DV und Recht/Online-Rechtsberatung im Visier

Individuelle Hilfe bleibt eine Ausnahme

11.01.2002
Auf Dutzenden von Websites findet der Internet-Nutzer heute ein reichhaltiges und zum Teil hervorragend aufbereitetes Angebot zu rechtlichen Themen und Fragestellungen. Online-Rechtsberatung ist dagegen ein heißes Eisen, denn den Cyber-Anwälten sollte nicht blind vertraut werden. Von Andrea Goder*

Für alle, die sich über aktuelle juristische Themen informieren und auf dem Laufenden halten wollen, ist der Internet-Auftritt des Bundesjustizministeriums (BMJ) eine wichtige Adresse. Dort wird Unternehmen und Privatpersonen eine breite Angebotspalette offeriert. Geht es etwa um die Neuregelung der Insolvenzordnung, die zum 1. Dezember 2001 in Kraft trat, oder das neue Euro-Bilanzgesetz, das vor genau einem Jahr wirksam wurde - Gesetzesentwürfe können vorab online abgerufen oder per Mausklick als Broschüre bestellt werden. Um schnell zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen, wird das Web-Angebot des BMJ zusätzlich von einer Suchmaschine unterstützt. Zum Online-Service des Berliner Ministeriums gehört außerdem ein kostenloser Newsletter mit aktuellen Infos und Publikationen.

Virtuelle NachschlagewerkeIn einem gemeinsamen Projekt mit der Juris GmbH, Saarbrücken, stellt das BMJ eine Vielzahl von Gesetzen bereit, für die das Berliner Ministerium zuständig ist. Diese öffentliche Bibliothek ist nach Sachgebieten untergliedert (Handels- und Wirtschaftsrecht oder Strafrecht) und zusätzlich alphabetisch geordnet (Aktiengesetz, BGB und HGB).

Darüber hinaus bestehen direkte Links zu den einzelnen Bundesministerien, wo die jeweiligen Gesetzestexte abgerufen werden können. Welche Bestimmungen das Gewerbesteuergesetz (GewStG) oder das Investitionszulagengesetz von 1999 (InvZulG) umfasst, ist auf der Internet-Seite des Finanzministeriums zu finden. Wer sich für Einzelheiten des Signaturgesetzes (SigG) oder Telekommunikationsgesetzes (TKG) interessiert, wird auf der entsprechenden Online-Site des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie fündig.

Zentrale AnlaufstellenEine zentrale Anlaufstelle für juristische Online-Recherche ist auch das Internet-Portal der Universität Saarbrücken. Bereits 1993 an den Start gegangen, gehört die Website mit täglich bis zu 180000 Zugriffen zu den am häufigsten frequentierten Adressen im Rechtsbereich. Aktualität und Qualität des Angebots hat den Saarländern wiederholt gute Kritiken in der Fachpresse eingebracht. Das Angebot umfasst mehr als 5000 Links, unter anderem zum Bundesverfassungsgericht und Bundesgesetzblatt, bietet eine juristische Suchmaschine sowie eine Online-Rechtszeitschrift. Auch die Entscheidungen der Bundesgerichte lassen sich über diese Internet-Site abrufen.

Während die Universität Saarbrücken vor allem juristische Fachkreise adressiert, gibt es auch für den versierten Laien interessante Web-Adressen. Rechtsportale wie Jusline.de, Jura-Lotse.de oder Rechtsfinder.de bieten ein vielseitiges Angebot, das von der Anwaltssuche über Urteile, Gesetze und Rechtsinformationen bis hin zur Online-Beratung reicht. Mit einer Suchfunktion wird der Nutzer beispielsweise bei Rechtsfinder.de dabei unterstützt, im gesamten Bundesgebiet einen Fachanwalt in seiner Nähe zu finden.

Zusätzlich können in einer Datenbank mehr als 15000 öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für eine Vielzahl an Fachgebieten kostenlos abgerufen werden. Rechtsfinder.de bezieht diese Daten direkt vom Deutschen Anwalts Verlag. Allerdings hat dieses Portal eine Schwachstelle: die juristische Suchmaschine. Lediglich vier Treffer erhält man beispielsweise zu den Suchbegriffen "fristlose Kündigung". Werden diese zusätzlich mit den Wörtern "Krankheit" oder "Diebstahl" kombiniert, geht der Online-Ratsuchende gänzlich leer aus.

Leistungsstark und eine Fundgrube bei konkreten Rechtsfällen ist dagegen das Internet-Angebot des "ARD-Ratgeber Recht". Das Angebot ist für Firmen und private User gleichermaßen interessant. Dabei drehen sich die Inhalte um Fragen wie: "Besteht gegen den Verursacher Anspruch auf Schadensersatz, wenn durch einen Stromausfall Computerdaten gelöscht werden?" oder "Darf ein Arbeitnehmer, der unpünktlich am Arbeitsplatz erscheint, während der gesetzlichen Probezeit ohne Abmahnung gekündigt werden?"

Die Antworten lassen sich über mehrere Datenbanken recherchieren. Über den Link "rechtneu" hat der Nutzer Zugriff auf 2000 aktuelle und nach Themen geordnete Urteile. Parallel dazu steht ihm eine Datenbank zur Verfügung, in der er anhand von Begriffen nach Urteilen in der Sendung "ARD-Ratgeber Recht" suchen kann. Wer außerdem sein Wissen zu Themen wie Arbeitsrecht, Erbschaft oder Haustierhaltung testen will, kann an einem Quiz mit mehr als 2500 Fragen und Antworten teilnehmen. Last, but not least bietet das Web-Portal Zusatzinformationen zu den aktuellen Sendungen sowie kommentierte Links.

