Offshore bei TUI

Inder warten auf Anweisungen

02.09.2008
Von 
Daniela Hoffmann ist freie IT-Fachjournalistin in Berlin.

Wie Strunk fand es auch Andreas Kuhlmeyer, Systemadministrator im Bereich IT-Operations, hilfreich, vier Wochen in Indien zu arbeiten und persönliche Kontakte zu knüpfen. Auch ihm sind kulturelle Unterschiede aufgefallen: "Vieles ist anders als in Europa. Man muss lernen, anders vorauszudenken. Die indischen Kollegen warten im Zweifelsfall immer auf Instruktionen und entscheiden nicht auf eigene Verantwortung, weil Hierarchiegefüge anders wahrgenommen werden. Deshalb sind Handlungsanweisungen wichtig, die möglichst alle potenziellen Schwierigkeiten abdecken, damit der Arbeitsprozess nicht ins Stocken gerät." Um die Zusammenarbeit besser in Griff zu bekommen, ist deshalb immer mindestens ein indischer Kollege längerfristig als Übersetzer und Vermittler in Hannover. "Ihm können auch komplexe Dinge erklärt werden. Er übermittelt das Wissen nach Indien und übernimmt so einen Teil der Koordination", erklärt Kuhlmeyer.

Plaudern in der Arbeit gehört dazu

Auch die Kommunikation in Indien war anfangs ungewohnt, erinnerten sich die TUI-Infotec-Mitarbeiter Strunk und Kuhlmeyer: "In das indische Englisch und die etwas andere Art der Kommunikation und Gestik musste man sich erst einmal einhören. Sehr geholfen haben interkulturelle Trainings und Englischkurse, die wir innerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen konnten." In den interkulturellen Trainings sorgte die in Berlin lebende Französin Isabelle Demangeat als externer Coach dafür, die unterschiedlichen kulturellen Gepflogenheiten aufzuzeigen. "Ziel ist immer, die doppelte Perspektive mitzudenken. Dabei geht es weniger um das Erlernen von Inhalten als um eine bestimmte Haltung und ein Bewusstsein in der Praxis", sagt Demangeat. Informationen über Land und Sitten sind nur ein kleiner Part, auch wenn sie helfen, die Fettnäpfchen zu kennen. Im Vordergrund steht die Frage, wie Kommunikation in den beiden Kulturen funktioniert und auf welche Weise Vertrauen aufgebaut wird. In Indien bewegt man sich in Beziehungsgeflechten, vieles läuft über persönliche Kontakte. Einem Fremden am Telefon nur aufgrund einer gemeinsamen Aufgabe sachliche Informationen zu übermitteln, ist hierzulande kein Problem, in Indien jedoch ohne ausführliche Auskünfte zum Zusammenhang und zu den involvierten Personen unüblich.

Auch die deutsche Trennung zwischen Arbeit und persönlichem Leben ist indischen Mitarbeitern fremd. "Eine Bemerkung wie ‚Ich habe bei der Arbeit keine Zeit zum Plaudern, dafür werde ich nicht bezahlt‘ würde bei einem Inder auf komplettes Unverständnis treffen und tiefe Verletzungen hervorrufen", erklärt Demangeat. Persönliche Gespräche und Beziehungen sind auch in der Arbeitswelt die Grundlage. Dieser Ansatz kann letztlich auch die deutsche Arbeitsatmosphäre bereichern.

Kommunikation als permanente Aufgabe

Kommunikation braucht Aufmerksamkeit - das ist eine Kernbotschaft der Beraterin. Immer wieder anzusprechen, wo Probleme oder Unverständnis sind, einen Beauftragten für Kommunikationsqualität zu benennen: Das seien die Aufgaben für das Unternehmen. Eine wesentliche Aufgabe sieht die Beraterin auch darin, dass beide Seiten ihre Erwartungen an die jeweilige Tätigkeit aufzeigen. Geplant sind weitere interkulturelle Trainings, an denen indische und deutsche Kollegen gleichzeitig teilnehmen. Auch der Umgang mit unterschiedlichen Arbeitsweisen braucht Zeit: "Kritikfähigkeit gegenüber den Vorgesetzten muss massiv eingefordert werden, und auch dann braucht es Zeit, alte Muster zu durchbrechen. Dazu gehören intensives Nachfragen und die Ermunterung zu klaren Ansagen, wenn Unstimmigkeiten bestehen", sagt Geschäftsführer Kreuzer.