Projekte im E-Umfeld haben ihre eigenen Gesetze

In zehn Schritten zum E-Business

23.02.2001
Dabei sein ist eben nicht alles. Wer im E-Business gewinnen will, braucht eine Strategie. Klar definierte Ziele, kurze Projektlaufzeiten, volle Unterstützung durch das Management sowie flexible Softwaresysteme sind wichtige Voraussetzungen. Von Daniel Schaaf*

Die Rahmenbedingungen von E-Business-Projekten unterscheiden sich von denen anderer großer IT-Vorhaben. Deshalb ist dafür ein eigenes Modell nötig: Das Gesamtvorhaben wird in Teilprojekte aufgeteilt, die jeweils einen definierten geschäftlichen Nutzen versprechen und im Mittel etwa drei Monate dauern sollten. Zudem haben sich in der Praxis folgende zehn Projektschritte bewährt.

1. Verabschieden einer E-Business-Strategie: Dabei ist weniger auf das "Wie" als auf das "Was" und "Warum", also die Geschäftsziele, einzugehen. Wichtig ist, die Strategie mit den relevanten Entscheidern und allen mit Kundenbeziehungen befassten Abteilungen zu erörtern. Die Strategie sollte für die nächsten drei bis vier Jahre ausgelegt sein. Kürzere Planungen haben keinen strategischen Charakter, längere sind in dem dynamischen Umfeld zu gewagt. Eine E-Business-Strategie muss nicht Hunderte von Seiten umfassen. Es reicht eine Leitlinie, an der sich Planung und Realisierung orientieren können.

2. Grobplanung des gesamten Projekts: Sie umfasst die technische Konzeption sowie die Planung von Marketing, Organisation und Rollout. Wegen der Dynamik des geschäftlichen und technischen Umfelds kann auf hohe Detaillierung verzichtet werden. Allerdings sind die Projektideen mit den Strategien und Vorstellungen der Kunden abzustimmen. Ebenso sinnvoll ist es, sich mit den E-Business-Angeboten der Wettbewerber zu beschäftigen. Unbedingt sollten die Rahmenbedingungen der eigenen IT bekannt sein. Das Ergebnispapier besteht aus zwei Teilen: Die erste Komponente ist ein operativer Projektplan, der die Teile des Vorhabens in ihrer zeitlichen Reihenfolge und nach ihren Inhalten beschreibt. Den zweiten Teil bildet ein Geschäftsplan, der eine Ertragsrechnung sowie die mit dem Projekt verbundenen Chancen und Risiken aufführt. Eine einfache Deckungsbeitragsabschätzung reicht oft aus.

3. Partner- und Produktauswahl: Ein langatmiges Ausschreibungsverfahren führt hier zu erheblicher Verzögerung und engt die Anzahl der möglichen Anbieter stark ein. Alternativ bietet sich an, mit einigen geeigneten Dienstleistern die Systemarchitekturen und Lösungen zu diskutieren und sich rasch für das beste Konzept zu entscheiden. Kriterien für die Produktauswahl sind Flexibilität, Zukunftsträchtigkeit, Kooperationen und wirtschaftliche Situation der Anbieter. Liegen ein fundiertes E-Business-Konzept und eine gute Projektplanung vor, lässt sich zwischen dem "Alles-aus-einer-Hand"- oder "Best-of-Breed"-Ansatz meist einfach entscheiden.

4. Organisationsaufbau: Für Realisierung und Betrieb ist der Aufbau einer eigenen Organisationseinheit unabdingbar, an die besondere Anforderungen zu stellen sind: Flexibilität, Schnelligkeit, flache Hierarchien, Teambewusstsein, hohe Einsatzbereitschaft und fortlaufende Weiterbildung. Diese Abteilung lässt sich oft nur schwer in die bestehende Organisation einbinden. Passen Beschaffungsprozesse, Gehalts- und Hierarchiegefüge nicht zusammen, bleibt meist nur die Ausgründung. Immer häufiger ist von dieser Organisationsform für das E-Business zu lesen - zum Beispiel bei Daimler-Chrysler, BMW, Siemens, Hamburg-Mannheimer und Karstadt/ Quelle. Die von den Mitarbeitern zu fordernde Qualifikation richtet sich nach der geplanten Lösung. Für Content, Community und Kundenbeziehungen sind beispielsweise auch sprachliche und soziale Kompetenz gefragt.