Schnellschuss zu RechtsthemenDiese kostenlosen Services sind nützliche Quellen, um sich schnell und umfassend über bestimmte Rechtsthemen ein Bild zu machen. Gleichzeitig bedeuten die via Internet abrufbaren Inhalte einen wichtigen Schritt in Richtung informierter und mündiger Rechtsbürger. Dass das Web-Angebot allerdings den Gang zum Anwalt überflüssig macht und sich dadurch Kosten sparen lassen, ist ein weit verbreiteter Trugschluss.

Zwar bieten Rechtsportale wie Infogenie und viele kleinere Anwaltskanzleien auf ihren Internet-Sites heute bereits juristische Beratung an. Die Cyber-Spezialisten versprechen schnelle, kompetente sowie günstige Rechtshilfe. Das Prozedere sieht im Idealfall vor, dass auf eine per E-Mail gestellte Frage zu einem rechtlichen Sachverhalt auch prompt die richtige Antwort zurückkommt.

In der Praxis ist Rechtsberatung im Internet allerdings oft reine Glücksache. Das zumindest ist das Ergebnis einer Untersuchung der "Stiftung Warentest" vom vergangenen Frühjahr. Unter die Lupe genommen wurden insgesamt elf Internet-Kanzleien, die jeweils einen Musterfall aus dem Bereich Zivil-, Familien- und Arbeitsrecht zu lösen hatten. Mit ernüchterndem Ergebnis: Schnelle und korrekte Antworten waren den Testern zufolge die Ausnahme. Falls überhaupt Antworten im E-Mail-Briefkasten eingingen, waren die Beratungsergebnisse zum Teil unbrauchbar. Insgesamt kamen nur drei richtige und vollständige Antworten zurück.

Schwierige BeratungSchlecht abgeschnitten hat die Cyber-Generation unter den Anwälten auch in der Sendung "Plusminus" vom vergangenen April. Internet-Kunden, die ihr Glück etwa bei Oreba.de oder Recht-Online.com versuchten, bekamen falsche Rechtsauskünfte. Anfragen bei Infogenie.de, Netline-Recht.de und Rechtsfinder.de blieben unbeantwortet. Nur zwei Anbieter, Gigarecht.de und Rechtslotse.de, lieferten korrekte Antworten. Auch wenn es sich bei den Tests nur um Stichproben handelt - die Ergebnisse sprechen für sich.

Von Rechtsexperten wird die virtuelle Rechtshilfe kritisch gesehen. "Wir raten von jeder Form der Online-Rechtsberatung ab", erklärt Frank Jonigk von der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin. Da die Beratung ohne schriftliche Unterlagen erfolgt, gestaltet sich die Beantwortung der Fragen - wie im Übrigen auch bei der telefonischen Hotline - vielfach schwierig. Nur bei einfacher Rechtslage und allgemein gültigen Informationen kommt eine Online-Rechtsberatung überhaupt in Frage.

Dubiose AnbieterJe komplizierter ein Sachverhalt jedoch in der Praxis ist, umso mehr Rückfragen ergeben sich. "Man bekommt via Internet keinen konkreten Rechtsfall, etwa einen Kündigungs- oder einen Mietrechtsstreit, gelöst. Hier wird Vollständigkeit vorgespiegelt, wo keine Vollständigkeit vorhanden ist", ist Jonigk überzeugt. Davon abgesehen ist die Internet-Rechtsberatung bisweilen sogar teurer als das persönliche Erstgespräch mit dem Anwalt.

Nicht gerade im besten Licht erscheint der Markt der Online-Juristen noch aus einem anderen Grund. Dubiose Anbieter lassen sich aus dem Internet nicht zuverlässig herausfiltern. Um nicht auf Kurpfuscher hereinzufallen, sollten Ratsuchende vorab die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter lesen und sich genau über die Beratungskosten informieren. Bestehen Zweifel am Anbieter, kann über Denic oder Network Solutions überprüft werden, wer der Inhaber der Internet-Domain ist. Online-Rechtsberatung darf in Deutschland nur von Rechtsanwälten erteilt werden.

Recht-online.com ist eine der fragwürdigen Adressen, die "vorübergehend", wie es auf der Homepage heißt, ihren Rechtsberatungsservice einstellen mussten. Erwirkt wurde das Verbot auf Antrag der Rechtsanwälte Lemmer, Foppe und Lange vom Landgericht Halle. Inhaber der Internet-Domain ist die Woschko Beteiligungen GmbH, eine im schwäbischen Weinsberg ansässige Firma, die Fenster sowie Stahl- und Glasfassaden vertreibt. Nach dem Rechtsberatungsgesetz hat das Unternehmen keine Erlaubnis, Beratungsservices im Netz anzubieten.

Verboten wurde dem Domain-Inhaber auch, mit den Begriffen "kompetente und kostengünstige Rechtsauskunft" zu werben. Wie auf der Homepage zu lesen ist, sei man im Interesse der Online-Kunden um eine "positive gerichtliche Klärung" bemüht. Gegen die bereits im April erlassene einstweilige Verfügung legte Firmenchef Manfred Woschko allerdings bis heute keine Berufung ein.

Wichtig ist, dass für die Inhalte der Beratung nicht der Besitzer der Domain, sondern der beratende Anwalt verantwortlich ist. Erhalten Rechtssuchende falsche Auskünfte, dürfte es in der Praxis aber dennoch schwierig sein, die Haftungsfrage im Einzelfall zu klären. Zusätzlich erschwert wird ein juristisches Vorgehen gegen Rechtsanwälte, die ihre Services vom Ausland aus anbieten. In diesem Fall kann es nicht schaden, einen Juristen aus der Prä-Internet-Epoche zu kennen. (ajf)

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.