren Kunden nur verschwommene Terminzusagen wie "ungefähr in einem halben Jahr" anbieten können.

"Für eilige Kunden muß ein Nissan-Partner selbstverständlich immer Fahrzeuge vor Ort vorrätig haben", plaudert Jerome de Haan, Hauptabteilungsleiter für Vertrieb, Planung und Administration bei Nissan Deutschland, aus dem Nähkästchen. Mit Merlin könne der Händler sein Lager jedoch wirtschaftlicher betreiben und das Risiko von Nichtverkäufen deutlich senken. Das System ermögliche es ihm, die im Amsterdamer Zentrallager verfügbaren Fahrzeuge sowie geplante Produktionssteigerungen einzubeziehen, ohne viel Zeit auf die Informationsbeschaffung zu verwenden.

Entwickelt wurde Merlin mit den OLTP-Produkten der Software AG: auf Basis des Datenbank-Management-Systems "Adabas" und mit Hilfe der Entwicklungsumgebung "Natural". Nissan und die Software AG arbeiten zusammen, seit sich 1985 die Nissan-Zentrale in Tokio für die Produkte des Darmstädter Software-Unternehmens entschieden hat.

"Die Alternative, eines der ERP-Standardpakete einzusetzen, schien uns wenig aussichtsreich", erläutert de Haan. "Zum einen hätte die Anpassung für unsere komplexen Anforderungen unverhältnismäßig viel Maßarbeit bedeutet, zum anderen wollten wir unser Investment und Know-how bei den Software-AG-Produkten nicht gefährden." Mit diesem Know-how ließ sich Merlin in 20 Monaten zur Produktionsreife bringen.

Das Händlerbestellsystem wird auf einem OS/390-Großrechner betrieben. Die Händler greifen von ihrem PC über T-Online auf die Anwendung zu. Langfristig hält de Haan eine Weiterentwicklung in Richtung Client-Server-Architektur mit grafischen Oberflächen für möglich: "Die Basis für neue Entwicklungen ist durch die konzeptionell scharfe Trennung von Benutzerschnittstelle, Verarbeitungslogik und Datenzugriffsschicht gegeben."

Nissan

Nissan gehört zu den fünf größten Automobilherstellern der Welt und ist seit vielen Jahren die Nummer eins unter den japanischen Importeuren in Europa. Das Unternehmen verfügt über Produktionsstätten in 20 Ländern. Weltweit beschäftigt es rund 135 000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz des Konzerns betrug im Geschäftsjahr 1997/98 rund 83,4 Milliarden Mark.

*Ekkehard Schuck ist freier Journalist in Darmstadt.