Individuelle Briefe aus dem Computer

17.10.1975

Auf den Textverarbeitungskongressen der Orgatechnik (23. und 24. Oktober in Köln) und der Ratio (10. bis 12. November in Friedrichshafen) wird auch über die Automatisierung des Schriftverkehrs mit Computerhilfe gesprochen. Dem Thema ist auch ein Symposium auf der SYSTEMS 75 (am 28. Oktober) gewidmet. Mehr und mehr besinnen sich Organisatoren darauf, langsame Schreibautomaten durch automatische Korrespondenz (AKO) per Computer zu ersetzen.

In der Bundesrepublik diktieren etwa fünf Millionen Büroangestellte Korrespondenz, die von rund zwei Millionen Schreibkräften bei jährlichen Gesamtkosten von etwa 160 Milliarden Mark erledigt wird.

Dennoch haben bislang nur wenige deutsche Firmen die Korrespondenz mit Hilfe des Computers automatisiert. Doch die Mühe lohnt sich, wie die beispielhaften Erfahrungsberichte zeigen.

Angela Klemm, Leiterin der Hauptabteilung

Korrespondenz Neckermann Versand-KG, Frankfurt

Unser Haus verfügt über zwei Anlagen IBM 370/168 mit je 3000 KB. Als Eingabe

medium für AKO dienen zwei IBM-Locher 129. Als Ausgabemedium benutzen wir einen unserer IBM-Schnelldrucker 1403/Mo1 mit auswechselbarer Spezialkette für Groß- und Kleinschreibung. Der Kernspeicherbedarf für die Textdateiwartung beträgt 60 K, für die Briefabrufe 180 K. Innerhalb einer Stunde verarbeitet unsere Anlage etwa 5000 Briefe. Die Stunde ist bei virtuellem Speicher für unsere Programmgröße und Konfiguration mit etwa 500 Mark zu berechnen. Die CPU-Zeit beträgt gute 23 Sekunden pro 1000 Briefe. Für Fachleute gilt dieser Zeitbedarf als hoch. Er ist nur mit hohem Aufwand an peripheren Zugriffen - allein acht Adressentürme - zu erklären. Für 1000 Briefe mit durchschnittlich 45 Schreibzeilen benötigen wir eine Druckzeit von 45 Minuten auf einem Offline-System, die Druckstunde ist mit 56 Mark zu veranschlagen. An Monatsmieten zahlen wir 403 Mark für das AKO-Standardprogramm, das wir aber sehr stark erweitert haben, 618 Mark mal zwei für die beiden IBM-Locher, 376 Mark für die Spezialkette.

Die Programmerweiterung beanspruchte einen einmaligen Softwareaufwand von 130 000 Mark. Die Korrespondenz aus der Auftragsbearbeitung erfordert keinen nennenswerten Eingabeaufwand, sie ist das Produkt vorgegebener Prüf- und Entscheidungsroutinen in anderen Programmen.

Eine genaue Beschreibung der Neckermann-Anwendung bringt CW in der Systems-Ausgabe Nr. 43.

Klaus Rennebach,

Organisator für Textverarbeitung, Bausparkasse GdF Wüstenrot, Ludwigsburg

Wüstenrot hat 1971 die automatisierte Korrespondenz - kurz AKO - eingeführt. Die Papierflut und die damalige Lage am Arbeitsmarkt machten Rationalisierungsmaßnahmen im Bereich der Textverarbeitung unerläßlich.

Warum - werden wir oft gefragt - wurden als Zwischenstufe keine Textautomaten eingesetzt? Das "Rennen" mußte die computerorientierte Korrespondenz aus folgenden Gründen gewinnen. Bei AKO ist ein wahlfreier Zugriff auf eine Magnetplatte möglich, die mehrere tausend Textbausteine aufnehmen kann. Über bereits vorhandenen Datenbestände können in die meisten AKO-Briefe die Anschrift und ein Teil der variablen Textteile programmgesteuert eingesetzt werden. Die Selektion der Briefabsätze ist unvergleichlich schnellet, da nicht - wie beim Textautomaten - ein Auswechseln der Magnetbänder erforderlich wird.