5. Datenaufbereitung: Oft unterschätzt, birgt dieses Thema die größten Probleme in E-Business-Projekten. Katalogsysteme für die Kunden stellen Anforderungen, die sich aus dem vorhandenen Datenbestand nicht erfüllen lassen. Bebilderung, Produktbeschreibungen, Links zu Internet-Ressourcen oder die Parametrisierung der Produkteigenschaften erfordern zumindest Handarbeit bei der Datenaufbereitung. Abhilfe können XML-basierte Formate für den Katalogdatenaustausch, beispielsweise BMEcat, schaffen. Einzubeziehen sind auch Serviceinformationen, Brancheninhalte und spezifisches Mitarbeiterwissen. Zur Pflege solcher Daten empfiehlt sich ein Web-Content-Management-System.

6. Anwendungsintegration: Um einen spezifischen Mehrwert für die Kunden zu erzielen, muss das E-Business-System in der Lage sein, Daten mit existierenden Applikationen auszutauschen. Schließen die Anforderungen etwa verbindliche Lieferzusagen, Anbindung an Service und Vertriebseinheiten, Vertragsdatenabruf und kundenindividuelle Preise ein, so werden Datenbankabfragen und -eingaben direkt ausgeführt. Bei der Entwicklung von Schnittstellen sind Datenkonsistenz und Transaktionssicherheit sowie die Performance des Produktivsystems zu gewährleisten.

7. Plattformaufbau: Erhöht sich die Anzahl der zu bedienenden Schnittstellen, wird die Anwendung unflexibler und komplexer. Der Aufwand steigt mit jedem Release überproportional. E-Business-Projekte dienen deshalb vielen Unternehmen als Anlass, grundsätzlich über ihre IT-Architektur nachzudenken. Soll die Lösung im Endausbau mit vielen Systemen kommunizieren, stellt sich die Frage nach dem Aufbau einer Plattform zur Enterprise Application Integration (EAI).

8. Design- und Anwendungsentwicklung: Fertige Shop-Systeme müssen oft nur konfiguriert werden, erweisen sich für individuelle Geschäftsmodelle aber meist als ungeeignet. Auf Javabeans oder Enterprise Javabeans (EJB) nach dem J2EE-Standard aufgebaute Entwicklungsumgebungen bieten mehr Flexibilität, Skalierbarkeit, Erweiterbarkeit und Zukunftsträchtigkeit. Beim Frontend sind einfache Lösungen ausgefeilten grafischen Realisierungen meist vorzuziehen, da die Nutzer oft noch nicht die modernsten Browser und Plugins nutzen und bei zu langen Ladezeiten die Seite schnell wieder verlassen. Damit sich die angepeilte Teilprojekt-Laufzeit von drei Monaten einhalten lässt, ist eine vorherige detaillierte Feinplanung nicht möglich. Sie entsteht vielmehr durch die enge Zusammenarbeit von IT, Fachabteilung und Programmierern während der Realisierung.

9. Marketing: Ist mit der E-Business-Lösung die Absicht verbunden, neue Märkte zu erschließen oder eine Internet-Marke aufzubauen, konkurriert das Angebot mit Millionen anderen Offerten um Aufmerksamkeit. Neben einer Kombination von traditionellen Werbemaßnahmen (Plakat, Anzeige, TV/Radio) und Online-Marketing wie Banner- oder Newsletter-Werbung gibt es hier die Möglichkeit, die Dienstleistungen spezialisierter Agenturen in Anspruch zu nehmen. Kostengünstiger ist ein durchdachter - eventuell mit Hilfe externer Spezialisten optimierter - Eintrag in die gängigen Suchmaschinen.

10. E-Business-Betrieb und Controlling: Die Frage, ob das E-Business-Angebot selbst betrieben oder extern vergeben werden soll, ist ausschließlich anhand der Tiefe der Integration in die Inhouse-Systeme zu beantworten: Besteht eine ständige Verbindung zu internen Daten und Anwendungen, empfiehlt es sich, die zwei Systeme gemeinsam zu betreiben. Wichtig sind Erfolgskontrolle und Datenerhebung. Daraus lassen sich für den Ausbau relevante Trends ableiten. Die hohe Schule des E-Business ist schließlich, die Controlling-Ergebnisse in Form von Profilen und Geschäftsregeln wieder in ein personalisiertes E-Business-System einfließen zu lassen, um kontinuierlich besser und erfolgreicher zu werden.

*Daniel Schaaf ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Mark@Web Consulting in Frankfurt am Main.