Inder und Deutsche lernen voneinander

01.12.2006
Im Rahmen eines interkulturellen Tranings hat Sapient 200 indische Computerfachleute auf den deutschen Berufsalltag vorbereitet.

Wenn Abhishek Bhattacharya, IT-Projektleiter bei Sapient, am Montagmorgen das Team-Meeting im Münchner Büro eröffnet, weiß er, was ihn erwartet: eine lebhafte Runde, in der das laufende Projekt von allen Mitarbeitern weiterentwickelt wird; Ideen werden geäußert, weitergesponnen, Meinungsverschiedenheiten ausdiskutiert. Alles ganz normal? Für Bhattacharya, verantwortlich für ein Team aus acht indischen und elf deutschen Mitarbeitern, bedeutete diese Situation vor drei Jahren eine gewaltige Umstellung.

Interkulturelle Tipps

• Das richtige Team zusammenstellen: Nur ein starkes Team aus charismatischen und anerkannten Mitarbeitern kann die Kollegen für das Integrationsprojekt begeistern. Zudem sollten die Teammitglieder aus verschiedenen Kulturen kommen und ihren Hintergrund und ihr Wissen in die Projektplanung einfließen lassen.

• Die Glaubwürdigkeit sichern: Die Akzeptanz bei den Mitarbeitern hängt stark von der schnellen und reibungslosen Abwicklung des Projekts ab - Erfolge müssen rasch sichtbar, Probleme zügig beseitigt werden.

• Den Dialog aufrechterhalten: Wird das Projekt intensiv durch interne Kommunikationsmaßnahmen begleitet, fühlen sich die Mitarbeiter einbezogen und gut informiert. So wird Gerüchten vorgebaut, und alle ziehen am selben Strang.

• Langfristig am Ball bleiben: Das interkulturelle Verständnis füreinander erhält durch erste Trainings eine wichtige Basis. Die Schulungs- und Integrationsmaßnahmen müssen aber langfristig angelegt, wiederholt und immer wieder aktualisiert und verbessert werden.

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In Indien, wo er von 1998 bis 2003 als Projekt-Manager arbeitete, sahen Sitzungen ganz anders aus. Dort herrscht im Gegensatz zu dem in Deutschland verbreiteten demokratischen Führungsstil ein ausgeprägt autoritärer: Die Mitarbeiter erwarten von ihrem Teamleiter eine starke Führung und verstehen sich vor allem als Ausführende übertragener Aufgaben. Vom Chef wird erwartet, dass er bei jedem Problem die beste Lösung kennt und alle wichtigen Entscheidungen allein trifft.

Neue Ausrichtung war nötig

Nachdem im Jahr 2003 die Talsohle in der IT-Wirtschaft durchschritten war, in der auch Sapient einige Einschnitte vornehmen musste, beschloss das Unternehmen diverse Veränderungen, um sich innerhalb der neuen Marktgegebenheiten neu auszurichten. Dazu zählte auch die Integration der indischen Mitarbeiter in die internationale Belegschaft.

Innerhalb von zwei Monaten wurden 200 indische Mitarbeiter in die deutsche Niederlassung aufgenommen, zudem 330 in das englische sowie 500 in das US-amerikanische Team. Die indischen Beschäftigten wurden weiter im indischen Office beschäftigt, aber viel enger an die europäischen und nordamerikanischen Geschäftsbereiche angebunden. Ziel der Aktion war es, die Fähigkeiten der indischen Kollegen auch den europäischen und amerikanischen Teams zur Verfügung zu stellen.

Charismatiker sollen es richten

Julia von Winterfeldt, damals 33, verantwortete die Planung und Umsetzung der interkulturellen Integration. Sie erinnert sich: "Im ersten Schritt setzten wir ein vierköpfiges Team zusammen, das sich um Themen wie Kommunikation und Kultur, die Neugruppierung der Teams und die geschäftlichen Aspekte der Integration kümmerte. Wichtig war uns dabei, ein starkes Team aus charismatischen und anerkannten Mitarbeiter zu bilden, das die Kollegen für das Projekt begeistern konnte."

Von Winterfeldt, die zuvor die Geschäftsleitung in diversen Projekten unterstützt hatte, war auch durch ihren interkulturellen Hintergrund prädestiniert für diese Aufgabe. Die junge Managerin wurde in Pakistan geboren und absolvierte ihre Ausbildung in England und Deutschland.

Das Projekt lief in drei Phasen ab: Die Designphase von Mitte Mai bis Anfang Juni 2003 umfasste die Zielsetzung und die Teamaufstellung. Hier war es wichtig, die uneingeschränkte Unterstützung des Managements zu erhalten. Von Mitte Juni bis Mitte Juli wurde die Implementierung durchgezogen. "Wir haben uns bewusst für eine sehr schnelle Abwicklung des Projekts entschieden", so von Winterfeldt. "Wir sind überzeugt, dass Geschwindigkeit und Reibungslosigkeit stark zur Akzeptanz bei den Mitarbeitern und zur Glaubwürdigkeit beigetragen haben. Die intensive Projektbegleitung durch die interne Kommunikation tat ihr Übriges. Updates an die gesamte Mannschaft erfolgten mindestens wöchentlich."

Neben der administrativen und Prozessintegration ging es vor allem darum, interkulturelles Verständnis zwischen den deutschen und indischen Kollegen aufzubauen. Bei der Vorbereitung einer Reihe von Trainings half dem Projektteam das kulturelle Wissen von Kollegen, die lange in der jeweils anderen Kultur gelebt und gearbeitet hatten. Ziel der Schulungen war es, durch verschiedene Rollenspiele und Lerneinheiten zu Kultur und Strukturen der Arbeitswelt programmierte interkulturelle Probleme abzumildern. Da zum Beispiel indische Kollegen manchmal nicht gerne durchblicken lassen, dass sie eine Frage nicht beantworten können, erhielten die deutschen Kollegen Tipps und Tricks an die Hand, wie sie ihnen höflich auf den Zahn fühlen können. Inder hingegen fühlen sich oft von der Direktheit im deutschen Kommunikationsstil überfahren. Ihnen hilft das Wissen um die unterschiedlichen Gepflogenheiten, die Kollegen nicht als unhöflich und überheblich wahrzunehmen.

In drei Jahren zusammengewachsen

Erstes positives Feedback, dass diese Trainings wichtig waren und eine gute Zusammenarbeit förderten, gab es nach dem ersten gemeinsamen Projekt der integrierten Geschäftseinheit für die T-Com. Ein weiteres kurzfristiges Ziel konnte bis Ende 2003 erreicht werden - die Zufriedenheit der indischen Mitarbeiter wuchs und damit ihre Neigung, das Unternehmen nicht zu verlassen. Drei Jahren lang ist das Verständnis füreinander beständig gewachsen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Belegschaft sind zu jeder Zeit an einem anderen Standort des Unternehmens im Einsatz. Dabei unterstützen diverse Prozesse und Techniken die internationale Zusammenarbeit: So sind die täglichen Terminpläne für alle Teammitglieder einsehbar, bei Netmeetings werden die Projektunterlagen am Bildschirm zusammen angeschaut und diskutiert. (hk)