Heute sind zum Erfassen der Briefabweisungen zentral zehn Bildschirme IBM 3277 eingesetzt. Eine Datentypistin gibt pro Tag durchschnittlich 100 solche Briefe ein. Auf 400 Platten-Spuren sind ca. 5000 Textbausteine gespeichert. Alle korrespondierenden Abteilungen veranlaßten 1974 rund 500 000 Briefe. 1975 rechnen wir mit rund 640 000 Briefen. Die Effizienz ist am größten, wenn die Briefe vollautomatisch gedruckt werden. Dann kommt nämlich der jeweils individuelle Input für AKO aus einem anderen Programm, so daß rationeller gearbeitet werden kann. Zur Zeit wird das Druckprogramm umgestellt: die Briefe sollen künftig zweibahnig gedruckt werden, damit die 150 Stellen des Druckers voll genutzt werden und die Druckzeit verkürzt wird.

Viereinhalb Jahre Automatisierte Korrespondenz waren für uns ein voller Erfolg.

Herbert Merkel,

Leiter der EDV-Abteilung, ADIG Investment GmbH, München

Die ADIG Investment produziert täglich 800, gelegentlich sogar bis zu 2000 Computerbriefe. Bedingt durch die Besonderheit unseres Geschäftes, erwartet der Kunde als Bestätigung für seine Transaktionen mehr als nur eine Formulardrucksache. Durch den Einsatz von Plastikfarbtüchern - etwa um die Hälfte teuerer als normale - und durch eine persönliche Unterschrift auf jeden Brief soll der Kunde sich persönlich angesprochen fühlen.

Bis 1968 wurden die für einzelne Vorgänge erforderlichen individuellen Briefe auf Schreibautomaten erstellt. Mitte 1968 führten wir Formbriefe ein, in der nur noch die Adresse und die variablen Daten eingefügt werden mußten. 1971 reichte auch das nicht mehr und wir sahen uns nach einem geeigneten System um.

Seinerzeit setzten wir das AKO-Paket der IBM ein, mußten aber verschiedene Änderungen durchführen, wie zum Beispiel das Kartensystem auf Platte umstellen und verschiedene Schnittstellen zu unseren Programmen einfügen.

Noch vor einem halben Jahr gingen unsere Pläne dahin, die gesamte Korrespondenz auf den Computer zu übernehmen.

Unserer Erfahrung nach wird jedoch in Zukunft die Korrespondenz zweigeteilt laufen, nicht mehr alles auf den Computer, damit der schön ausgelastet ist. Man geht jetzt daran, wirtschaftlich zu arbeiten. Was von der Quantität her für den Computer geeignet ist, wird vom System geschrieben, alles andere kommt auf den Schreib-Automaten, auch wenn der etwas langsamer ist, denn die Rüstzeit und die Laufzeit müssen genau mit einkalkuliert werden.

Direktor Karl Schaefer,

Leiter der Datenverarbeitung der Feldmühle AG, Düsseldorf

Auch wir im Hause Feldmühle hatten uns vor einiger; Zeit mit der Möglichkeit beschäftigt, unsere gesamte Korrespondenz über den Computer schreiben zu lassen. Das IBM-Programm AKO = Automatisierte Korrespondenz lief bereits zu Testzwecken. Nach unseren Erfahrungen hat sieh dieses Projekt aber als unwirtschaftlich erwiesen: zu hardwareaufwendig - man denke allein an die vielen Terminals, die in den Korrespondenzabteilungen des Hauses stehen müssen. Ein weiteres Problem ist auch das Abbauen psychologischer Hemmungen der Sachbearbeiter, die plötzlich keine Sekretärin oder zumindest kein Diktaphon mehr zur Verfügung haben.

Vorerst bleiben wir also bei unser en programmierten Textautomaten. Hier haben wir die Standardtexte auf Magnetband gespeichert, der Sachbearbeiter diktiert die entsprechende Codenummer (Texthandbuch) zusammen mit dem individuellen Text.

Auf diese Weise konnten wir nachweislich 20 Schreibkräfte einsparen, das entspricht pro Jahr etwa 600 000 bis 700 000 Mark.